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Donata Wenders »

SILENT TRACES

Artist Talk:

Fri 28 Nov 17:00

Johanna Breede PHOTOKUNST

Fasanenstr. 69
10719 Berlin

+49 (0)30-88913590


www.johanna-breede.com

Tue-Fri 11-17, Sat 11-14

Die Welt ist alles, was der Fall ist. Sie ist eine Hügellandschaft im Dämmerlicht und ein Vogelschwarm über einem Tempeldach. Sie ist eine Teetasse in Onomichi und eine einsame Insel in Naoshima. Sie ist tatsächlich alles, was in ihr der Fall ist. So zumindest die berühmte erste Erkenntnis aus Wittgensteins "Tractatus logico-philosophicus". Es könnte aber auch eine Erkenntnis aus Donata Wenders Fotoserie "Journey to Onomichi" sein. Denn in dieser fotografischen Reiseskizze aus dem Jahr 2005 zeigt die Fotografin einzig eine Welt, die ist. Und so, wie sie ist, lässt Wenders sie stehen. Sie fügt nichts hinzu. Sie stellt kein erklärendes Beiwerk zur Seite. Onomichi, durch die Leica von Donata Wenders gesehen, bleibt letztlich immer in einem Geheimnis. Für die Fotografin ist die Stadt in der Präfektur Hiroshima eine Art Zwischenraum. Ein Reich, frei von allen Bedeutungen. Wie eine Bühne, auf der ein Gott der kleinen Dinge seine alltäglichen Wunder aufführt.

"In Japan", so schrieb einmal der französische Philosoph Roland Barthes, "ist das Reich der Signifikanten ausgedehnt und um so viele weiter als die Sprache." Es scheint dies eine Erfahrung zu sein, die auch Donata Wenders gemacht hat. Vor fast zehn Jahren brach die studierte Cinematografin zusammen mit ihrem Mann, dem Fotografen und Filmemacher Wim Wenders, ins Land der aufgehenden Sonne auf. Für eine Ausstellung in den Tokioer Omotesando Hills wollten sie ein Projekt realisieren, bei dem zwei Bildermacher das Gleiche auf je eigene Weise entdeckten. Während sich Wim Wenders dem Land mittels farbigen Stadt- und Landschaftspanoramen zu nähern begann, konzentrierte sich Donata Wenders auf die Winzigkeiten am Rande des Sichtfelds: auf die Accessoires einer kleinen Teezeremonie; auf zarte Silhouetten im Gegenlicht. Müßig wäre es, diesen impressionistischen Schwarzweiß-Fotografien mit Sprache und Worten zu begegnen. Denn dieses Japan ist reines Sein. Eine Ansammlung von Licht und Zeichen. Fragil, flüchtig und voller Poesie.

"Journey to Onomichi" ist typisch für das Werk der 1965 in Berlin geborenen Künstlerin. In den nun zwanzig Jahren ihrer fotografischen Arbeit hat Donata Wenders Werke geschaffen, die die Welt re-poetisieren helfen. Oft angelehnt an die Bildsprachen der Pictorialisten und abgezogen auf seltenen Fotopapieren, hat sie immer wieder Bilder kreiert, die niemals wirklich alles zeigten. Und gerade deshalb zeigten sie mehr, als all das, was man erwarten dürfte.

Zwei Serien der heute in Los Angeles, New York und Berlin lebenden Fotografin sind ab dem 15. November in der Galerie Johanna Breede zu sehen. Neben Höhepunkten aus "Journey to Onomichi" werden erstmals auch elf kleinformatige Silbergelatinedrucke ausgestellt, die 2010 im Allgäu entstanden sind. "In the Snow", so der Titel dieser Serie, verdichtet den ästhetischen Ansatz der Künstlerin in äußerst fragilen Bildräumen. Hinter Schneeflocken und grauem Winterlicht taucht eine dunkel gekleidete Frauengestalt auf. Ihre Silhouette ist unscharf. Ihre ganze Existenz zart, zerbrechlich und nahezu gläsern. "Ich wollte sichtbar machen, was sich zwischen den Menschen ereignet", so Donata Wenders über diese Arbeit. Denn dazwischen liegt eine Art Feld – ein Fluidum, eine unbeschreibliche, energetische Sphäre. Was immer es sein mag, hier wird sie sichtbar: diese Welt, die da ist. Auch jenseits der Formen und festen Strukturen. Die auch dann noch der Fall ist, wenn alles andere nicht mehr ist. (Ralf Hanselle)