INNERE SICHERHEIT / THE STATE I AM IN #4
Photoszene-Festival Köln
Geissler & Sann » Stephen Gill » Allan Gretzki » Francesco Jodice » Daniel Josefsohn » Astrid Proll » Petra Stavast » Jan Dirk van der Burg » Luisa Whitton »
Exhibition: 18 Sep – 30 Oct 2016
Sat 17 Sep 19:00
Kunsträume der Michael Horbach Stiftung
Wormser Str. 23
50677 Köln
Wed + Fri 15:30-18:30, Sun 11-14 +
Kunsträume der Michael Horbach Stiftung
Wormser Str. 23
50677 Köln
+49 (0)221-29993378
kontakt@michael-horbach-stiftung.de
www.michael-horbach-stiftung.de
Wed+Fri 15:30 - 18:30, Sun 11-14
"Innere Sicherheit / The State I Am In"
Ausstellung: 18. September bis 30. Oktober 2016
Eröffnung: Samstag, 17. September, 19 Uhr
Eröffnung am Ebertplatz: Freitag, 16. September, 19 Uhr
Im Rahmen des Photoszene-Festival Köln
Im Zentrum des diesjährigen Photoszene Köln steht die von Katja Stuke und Oliver Sieber kuratierte Ausstellung, die an den beiden Festivalzentren – am Ebertplatz (GOLD+BETON, Bruch& Dallas, LABOR, Tiefgarage) und in den Kunsträumen der Michael Horbach Stiftung – sowie in der Kirche St. Gertrud stattfindet. Die fotografischen Positionen bewegen sich im Spannungsfeld zum einen zwischen den Fragen der eigenen inneren Sicherheit, den Fragen nach Identität und Individualität und andererseits den gesellschaftlichen, politischen Fragen der "inneren Sicherheit".
Beate Geissler und Oliver Sann, Jan Dirk van der Burg, Luisa Whitton, Petra Stavast, Francesco Jodice, Daniel Josefsohn, Allan Gretzki, Stephen Gill, Astrid Proll
In den Kunsträumen der Michael Horbach Stiftung finden sich noch weitere Motive der Serie „volatile smile“ von Beate Geissler und Oliver Sann, die so die Verbindung zu den Räumen am Ebertplatz herstellen.
Zensur spielt auch bei der Arbeit des Holländers Jan Dirk van der Burg eine Rolle. Für die Serie „Censorship Daily“ arbeitet er mit zensierten Zeitungen aus dem Iran. Den Zensoren geht es dabei vor allem um die dargestellten Fotografien in den ausländischen Zeitungen, die für Mitarbeiter der ausländischen Konsulate nach Teheran gesendet wurden – nur einige explizite Details werden mit geometrischen Formen beklebt, selten werden ganze Bilder unkenntlich gemacht, Texte sind in der Regel unberührt. Es entsteht so eine besondere, eigenwillige Ästhetik durch die Eingriffe der Zensur.
Die Engländerin Luisa Whitton hat für ihre Serie „What about the Heart?“ den japanischen Wissenschaftler Hiroshi Ishiguro in seinem Labor in Osaka besucht. Er baut dort lebensechte Roboter, einen nach seinem eigenen Vorbild. Luisa stellt eher emotionale Fragen an diese Entwicklung und auch Hiroshi Ishiguros Antworten sind nicht immer wissenschaftlich analytisch. Wie verändern die Menschen sich, ihre Selbst-Versicherung bei der Konfrontation mit Robotern – werden sie im täglichen Umgang irgendwann für ganz normal erachtet werden? Und wie verändert sich die Gesellschaft durch die immer sichtbarere Präsenz von Maschinen, Technik und Robotern.
