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Postcards from Europe 10/14
Eva Leitolf: aus "Postcards from Europe 10/14"
Archivpigemntdruck auf Tecco PFR 295 auf Archivkarton, 83,5 x 68,6 cm, Text. Ed. 7 + 1 AP

PfE-3456-IT-281012­

Palazzo Selam, Rom, Italien 2012

In einem seit 2006 besetzten ehemaligen Gebäude der Universität Rom
leben im November 2012 835 zumeist anerkannte Flüchtlinge aus Somalia,
Eritrea, Äthiopien und Sudan. Ärzte der Organisation Cittadini del Mondo,
die die von der Stadtverwaltung geduldeten Besetzer ehrenamtlich betreuen, stellen
bei den Bewohnern wiederholt Krankheiten fest, die sich auf die unzureichende
sanitäre Infrastruktur zurückführen lassen.
Laut Angaben der Stiftung Integra/Azione bräuchten in Rom 6000 Flüchtlinge
eine Unterkunft, die Stadt stelle aber nur 2200 von landesweit 3150 eingerichteten
Plätzen bereit. Bereits 2011 legt in Deutschland der Anwalt eines somalischen
Asylbewerbers nahe, dass die italienischen Behörden mit einer Verelendungsstrategie
versuchten, eine Verteilung von Flüchtlingen auf die anderen EU-Staaten durchzusetzen.
Am 2. Juli 2012 entscheidet das Verwaltungsgericht Stuttgart dass eine palästinensische
Familie nicht nach Italien überstellt werden darf, da ihr dort aufgrund systemischer
Mängel des Asylverfahrens menschenunwürdige Behandlung drohe. Das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge will die bisherige Rückführungspraxis beibehalten, da Italien
trotz Mängel über ein funktionierendes Asylverfahren gemäß den Standards
der Europäischen Union verfüge.

Pro Asyl, The Living Conditions of Refugees in Italy, Februar 2011; Süddeutsche Zeitung, 9.5.2011;
Verwaltungsgericht Stuttgart, Pressemitteilung vom 12.7.2012 (A 7 K 1877/12);
Spiegel Online, 13.7.2012; The New York Times, 26.12.2012; Homepage Cittadini del Mondo, 31.12.2012

Eva Leitolf »

Postcards from Europe 10/14

6. Monat der Fotografie Berlin

Exhibition: 18 Oct – 14 Dec 2014

Fri 17 Oct 18:00 - 21:00

Kehrer Galerie

Potsdamer Str. 100
10785 Berlin


www.kehrergalerie.com

Postcards from Europe 10/14
Eva Leitolf: aus "Postcards from Europe 10/14"
Archivpigemntdruck auf Tecco PFR 295 auf Archivkarton, 83,5 x 68,6 cm, Text. Ed. 7 + 1 AP

PfE1150-DE-080914

Ehemaliger Luftabwehrstützpunkt, Seeligstädter Wald, Deutschland 2014

Im Rahmen einer Veranstaltung des Natur- und Heimatvereins Seeligstadt führt ein
ehemaliger Oberstleutnant am 11. Mai 2014 mehrere Hundert Interessierte über das
Gelände des ehemaligen Luftabwehrstützpunktes der Nationalen Volksarmee im
Seeligstädter Wald. Laut einem Bericht auf der Homepage der Gemeinde kommen
dabei „all die großen und kleinen Anekdoten, die das Leben schrieb“ nicht zu
kurz, und Fragen wie „Waren tatsächlich Atomsprengköpfe vor Ort?“
oder „Mussten heimische Pilzesammler die Stasi fürchten?“ werden erörtert.
Die dort stationierte Fla-Raketenabteilung 314 hatte die Aufgabe, den Luftraum über
der DDR zu überwachen und Eindringlinge „zu erfassen und zu vernichten“.
Von 1992 bis März 2012 werden die Gebäude im Seeligstädter Wald als Asylbewer-
berheim genutzt. 2008 fordert Amnesty International in einer Petition beim Landrat des
Landkreises Bautzen die sofortige Schließung des Heims wegen gravierender baulicher
und hygienischer Mängel sowie der isolierten Lage. Der Großharthauer Bürgermeister
und alle Parteien im Gemeinderat sind gegen die Schließung. Die 140 Bewohner des
Heimes gelten als Einwohner der Gemeinde, für die Großharthau Umlagen aus dem
sächsischen Finanzausgleichssystem erhält.

Amnesty International, Petition vom 14.6.2008; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.7.2008;
Homepage der Gemeinde Großharthau, 11.05.2014; Wochenkurier, 15.5.2014; Alles-Lausitz.de, 4.8.2014

Eva Leitolf
"Postcards from Europe 10/14"
work from the ongoing archive, seit 2006


Ausstellung: 18. Oktober bis 30. November 2014
Eröffnung: 17. Oktober 2014, 18 – 21 Uhr

No Signs Of Crime: Künstlergespräch am 31. Oktober, 19 Uhr
Prof. Bernd Stiegler, Universität Konstanz, im Gespräch mit Eva Leitolf über Möglichkeiten und Grenzen der Darstellbarkeit von Bild und Text.

Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie Berlin.

