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Fotografien
Germaine Krull
Selbstportrait mit Icarette, um 1928
Silbergelatineabzug, 23,6 x 17,5 cm
Centre Pompidou, Paris. Musée national d'art moderne/Centre de creation, industrielle
© Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen

Germaine Krull »

Fotografien

Exhibition: 15 Oct 2015 – 31 Jan 2016

Martin-Gropius-Bau

Niederkirchnerstr. 7
10963 Berlin
Wed-Mon 10-19

Gropius Bau

Niederkirchnerstr. 7
10963 Berlin

+49 (0)30-254860


www.gropiusbau.de

Wed-Mon 11-19

Fotografien
Germaine Krull
Les Halles in der Nacht (in Freundschaft zu Van Ecke), um 1920
Silbergelatineabzug, 22 x 16,2 cm
Amsab-Institut für Sozialgeschichte, Gent
© Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen

Germaine Krull
"Fotografien"


Ausstellung: 15. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016

Germaine Krull (1897-1985) zählt zu den bedeutenden Fotografinnen im Paris der 1920er und -30er Jahre. Sie hat mit ihren experimentellen Aufnahmen und ihren Fotoreportagen für Magazine wie VU, Variété und Jazz die Geschichte der Fotografie geprägt. Sie zählt zu den Protagonisten der modernen Fotografie. Dennoch ist ihr Werk kaum erforscht und in nur wenigen Ausstellungen bisher präsentiert. Erstmals in Deutschland stellt der Martin-Gropius-Bau in Zusammenarbeit mit dem Jeu de Paume Paris die Schwerpunkte ihrer Arbeit und ihre ästhetischen Neuerungen ins Zentrum einer Retrospektive. Mit rund 130 Originalabzügen sowie Auszügen aus Fotoillustrierten zeigt die Schau die außergewöhnliche Fülle und Innovationskraft ihres Werks.

Als Teil der Foto-Avantgarde war Germaine Krull eng mit Künstlern wie Sonia und Robert Delaunay, Man Ray und André Kertész verbunden. Walter Benjamin und Jean Cocteau ließen sich von ihr fotografieren und gehörten zu ihren Bewunderern. Benjamin nahm sie in seine "Kleine Geschichte der Fotografie" auf. Er schätzte Germaine Krulls politisch wie menschlich engagierte Haltung ebenso wie ihre radikale Bildästhetik. Er wies ihr den gleichen künstlerischen Rang zu wie August Sander und Karl Blossfeldt. Jean Cocteau bestätigte ihr, sie habe mit ihrer Kamera „eine neue Welt entdeckt, in der Technik und Seele einander durchdringen". Germaine Krulls Werk lässt sich nur schwer kategorisieren. Sie profilierte sich im Wesentlichen in ihren Pariser Jahren 1926-1935 als unverwechselbare Fotografin. Veränderungen und Ortswechsel bestimmen ihr Œuvre ebenso wie ihr Leben.

Krull wird als Tochter deutscher Eltern in Ostpreußen geboren, wächst in Italien, Frankreich und der Schweiz auf und beginnt 1915 ihre Ausbildung an der Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie in München. Dort eröffnet sie 1917 im Alter von 21 Jahren ihr erstes Fotoatelier. Sie fotografiert im Stil des Piktorialismus und hält im weichzeichnerischen, malerischen Stil Personen und Interieurs fest. Ihr Portfolio der Aktaufnahmen veröffentlicht die junge Fotografin in einem ersten Bildband. Doch nur wenige ihrer ersten Aufnahmen sind erhalten, darunter zwei Portraits Kurt Eisners, erster Ministerpräsident des Freistaates Bayern und sozialistischer Revolutionär. In München kommt sie auch zum ersten Mal in Kontakt mit dem Buddhismus, interessiert sich für Theosophie und beteiligt sich 1918 an der großen „Novemberrevolution“. Sie engagiert sich bei den Spartakisten. Nach ihrer durch die Wirren der Räterepublik bedingten Ausweisung, lebt Krull als politische Aktivistin in Russland. 1922 kommt sie zurück nach Deutschland, nach Berlin und beginnt wieder fotografisch zu arbeiten. Im Atelier von Karl Hübschmann am Kurfürstendamm entstehen unkonventionelle Aktaufnahmen unter anderem ihrer Schwester Berthe in theatralischen Posen. In der Hauptstadt lernt Krull den holländischen Filmemacher Joris Ivens kennen, den sie auch später heiraten wird. Sie geht mit ihm für einige Monate nach Amsterdam und zieht Ende 1925 nach Paris.

