Niina Vatanen »
Beyond the Visible
Exhibition: 24 Jan – 10 Apr 2015
Fri 23 Jan 19:00
C/O Berlin
Hardenbergstr. 22-24
10623 Berlin
+49 (0)30-28444160
info@co-berlin.org
www.co-berlin.org
Daily 11-20
Thinking About Photography
Niina Vatanen
"Beyond the Visible Surface"
Ausstellung: 24. Januar bis 10. April 2015
Eröffnung: 23. Januar, 19 Uhr
Mit der Ausstellung startet C/O Berlin die neue thematische Reihe "Thinking About Photography".
Ja, so ist es gewesen! Genau dort hat es sich ereignet. Diese Personen erkenne ich wieder. Beim Betrachten von Fotografien bleibt der Blick des Betrachters meist stark am Inhalt haften – an der vermeintlich exakten Aufzeichnung und Verortung einer vergangenen Realität. Das fotografische Abbild gilt als authentische Spur und Kontaktabzug von Wirklichkeit. Mit der intensiven Fokussierung auf das Dargestellte jedoch dringt der Betrachter paradoxerweise nicht tiefer in die Bedeutung des Bildes ein, sondern prallt lediglich an dessen Oberfläche ab – er sieht das Foto vor lauter Abbild nicht. Erst mit einem gewissen Abstand wird somit das ambivalente Wesen der Fotografie sichtbar. In ihren Arbeiten stellt die finnische Künstlerin Niina Vatanen mit einfachen, spielerischen Interventionen bewusst die notwendige Distanz her und lenkt den Blick direkt auf die fotografische Oberfläche, um den Akt des Sehens als inhärenten Teil der Fotografie herauszustellen.
Dieses Wechselspiel der Wahrnehmung zwischen Sichtbarem und Nicht-Sichtbarem gleichermaßen, zwischen Oberfläche und Dahinterliegendem thematisiert Niina Vatanen und nutzt es als künstlerisches Mittel, um Erinnerung, Gefühle und Stimmungen darzustellen. Denn in das Gesehene interpretiert der Betrachter immer seine persönliche und sensorische Erfahrung, sucht vermeintliche Wahrheiten und Sinnhaftes und entdeckt Bedeutungen und Muster, die gar nicht vorhanden sind. Unbewusst fügt er seinen imaginären Kontext hinzu – bestehend aus eigenen Erinnerungen, bereits Gesehenem und Illlusionen. Auf diese Weise schafft Niina Vatanen eine komplexe Auseinandersetzung mit wesentlichen Aspekten der Fotografie wie Materialität, Sichtbarkeit, Erinnerung und Imagination. In ihren Werken ist Fotografie nicht Abbild, sondern autonomes Bild.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die neueste Serie Archival Studies / A Portrait of an Invisible Woman, in der Niina Vatanen das fotografische Archiv der finnischen Amateurfotografin Helvi Ahonen erkundet. Basierend auf diesem Material kreiert Niina Vatanen eine neue Arbeit – eine Art imaginäres Museumslabor, in der fiktive Elemente mit Archivmaterial gemischt werden. Ihre Eingriffe durch das Hinzufügen von Formen, Farbflächen und Linien auf der Oberfläche der Fotos sowie die Nachbearbeitung der Negative, Manipulationen bei der Entwicklung in der Dunkelkammer, Doppelbelichtungen oder digitale Collagen verändern den Blickfokus und eröffnen neue Bedeutungsebenen und Zusammenhänge. Indem sie die Materialität der Fotografie in den Vordergrund stellt, befreit sie das Medium von Außenreferenzen.
Diese Arbeit wird ergänzt durch die Serie Grey Diary, in der Niina Vatanen eine fotografische Spurensuche dokumentiert – die Suche nach dem, was von einem Toten bleibt, der einem nahestand. Es entsteht ein zersplittertes Porträt ihres verstorbenen Stiefvaters und thematisiert zugleich eine vielschichtige Reflexion über die Abwesenheit eines Menschen und dessen Gedenken. Auch ihr Zyklus Cloud Hunter‘s Eyes befasst sich mit Erinnerung und Imagination. Hier konzentriert sich Niina Vatanen jedoch auf das in Fotografien Sichtbare. Und vor allem auch auf das, was nicht sichtbar ist – das Versteckte und Obskure sowie Gefühle. Denn signifikant ist oft das, was eben nicht konkret vor dem Auge des Betrachters erscheint. Durch Malen, Schneiden, Kleben, Inszenierung und schließlich durch erneutes Fotografieren baut Niina Vataten in A Room‘s Memory Ebenen in ihre Bilder, die einen von Zeit und Erinnerung durchflochtenen, mehrschichtigen Bilderteppich entstehen lassen und auf eine tiefere Bedeutung unter der Oberfläche verweisen.
Erstmals in Berlin präsentiert C/O Berlin eine umfassende Ausstellung zum Gesamtwerks von Niina Vatanen, bestehend aus vier Serien mit über 80 Arbeiten. Die Ausstellung wurde von Ann-Christin Bertrand kuratiert.
Niina Vatanen, geboren 1977 in Kuopio, Finnland, studierte Fotografie an der TaiK – Aalto University School of Arts, Design and Architecture in Helsinki und schloss ihr Studium 2008 mit einem Master of Arts ab. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Finnland, Mitteleuropa, Russland, Südkorea und auf der Paris Photo präsentiert sowie in Publikationen veröffentlicht. Niina Vatanen lebt und arbeitet in Helsinki.
Mit "Thinking about Photography" schafft C/O Berlin ein für Berlin vollkommen neues Format und legt bewusst den Fokus auf neue Tendenzen der zeitgenössischen Fotografie. Seit jeher war die Fotografie ein stark durch technische Entwicklungen beeinflusstes Medium, welches in der noch relativ jungen Fotografiegeschichte zu konstanter Weiterentwicklung und Veränderung des Mediums geführt hat. Seit der Digitalisierung ist die Fotografie aktuell erneut in einem Transitionsprozess begriffen, dessen Auswirkungen und Folgen erst langsam sichtbar werden und somit auf internationaler Experten- und Künstlerebene seit einigen Jahren intensiv diskutiert werden. „Thinking about Photography“ gibt zukünftig mit bis zu drei Ausstellungen pro Jahr Anlass, über neue Tendenzen und künstlerische Entwicklungen innerhalb des Mediums Fotografie zu reflektieren. Neue Produktions-, Wahrnehmungs-, und Präsentationsformen werden dabei in den Fokus gerückt, um stärker auch die Zukunft des Mediums im Blick zu haben.