Das von Eva Leitolf im Jahr 2006 begonnene Projekt "Postcards from Europe" versammelt Fotografien und Texte zu unterschiedlichsten Konfliktfällen vor dem Hintergrund globaler Migration. Leitolfs Interesse am Umgang mit Flüchtlingen an den Außengrenzen und innerhalb der Europäischen Union – in Spanien und Marokko, in Süditalien, Ungarn, in den Hafenstädten Dover und Calais sowie in Deutschland und Österreich – gilt dabei Momenten abseits der Berichterstattung, wie wir sie aus den Medien kennen. Zwar bildet die Künstlerin fotografisch jene Orte ab, an denen sich Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Gewalttaten ereignet haben, doch zeigen Eva Leitolfs Fotografien diese Orte menschenleer und teilweise sogar frei von jeglicher Zivilisation. Die damit geradezu "ereignislose" Fotografie begleitet je Bild ein nüchterner Text, der den konkreten Tatbestand schildert. Erst im Zuge des Lesens wird deutlich, weshalb der fotografierte Ort überhaupt bildwürdig wurde.

Eva Leitolfs künstlerisches Verfahren unterwandert damit das seit den Anfängen der Fotografie bekannte Beharren auf die weltumspannende Allgemeinverständlichkeit des Mediums – ohne jegliche Vorbildung. In Frage stehen damit die dem Medium zugeschriebene Objektivität sowie der Glaube daran, die Fotografie gebe auch sicher Informationen wieder, die kein weiteres Wissen über ihren Entstehungszusammenhang benötigt. In Frage gestellt sind damit zudem die gängigen Regeln und Formalisierungen der medialen Berichterstattung zum konkreten und momentan allgegenwärtigen Thema des Schicksals von Flüchtlingen. Leitolf verweigert sich konsequent dem Schock, den Bilder von Gewalt auslösen können, und verfolgt stattdessen eine Fotografie, die den medialen Regeln entkommt. Eva Leitolfs Fotografien erhalten ihre Bedeutung gerade dadurch, dass sie sich einer einfachen Moral, Parteinahme und Verwertung entziehen.

Postcards from Europe 10/14
Eva Leitolf: aus "Postcards from Europe 10/14"
Archivpigemntdruck auf Tecco PFR 295 auf Archivkarton, 83,5 x 68,6 cm, Text. Ed. 7 + 1 AP

PfE0829-GR-290411

Attiki-Platz, Athen, Griechenland 2011

Mehrere Tausend obdachlose Migranten, unter ihnen zahlreiche Frauen und Kinder, leben in
Athen aufgrund überfüllter Aufnahmezentren auf Grünflächen, unter Brücken und
in Abbruchhäusern. Anfang Oktober 2010 formieren sich Anwohner des St. Panteleimon- und
Attiki-Platzes zu militanten Bürgerwehren, um ihre Nachbarschaften „zurückzuerobern“.
Es kommt zu schweren Übergriffen. Am 8. Oktober findet daraufhin auf dem Attiki-Platz eine
Solidaritätsdemonstration mit mehreren Hundert Teilnehmern statt, um gegen die seit einer Woche
dort patrouillierenden Bürgerwehren zu protestieren. Mehrere Afghanen werden am Ende der
friedlichen Proteste von Polizeieinheiten mit Schlagstöcken schwer verletzt.

Die Zeit, 5.2.2010; w2eu, 5.10.2010; clandestinenglish, 8.10.2010

Die begleitenden Texte zu den Fotografien sind Ergebnisse von Eva Leitolfs Recherchen, wobei die Künstlerin auf unterschiedlichste Quellen zugreift: dem Studium von Nachrichten und Polizeiakten, ihren Gesprächen mit Migranten, Opfern, Vertretern von Hilfsorganisationen und Ansässigen vor Ort. Die im Stil sachlich knapper Schilderung formulierten Textprotokolle bedienen, gleich den Fotografien, ebenso wenig den Affekt des Entsetzens angesichts unwürdiger und asozialer Verhältnisse oder unmenschlicher Ereignisse im Kontext von Krieg, Flucht und Asyl. Sie beschreiben vielmehr Verhalten, Strukturen und Verfahren als Ursache und Bedingung des konkreten Konflikts.

Eva Leitolf studierte an der Universität GH Essen und am California Institute of the Arts. Ihre Arbeiten, u. a. die zwischen 1992 und 2008 entstandene Serie "Deutsche Bilder – eine Spurensuche", "Rostock Ritz" (2004) und "Postcards from Europe" (seit 2006) wurden mit renommierten Preisen ausgezeichnet und waren Gegenstand zahlreicher Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland.

Postcards from Europe 10/14
Eva Leitolf: aus "Postcards from Europe 10/14"
Archivpigemntdruck auf Tecco PFR 295 auf Archivkarton, 83,5 x 68,6 cm, Text. Ed. 7 + 1 AP

PfE0017-ES-030106

Leitern, Melilla 2006

Nachdem im Herbst 2005 bekannt wird, dass die spanische Regierung die Sicherungsanlagen
verstärken lassen will, versuchen während der folgenden Wochen fast täglich Hunderte von Flüchtlingen,
den Grenzzaun um die spanische Exklave Melilla mit selbst gebauten Leitern zu überwinden.
Nach Zeugenaussagen setzt die Guardia Civil elektrische Keulen, Tränengas, Gummigeschosse und scharfe
Munition ein. Mindestens 14 Menschen sterben aufgrund ihrer Verletzungen durch den messerscharf
bewehrten stählernen Grenzzaun oder werden – nach Darstellung der spanischen Regierung –
von marokkanischen Soldaten erschossen.

Der Sprecher der Hilfsorganisation Fundación Prodein mutmaßt, die Regierung stelle die Leitern
medienwirksam zur Schau, um die angewendete Gewalt als Reaktion auf eine „unaufhaltsame Lawine von
Migranten“ zu rechtfertigen. Im selben Jahr beschließt die EU, Marokko 40 Millionen Euro, vor
allem für Polizeimaßnahmen und die Grenzsicherung, zur Verfügung zu stellen.

Der Spiegel, 27.9.2005; Gespräch mit José Palazon/Fundación Prodein, Melilla, 6.1.2009