Dort gelingt ihr mit außergewöhnlichen Fotografien von technischen Bauwerken, darunter Serien, der Durchbruch: Eiffelturm, Häfen und Industrieanlagen. Sie schafft einen neuen Typus technischer Fotografie, der ohne spektakuläre Bildrhetorik auskommt. Mit ihrem Fotoband "Métal" (1927/28) avanciert sie zur internationalen Avantgarde der Fotografen, der Nouvelle Vision (des Neuen Sehens). Ihre Aufnahmen führen den Betrachter in die Irre, sie lassen durch das Fragmentieren des Bildes keine Orientierung zu und eröffnen gleichzeitig neue, ungewohnte Perspektiven.

Fotografien
Germaine Krull
Weiblicher Akt, 1928
Silbergelatineabzug, 21,6 x 14,4 cm
Centre Pompidou, Paris. Musée national d'art moderne/Centre de, création industrielle
© Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen

1928 wird sie von Lucien Vogel, verantwortlicher Redakteur der neugegründeten Wochenillustrierten VU, für Fotoreportagen engagiert. Zusammen mit André Kertész und Éli Lotar erfindet sie eine neue Form der Reportage. Mit ihrer kleinformatigen Icarette (6x9cm) realisiert sie Aufnahmen, die sich durch die Nähe zu ihrem Sujet auszeichnen: Ihre Portraits und Straßenmotive (darunter eine Reportage über die Pariser Clochards) sind geprägt durch eine Aktualität und einen unkonventionellen Realismus ohne künstlichem Effekt. Sie beschäftigt sich vor allem mit bestimmten Aspekten des Pariser Lebens in Arbeitervierteln und Markthallen, auf Märkten und Jahrmärkten. Sie übernimmt zahlreiche Aufträge für Zeitschriften, Mode und Werbung.

Krull beteiligt sich an wichtigen internationalen Ausstellungen, der Essener "Fotografie der Gegenwart" (1929), der Werkbund-Wanderausstellung "Film und Foto" (1929), die damals auch im Martin-Gropius-Bau Station machte. Sie veröffentlicht Bildbände, experimentiert mit Mehrfachbelichtungen und kollagenartigen Ausschnitten. Sie arbeitet an Szenen der Pariser Unterwelt, an Landschaftsbildern, an Automobil- und Straßenbildern und portraitiert Künstler, Literaten, Filmer, darunter Colette, André Malraux, Sergei Eisenstein. Immer wieder fotografiert sie Hände als handle es sich um Gesichter – stets mit einem unkonventionellen Blick und ohne einer bestimmten Strömung anzugehören.

Nachdem Germaine Krull sich 1941 für die France Libre, der von General de Gaulle gegründeten Widerstandsbewegung, engagiert hat, begleitet sie als Kriegsfotografin unter anderem die Schlacht um das Elsass (worüber sie ein Buch verfasst). Ihre Arbeitsbedingungen verändern sich, als nach dem Zweiten Weltkrieg die Medien kein Interesse mehr an künstlerischen Aussagen der Fotografen haben, sondern lediglich an einer Bebilderung des Textes.

Krull übersiedelt nach Asien und übernimmt als Hotelmanagerin das "Hotel Oriental" in Bangkok. In Asien entstehen tausende Fotografien buddhistischer Stätten und Monumente. Sie kehrt erst nach 15 Jahren zu Ausstellungen ihrer Fotos nach Paris zurück. Bis an ihr Lebensende publiziert sie originell gestaltete Bücher, darunter "Ballets de Monte-Carlo" (1937), "Uma Cidade Antiga do Brasil" (1943), "Chiang Mai" (um 1960) und "Tibetans in India" (1968). Noch als Siebzigjährige schließt sie sich den nach Nordindien geflohenen Anhängern des tibetischen Dalai Lama an und lebt längere Zeit mit ihnen in einem alten Tempel. Germaine Krull stirbt 1985 fast vergessen im Hessischen Wetzlar.

Die gezeigten Werke stammen aus öffentlichen und privaten Sammlungen, darunter das Museum Folkwang, Essen; das Amsab-Institut für Sozialgeschichte, Gent; die Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München; das Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, Paris; die Bibliothèque Nationale de France, Paris, sowie die Sammlungen Bouqueret-Rémy und Dietmar Siegert.

Fotografien
Germaine Krull
Brückenkran, Rotterdam. Serie "Metall", um 1926
Silbergelatineabzug, 21,9 x 15,3 cm
Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne, München
© Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen