Pierre Bourdieu »
Der Algerienkrieg und die Fotografie
Exhibition: 23 Jun – 3 Sep 2006
Haus der Photographie / Deichtorhallen
Deichtorstr. 1-2
20095 Hamburg
Halle für aktuelle Kunst / Deichtorhallen
Deichtorstr. 1-2
20095 Hamburg
+49 (0)40-321030
mail@deichtorhallen.de
www.deichtorhallen.de
Tue-Sun 11-18
Die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts sind geprägt von kriegerischen Vorgängen, die von manchen als Auseinandersetzungen zwischen den europäischen und islamischen Zivilisationsräumen verstanden werden, von anderen jedoch als Wiederaufleben der Kämpfe zwischen Zentrum und Peripherie unter postkolonialen Bedingungen. Die Ausstellung "Pierre Bourdieu: Der Algerienkrieg und die Fotografie" thematisiert die Rolle der Fotografie in diesem Spannungsfeld. Neben bislang kaum bekannten Beispielen aus der Blütezeit der journalistischen Reportagefotografie - vor dem Aufstieg des Fernsehens zum Leitmedium – umfasst sie vor allem beeindruckende Fotografien zu den alten und neuen Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens, die in wissenschaftlicher, bewusst nichtjournalistischer Absicht entstanden. Die Ausstellung wird begleitet durch drei Workshops mit internationalen Referenten und ein umfangreiches Filmrogramm. Der erste Teil der Ausstellung zeigt unter dem Titel "In Algerien: Zeugnisse der Entwurzelung" Fotografien des später weltweit bekannten französischen Sozialwissenschaftlers Pierre Bourdieu (1930 - 2002). Erst kurz vor seinem Tod gelangten seine Bilder aus dem Algerien der antikolonialistischen Befreiungskämpfe an die Öffentlichkeit. Sie dokumentieren in eindrucksvoller Weise die Widersprüche, Ungleichzeitigkeiten und vielfältigen Formen des Elends in diesem "riesigen gesellschaftlichen Laboratorium" (Bourdieu) und reflektieren den Konflikt zwischen Kolonialherrn und der nach Selbstbestimmung strebenden muslimischen Bevölkerung. Christine Frisinghelli (Camera Austria, Graz) und Franz Schultheis (Fondation Pierre Bourdieu, Universität Genf) kuratierten diesen Ausstellungsbereich für das Haus der Photographie, nachdem diese Bilder bereits in anderen Zusammenhängen an verschiedenen Orten zu sehen waren. Angeregt durch Bourdieus Fotos entstand als zweiter Ausstellungsteil die erste umfassende Darstellung zur Rolle der Fotografie in diesem heftigen Konflikt, kuratiert von Robert Fleck und Ingo Taubhorn (Haus der Photographie). Neu ausgewählt aus dem reichen, noch wenig erschlossenen Bestand der Hamburger Medienarchive wurden unveröffentlichte Reportagen u. a. von Max Scheler und Rolf Gillhausen. Neben Beispielen der Berichterstattung der großen illustrierten Wochenmagazine PARIS-MATCH, STERN und SPIEGEL sind Amateuraufnahmen von Soldaten und Fremdenlegionären zu sehen sowie noch nie gezeigte Fotografien von Angelika Platen (1964) und Manfred Willmann (2006). Die Ausstellung und das umfangreiche Rahmenprogramm beruhen auf einer Kooperation mit der Fondation Pierre Bourdieu, Genf, dem Forschungsnetzwerk ESSE, Camera Austria, Graz, dem Kunstraum der Universität Lüneburg sowie dem Hamburger Programmkino Metropolis. Gefördert durch den Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und das Institut Français de Hambourg. "Pierre Bourdieu: Der Algerienkrieg und die Fotografie" ist Teil des seit Oktober 2002 vorbereiteten Gemeinschaftsprojekts "Kunst und Demokratie" mit dem Haus der Kunst, München, und der Schirn Kunsthalle, Frankfurt (alle bis 3. September 2006). Workshops und Vorträge zur Ausstellung Die spät entdeckten fotografischen Arbeiten Pierre Bourdieus eröffnen dem Betrachter, aber auch dem mit seiner Soziologie und Ethnologie vertrauten Leser unterschiedliche Zugangsweisen. Sie lassen sich als Forschungsinstrument im Dienste der Feldforschung verstehen, als wissenschaftliche Spurensicherungen einer vom Kolonialismus zum Verschwinden gebrachten Welt oder als politische Zeugnisse der Gewalt der kolonialen Durchdringung und der dadurch entwurzelten Menschen. Zugleich bietet sich aber auch ein reflexiver Rückgriff auf Pierre Bourdieus Studien der gesellschaftlichen Gebrauchsweisen der Fotografie selbst an. Angesichts seiner Visualisierungen der gesellschaftlichen Welt erscheint es möglich, vielfältige theoretische und methodologische Aspekte seiner Forschungen neu aufzuwerfen und zu diskutieren. Thematische Workshops rund um die Ausstellung der bourdieuschen Fotografien in Hamburg bieten Gelegenheit dazu. Das Rahmenprogramm wird durch eine Reihe zum algerischen Film im Metropolis Kino abgerundet. Ausführliche Informationen zu den einzelnen Workshops finden Sie auch unter www.deichtorhallen.de. Eintritt zu Sonderveranstaltungen: 5,- €, ermäßigt 3,- € Eintritt zu Sonderveranstaltungen und Ausstellung am gleichen Tag: 10,- €, ermäßigt 7,- € Anmeldung nicht erforderlich. Das Rahmenprogramm wird gefördert von dem EU-Forschungsnetzwerk ESSE, der Fondation Bourdieu, dem Institut français de Hambourg, dem SIREN (Europäisches Forschungsnetzwerk TSER), dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und der Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V. Programmübersicht: Fr 23. Juni 2006, 10.00 - 15.00 Uhr Workshop Die gesellschaftliche Welt im Objektiv: zum Verhältnis von Sozialwissenschaft und Fotografie bei Pierre Bourdieu Fr 14. Juli 2006, 11.00 - ca. 18.00 Uhr Workshop Das intellektuelle Feld, der Algerienkrieg und die postkoloniale Konstellation Fr 25. August 2006, 11.00 - 17.00 Uhr Workshop Die Ökonomie der Prekarität. Wirtschafts,- Zeit- und Mentalitätsstrukturen im (post-)kolonialen Zeitalter Fr 23. Juni 2006 - Do 07. September 2006 Film Aufnahme eines deutschen Fremdenlegionärs vom Sommer 1959