Robert Conrad »
Heimatkunde - Greifswald in den 1980er Jahren
Exhibition: 1 Oct 2012 – 3 Mar 2013
Sun 30 Sep
Pommersches Landesmuseum
Rakower Str. 9
17489 Greifswald
03834-831210
info@pommersches-landesmuseum.de
www.pommersches-landesmuseum.de
Tue-Sun 10-18
Ausstellung verlängert bis zum 03.März 2013
Finissage: 3. März 2013, 14.00 bis 16.00 Uhr
Im Kontext der umfassenden Retrospektive "Geschlossene Gesellschaft - künstlerische Fotografie in der DDR 1949-1989" in der Berlinischen Galerie wurden auch Arbeiten des vergleichsweise „jungen“ DDR-Fotografen Robert Conrad (geb. 1962) präsentiert. Bekannt wurde Conrad mit seinen Portraitaufnahmen jugendlicher DDR-Oppositioneller, vor allem aber durch seine streng komponierten und zugleich geheimnisvoll atmosphärischen Fotografien, die den Verlust historischer Architektur und Stadträume in verschiedenen ostdeutschen Städten vor der politischen Wende thematisieren. Auch heute noch widmet der Künstler einen großen Teil seines Werkes der Architekturfotografie.
Das Pommersche Landesmuseum Greifswald zeigt nun seit Oktober des vergangenen Jahres eine umfassende Auswahl früher Arbeiten Conrads, die seit 1980 während der realsozialistischen Stadtzerstörungen in seiner damaligen Heimatstadt Greifswald entstanden waren.
140 Architekturfotografien und ein 20minütiger Super-8-Film des Künstlers zeigen auf zwei Galerieetagen ein verlorenes Stadtbild.
Inzwischen erfreut sich die Ausstellung, deren Schirmherrschaft die Bundeszentrale für Politische Bildung Bonn übernommen hat, eines wachsenden bundesweiten Interesses. Bereits 15.000 Besucher haben die stark beachtete und diskutierte Ausstellung im Nordosten der Republik bereits besucht. Viele erwarben Fotoabzüge einer limitierten Auflage des Künstlers, zu den prominentesten Käufern gehört der Bundespräsident Joachim Gauck. Das zur Ausstellung editierte Fotobuch Conrads ist inzwischen ausverkauft.
Greifswald ist als eine der wenigen deutschen Städte bekannt, die den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatten. In der DDR verfiel die Jahrhunderte alte Hansestadt jedoch in wenigen Jahrzehnten, ehe dann weite Bereiche des historischen Zentrums Flächenabrissen zum Opfer fielen und durch kostengünstige Plattenbauten ersetzt wurden. Der technokratische, geschichtsfeindliche Stadtumbau Greifswalds war ein Pilotprojekt. Es war geplant, auf Grund der hier gemachten Erfahrungen in der gesamten DDR historische Stadtbilder systematisch zu zerstören. Der durch diese rigide Politik hervorgerufene, langsam wachsende Widerstand der Bevölkerung stellte ein wichtiges Moment der Bürgerproteste von 1989 dar.
Robert Conrad begann damals während der Abrisse zu fotografieren, um so die verloren gehenden Bauten und Stadträume „zumindest zweidimensional bewahren“, wie er heute sagt. Inzwischen ist genau dieses Bestreben an anderen Plätzen und Orten wie Kaliningrad, Tel Aviv, Casablanca und Kalkutta zu seinem Beruf geworden.
Die Präsentation dieser vor fast 30 Jahren entstandenen Schwarz-Weiß- und Farbaufnahmen bringt den Verlust des Stadtraumes sowie das allgemeine gesellschaftliche Klima jener Jahre auf beklemmende Weise in Erinnerung. Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Bernfried Lichtnau von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität sieht Conrads Bildsprache ganz in der Tradition des großen Jean Eugéne Atget: zur Architekturfotografie gehört hier der aufmerksame Blick auf die jeweilige gesellschaftliche Realität. Dieser fällt bei der Dokumentation der Gebäude und Straßenzüge Greifswalds auch auf das alltägliche Leben der Bewohner, auf die noch verbliebene Idylle im Verfall, leere Fensterhöhlen, verblichene Geschäftswerbung und auf politische Propagandaplakate.
Die Finissage findet am Sonntag, dem 03.03., von 14.00 bis 16.00 Uhr in Anwesenheit des Fotografen, des Kurators Mario Scarabis, des Kunsthistorikers Prof. Dr. Lichtnau und des Oberbürgermeisters der Stadt Greifswald, Dr. König, statt.