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Marie Goslich (1859-1938): From The Estate
Exhibition: 14 Sep – 12 Oct 2014
Sat 13 Sep 18:00 - 21:00
Marie Goslich (1859-1938): From The Estate
Ausstellung 14. September bis 12. Oktober 2014
Eröffnung Samstag, 13. September 2014, 18 – 21 Uhr
Einführung von Dr. Krystyna Kauffmann in Marie Goslichs Schaffen um 19 Uhr
Kehrer Berlin Galerie eröffnet am Samstag, den 13. September 2014, die Ausstellung „Marie Goslich (1859 –1938). From The Estate“. Der fotografische Nachlass der 1859 in Frankfurt/Oder geborenen Eva Marie Elwine Goslich umfasst etwa 400 Glasnegative, die 2008 wieder entdeckt und 2013 durch eine erste monographische Publikation einem breiteren Publikum bekannt gemacht wurden. Zum Auftakt der Berlin Art Week 2014 ist eine exklusive Auswahl von zehn Estate Prints und damit ein thematisch gefasster Einblick in das fotojournalistische Werk einer – für die Zeit um 1900 – äußerst progressiven und sozialkritisch engagierten Persönlichkeit zu sehen.
Marie Goslich wächst in einer Familie der gehobenen Bildungsschicht in Frankfurt/Oder auf. Bis zum frühen Tod ihrer Eltern besucht Marie Goslich die Städtische Höhere Töchterschule (1865–1875). Danach erhält sie in einem Dresdner Pensionat Unterricht in Sprachen, Musik und Schneiderei. Im Anschluss an ihre Ausbildung zieht sie vermutlich um 1890 nach Berlin und geht zunächst dem zu dieser Zeit „frauengemäßen“ Berufsbild der Erzieherin und Privatlehrerin nach. Über ihre Verwandtschaft zu den Familien von Henning und Delbrück beginnt sie 1891 ihre Tätigkeit als Redaktionssekretärin bei den Preußischen Jahrbüchern, die von dem Historiker Hans Delbrück, Goslichs Cousin, herausgegeben werden. Marie Goslich veröffentlicht in den Preußischen Jahrbüchern bis zu ihrem Ausscheiden aus der Redaktion 1898 erste Artikel, danach arbeitet sie wieder als Lehrerin, setzt jedoch ihre journalistische Tätigkeit fort. In der 1890 gegründeten „Photographischen Lehranstalt“ des Lette-Vereins Berlin erlernt sie mit 44 Jahren die Fotografie, erweitert ihr Berufsbild und wird Fotojournalistin.
Sie gehört damit zu den, in der deutschen Magazinlandschaft, sehr wenigen Frauen, die sowohl in Text und Bild eine äußert pointierte Haltung vor allem zur ärmlichen Situation der Landarbeiter, aber auch zur Stadtentwicklung und der damit verbundenen Bodenspekulation in Berlin einnehmen. Während ihrer Zeit als Schriftleiterin der Zeitschrift „Körperkultur“ (1907–1910) erscheinen von ihr geschriebene und bebilderte Artikel über den Schlittschuh- und Rollschuhsport sowie „Von der Grazie“. Von 1911 bis 1913 ist sie Redakteurin und von 1913 bis 1926 verantwortliche Redakteurin für „Der Bote für die christliche Frauenwelt“ – ein mit einer wöchentlichen Auflage von ca. 25.000 Exemplaren erscheinendes Massenblatt.
Marie Goslichs überlieferter fotografischer Nachlass kennzeichnet das außergewöhnliche Interesse für eine möglichst objektive, natürliche Wiedergabe ihrer Sujets. Die von ihr aufgenommenen Wanderburschen, die fahrenden Händlerfamilien, Zigeuner, Bauern und Arbeiter/innen, welche sie im Umland von Berlin, Potsdam, am Schwielowsee und in der Nachbarschaft der Sommerfrische Baumgartenbrück aufgenommen hat, sind Dokumente einer sowohl präzisen, wie respektvollen und unaufdringlichen Absicht, die Lebenswelt der „einfachen Leute“ möglichst realitätsnah wiederzugeben. Gleichzeitig charakterisieren Goslichs Fotografien einen Blick für Ästhetik, Details und bildhafte Komposition.
Aus den wenigen, bisher recherchierbaren Dokumenten geht hervor, dass Marie Goslich 1937 für ein Jahr in der Landesheilanstalt in Brandenburg-Görden untergebracht war und 1938 in die Heilanstalt Meseritz-Obrawalde überstellt wurde, in der sie unter bisher ungeklärten Umständen 1938 verstarb. Beide Anstalten galten während des Dritten Reiches als Zentren für die das willentliche Vernichten lebensunwerten Lebens.