Die holländische Fotografin Petra Stavast war eine Zeitlang Mieterin einer älteren, eher unscheinbaren Frau, die einige Zeit der Gesellschaft, in der sie lebte, den Rücken gekehrt und in der Bhagwan-Sekte gelebt hat. In ihrer Serie „Ramya“ versucht sie diese zwei Identitäten der Frau miteinander in Einklang zu bringen, stellt eigenen Porträts und Fotografien gefundenem Material gegenüber – versucht die Vergangenheit emphatisch nachzuvollziehen. Warum wollte Ramya die gewohnte Gesellschaft hinter sich lassen, was hat sie gefunden in der neuen Gemeinschaft um den Sektenführer Osho?
Auch die Protagonisten im Video des italienischen Fotografen Francesco Jodice sind aus der Gesellschaft ausgestiegen. Dabei ist es aber eher eine krankheitsbedingte Flucht der Jugendlichen in Japan, die ihre privaten Zimmer nicht mehr verlassen können. „Hikikomiri“ werden von ihren Eltern oft noch bestärkt, da diese eine Verhaltensänderung nicht einfordern, um die „Schande” zu verheimlichen. Die Jugendlichen kommunizieren zwar über die digitalen Medien, in sozialen Netzwerken, haben aber eine immanente Furcht, ihre sichere, vertraute Umgebung zu verlassen.
Der Berliner Fotograf Daniel Josefsohn hat für die Leser des ZEIT-Magazins in seiner Kolumne „Am Leben“ sein Leben nach einem Schlaganfall dargestellt und auch über sehr Persönliches berichtet. Die Entscheidung, wie offen wir mit unserem Privatleben in der Öffentlichkeit umgehen, muss immer wieder neu getroffen werden. Was wird in Blogs, vor Life-Webcams, in sozialen Netzwerken geteilt, und was verändert sich dadurch wohlmöglich in der Gesellschaft und in dem Umgang miteinander.
Der Kölner Allan Gretzki hat für die Serie „Am Güterbahnhof“ nach der Loveparade Katastrophe in Duisburg 2010 persönliche Gegenstände wie Brillen, Taschen, Schmuck, Schuhe, Kleidungsstücke oder Taschen aufgesammelt und sachlich dokumentiert. Die Bilder im Kopf dieses Ereignisses laden sie dann aber emotional stark auf. Versammlungen wie die Loveparade, aber auch Demonstrationen sollten keine Orte der Unsicherheit sein – Menschenmengen sollten nicht angsteinflößend sein, sondern eher ein Gefühl von Zusammengehörigkeit vermitteln.
Mit anderen Fundstücken beschäftigt sich der Engländer Stephen Gill. Für seine Serie „Off Ground“ hat er nach den Protesten und Ausschreitungen 2011 in seiner Nachbarschaft in Hackney/London Steine aufgesammelt, die möglicherweise noch kurz vorher von Demonstranten geworfen worden waren. In seinem Studio hat er sie vor grauem Hintergrund einzeln fotografiert, und so eine sachliche Bestandsaufnahme erstellt. Diese Fundstücke zeugen von Unruhen, vom Widerstand der Londoner Bürger gegen die Veränderungen in ihrer Stadt, die im Zuge der Olympischen Spiele zur Gentrifizierung ganzer Stadtteile geführt und die Tendenzen der Immobilien-Spekulationen verdeutlicht hat.
Wie schnell aus Protest und staatlicher Reaktion darauf lang andauernde Gewalt entstehen kann, ist aus den 70er Jahren, nicht nur in Deutschland in Erinnerung. Die Fotografin Astrid Proll war selber Akteurin der RAF und hat im Buch „Hans und Grete“ private Aufnahmen von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Weggefährten fotografiert – ein Gegenbild zum öffentliche Bild, dass von Polizei- und Pressefotografen geprägt war.
Zusätzlich zu den künstlerischen Positionen findet sich in diesen Räumen auch eine Präsentation des virtuellen Handapparats, der von Katja Stuke und Oliver Sieber seit März 2016 mit kurzen Beiträgen, Film-, Buch- oder Musik-Tipps zum Thema befüllt wurde (www.photoszene.de). Alle Beiträge wurden noch einmal ausgedruckt, archiviert und werden hier präsentiert.