Hier können Sie die Auswahl einschränken.
Wählen Sie einfach die verschiedenen Kriterien aus.

eNews

X





After Work
Simon Gush
Aus der Serie "Studies For Red"
2014
Inkjet auf Aluminium
28,3 x 42.5 cm
Edition 1 (+ 1 AP)

Simon Gush »

After Work

Exhibition: 19 Jan – 28 Feb 2015

Galerie Jette Rudolph

Strausberger Platz 4
10243 Berlin
Tue-Sat 12-18

Feldbusch Wiesner Rudolph

Jägerstr. 5
10117 Berlin

+49 (0)30-69504142


www.feldbuschwiesnerrudolph.de

Thu+Fri 12-18, Sat 11-16

After Work
Simon Gush
Videostills aus "Iseeyou"
2013
HD video, stereo sound
Ed. 3 (+ 1 AP)

SIMON GUSH
"After Work"


Ausstellung: 19. Januar bis 28. Februar 2015

"After Work" ist die erste Soloshow des Künstlers Simon Gush (*1981 Pietermaritzburg; lebt & arbeitet in Johannesburg, South Africa) in Berlin und in der Jette Rudolph Galerie.
Über die im Ausstellungstitel vorangestellte Präposition „after" („nach") verschiebt Simon Gush das Motiv der "Arbeit" ("work") in eine Post-Position und exerziert seine reflexiven Handlungsweisen auf verschiedene Arten: Im Selbstversuch mit Ich-Perspektive, in der philosophisch-reflexiven Betrachtung von Aussen, aber auch im Akt des zwischenmenschlichen Diskurses oder der partizipatorischen Aktion.

So extrahiert Gush in seinen aufeinander abgestimmten einzelnen Schwarz / Weiss-Videoarbeiten "Sunday Light" (2013), "Calvin and Holiday" (2014) und "I see you" (2013) die eindrücklichen Nebenschauplätze einer in der heutigen globalen Dienstleistungsgesellschaft kaum merklichen, da an den Rand der Sichtbarkeit gedrängten Wahrnehmung von "Arbeit" ("work"): den Sonntagsarbeiter, die historischen Denkmäler für den Arbeiter oder die Arbeit im Urlaub.

Mit der Videoarbeit "Sunday Light" (2013) fängt Gush Szenen menschenleerer Strassenzüge ein, weist mit ruhenden Kränen auf stillgelegte Arbeit hin, zeigt geschlossene Werkstores oder gibt das Sonnenlicht reflektierende Glasfassaden von Bürohäusern wieder. Momenthaft erscheinen dazwischen kleine, kriechend sich zur (Glas-)Fläche bewegende Figuren wie Miniaturen in der Szenerie: Fensterputzer, welche ihre Tätigkeit am arbeitsfreien Sonntag verrichten also jener Tätigkeit, die offiziell nicht stattfindet.

Lässt diese tendenzielle Negation der visuellen Präsenz dieser Tätigkeit womöglich den Verdacht aufkommen, dass sie die schleichende Entwertung- oder aber die spezifische Unabhängigkeit des Tagelöhners hervorkehrt? Der Annahme der Soziologin Kathy Weeks folgend, die am Beispiel der amerikanischen Gesellschaft eine Zukunftsvision des Arbeitsbegriffs entwirft, ist selbige (= die Arbeit) nicht mehr länger als ein soziales denn politisches Gut zu verstehen, sondern wir haben es vielmehr mit einer sich wandelnden Auffassung von Arbeit zu tun, deren Folge die Definition des autonom produktiven und kreativen Subjekts ist. (Kathy Weeks: "The Problem with Work. Feminism, Marxism, Antiwork Politics and Postwork Imaginaries", 2011) Ausgehend vom aktuellen Diskurs eines als naturalisierten und somit unpolitischen Verständnisses von Arbeit, welches lediglich in der Lage ist, die Zustände und Bedingungen von Arbeit zu problematisieren, nicht jedoch die grundlegenden Auffassungen von Arbeit als solcher neu zu verhandeln, entwirft Weeks die Idee der „postwork“ Gesellschaft. Während also nicht länger die Umstände von Arbeit in die Kritik geraten, rückt der Arbeitsbegriff selbst in den Fokus. Resultierend erscheint das Individuum aus Dienstverhältnissen befreit und konstatiert sich fortan durch Produktivität und Kreativität. Die von Weeks so bezeichnete "postwork society" fasst "Arbeit“ nicht länger als einen natürlichen Zustand auf. Sie stellt im System einer im Grossen und Ganzen privatisierten Erwerbstätigkeit nicht mehr die einst von den politischen Bewegungen des Marxismus wie Feminismus postulierten Fragen nach gleicher Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen o.ä.. Mit dem Aspekt der die einstigen Eingrenzungen überschreitenden generellen Privatisierung von Arbeit in der "postwork society" geht auch die Feststellung der zentralen Bedeutung von Arbeit für unser Leben, unsere Familie und die Produktivität unseres Selbstwerts einher, wie Weeks erläutert: "The effective privatization of work is also a function of the way the labor market individualizes work (...). The workplace, like the household, is typically figured as a private space, the product of a series of individual contracts rather than a social structure, the province of human need and sphere of individual choice rather than a site for the exercise of political power."

After Work
Simon Gush
Installationsansicht mit "WORK SLEEP WHAT WE WILL"
2013
Aluminium Buchstaben
Dimensionen variable

In seinem Film "Calvin and Holiday" (2014) greift Simon Gush den Gedanken der Überschreitung von Arbeit und Freizeit befördert durch die Privatisierung auf und überträgt ihn auf die selbstreflexive Praxis des Künstlers: "It was a working holiday, but, to others, it could have appeared not to be work as I stood in public spaces with my camera filming buildings (...) like an overzealous tourist. (....)". Damit rückt Gush die besondere Rolle des Calvinismus vermittels Motivwiedergaben entsprechender historischer Kirchen und Porträtskulpturen aus Geneva ins Blickfeld und bringt die Predigt der innerweltlichen Askese des französischen Reformators mit der herrschenden Berufsethik zusammen. Mit Verweis auf Max Webers Beitrag "Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" (erstmals 1904 erschienen) beschreibt er den Zusammenhang der religiös-ethischen Weltanschauung der innerweltlichen Askese des Calvinismus als Nährboden der Industrialisierung, des kapitalistischen Prinzips der Akkumulation und der Reinvestition von Gewinnen im Kontext des okzidentalen Rationalismus.

In allen Filmen Gushs dominiert der dokumentarische Stil des stillen Beobachters, deren puristisch analytische Haltung durch die Reduktion der ästhetischen und formalen filmischen Mittel auf eine Schwarz-, Weiss-, Grau-Palette die Option der lokalen Identifizierung seiner Motivzitate obsolet macht. Die Aufeinanderfolge von derartig anonymisierten Orten und Objekten gleicht beinahe dem Akt des Wiederholens, der Eigenschaft des Refrains oder Wiedererkennens bei einer gleichzeitig spürbaren Entfremdung des Bildgegenstandes bis hin zu dessen Bedeutungsverlust. Allein die Untertitel verleihen den Videoarbeiten einen prozesshaften Verlauf und färben die Beschreibung individuell ein, indem der Künstler nicht nur seine persönlichen Beobachtungen sondern gleichsam Gedanken der Ich-Perspektive formuliert dazu preisgibt. ("... Calvinism was a term I heard often when I was younger in 1990s South Africa, ... . It seemed appropriate to explore this deeply embedded idea of work while I was on holiday.") Zugleich verleiht diese Form des Ich-Erzählers den Arbeiten die Zugänglichkeit für den Rezipienten zu den visuell nicht darstellbaren, von Gush thematisierten Begriffen der Arbeit, Freizeit, des Calvinismus etc. und zeichnet die Denkpfade des Künstlers nach, gewährt dessen Zusicherung oder schafft Erweiterungen mittels eigenen Annahmen.

Zentral im Mittelkabinett der Galerie stellt Simon Gush inform in Stahl industriell produzierter Lettern den dem modernen Arbeitsbegriff entlehnten Wertekatalog zur Disposition vermittels der Schlagwörter: "WORK", „SLEEP" und "WHAT WE WILL". Eben jene wiederholen sich jeweils inform tabellarischer Kategorisierungen zweier Gruppen zu je drei Stapeln von Postern, die unter dem Werktitel "Before the work stopped 1 + 2" den klassischen Arbeitsslogan alltäglicher Werk- und Lebenstätigkeit "8 hours for work, 8 hours for sleep, 8 hours for what we will" in freier aber auf den 24-stündigen Tagesrhythmus zugeschnittenen Zeitvarianten bis zur Absurdität durchspielen ("00 hours for work, 00 hours for sleep, 24 hours for what we will"). Die Poster sind zur Mitnahme für den Betrachter konzipiert und angefertigt und betonen auf diese Weise den partizipatorischen, frei verhandelbaren Wert von Arbeit heute.

Auf den Tatbestand des Konfliktverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verweist Gushs mittig im Raum installierter "Christmas Table"": Die Weihnachtsfeier als Spannungsfeld zwischen Arbeit und Freizeit erscheint als ein Schauplatz unbestimmter Gesetzmäßigkeiten der bestehenden Normen. Gleichsam eröffnet jene disziplinäre Unbestimmtheit die Idee eines potenziellen Paradigmenwechsels. "In der Tat", erklärt Christoph Henning in seinem Beitrag "Entfremdung lebt: Zur Rettung der Künstlerkritik" (2013) für ein Jenaer Kolleg zur "Postwachstumsgesellschaft", "ist nicht zu leugnen, dass es neue Formen des Arbeitens und Managens gibt (...), die von den Arbeitenden mehr Kreativität, mehr Kooperation, mehr Servicementalität, aber auch mehr Einsatz verlangen". In Gushs Formulierung "After Work“ zeigt sich eine nach Baudrillard interpretierbare "totale Beziehbarkeit, allgemeine Austauschbarkeit, Kombinatorik und Simulation" (Jean Baudrillard, "Der symbolische Tausch und der Tod", Berlin 2011, S.17) eines heute individuell kreativ wie produktiv interpretierbaren Begriffs von „Arbeit“. An den sich gegenüberliegenden Aussenkanten des Tisches finden sich face-to-face Textbänder, welche nocheinmal dem Mehrwert von Arbeit - "after (?) work" - das Wort reden: "They wanted a longer Christmas party and it went on for an extra two hours and then the next day they all put in for two hours overtime." & "They offered us a longer Christmas party, but we had to stay two hours longer at work to have it. So, there was overtime."

After Work
Simon Gush
"Before the work stopped (1 & 2)"
2013
jeweils 3 Poster
60 x 60 cm