Erik Levine »
As a Matter of Fact
Exhibition: 18 May – 24 Sep 2017
Thu 18 May 19:00
Ludwig Forum für Internationale Kunst
Jülicher Str. 97-109
52070 Aachen
Tue/Wed/Fri 12-18, Thu 12-20, Sat/Sun 11-18
Ludwig Forum für Internationale Kunst
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52070 Aachen
0241-1807104
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Tue/Wed/Fri 12-18, Thu 12-20, Sat/Sun 11-18
Erik Levine
"As a Matter of Fact"
Ausstellung: 19. Mai bis 24. September 2017
Eröffnung: Donnerstag, 18. Mai, 19 Uhr
Künstlergespräch: Samstag, 20. Mai, 15 Uhr
Erik Levine im Gespräch mit Andreas Beitin, Leonhard Emmerling und Tasja Langenbach über seine Videos und ihre Herstellungsprozesse (in engl. Sprache).
Erik Levine, 1960 in Los Angeles geboren, arbeitet nach einer erfolgreichen Karriere als Bildhauer seit dem Jahr 2000 ausschließlich mit dem Medium Video. Zentrales Thema ist neben Tod und Vergänglichkeit vor allem das der Männlichkeit. Das Ludwig Forum Aachen
zeigt erstmals in Europa eine Auswahl der Videoarbeiten in einer Solo-Schau.
Initial und programmatisch für Levines filmisches Arbeiten ist wohl More Man, seine erste Videoarbeit von 2005. Sie zeigt Männer beim American Football-Training, entweder auf dem Platz in der Rolle von Coach und Spieler oder als intervenierende Väter am Spielfeldrand. American Football ist kein Sport für Weicheier, und die Trainer, die ihre Jungs zusammenbrüllen, lassen daran keinen Zweifel. Die entleerten Blicke der jungen Spieler, die die Tiraden ihrer Coaches stoisch über sich ergehen lassen, scheinen auf einen Abgrund des Schreckens gerichtet zu sein – den Abgrund ihres Scheiterns. Gesten der Selbstunterwerfung, der Selbstzerstörung kontrastieren solche der Selbstermannung, der Selbstaufstachelung. Es geht um Vernichtung und Triumph. An welchem dieser beiden Pole ein Junge endet, entscheidet über sein Schicksal als Mann. Grautöne gibt es nicht, man siegt oder geht unter. Gezeigt wird eine Genealogie der Männlichkeit, Rituale der Initiation werden ausgeübt und tradiert. Sport ist hier kein Spiel, sondern eine brutale, existentielle Angelegenheit: Überlebenskampf.
Dabei zeigt Levine das Geschehen aus der Perspektive einer registrierenden Neutralität. Der brutale Drill, dem die Jugendlichen, fast noch Kinder, ausgesetzt sind, ist detailliert dokumentiert, aber nicht bewertet. Der ethnologisch-neutrale Blick des Künstlers lässt das Geschehen wie archaisch anmutende Rituale des 21. Jahrhunderts erscheinen. Er befasst sich mit seinen Gegenständen und Protagonisten auf urteilsfreie Art und Weise, die trotz aller Distanz durch Empathie charakterisiert ist. Für den Betrachter hat diese Sichtweise etwas Verstörendes, Beunruhigendes, da das Verlangen nach einer eindeutigen Haltung zum Gezeigten enttäuscht wird.
So auch im Video cocker von 2010. Gezeigt werden Männer bei ihren Vorbereitungen auf einen Hahnenkampf. Das Tier wird gestutzt, gespornt und bandagiert. Es muss hungern, wird zur Aggressivität dressiert. Gleichzeitig tut sich eine Intimität zwischen
den Männern und ihren Tieren auf, zärtlich streicheln sie ihre Hähne, pflegen und frisieren sie. Es geht um Leben und Tod, um Ehre und Ruhm, um Sieg und Niederlage, um alles oder nichts – ist eine Welt der Männer mit den Tieren als ihre Stellvertreter. Unterliegt der Hahn, ist auch sein Besitzer gescheitert. Der Blutrausch beim Hahnenkampf steht bei Levine für die rituelle Konstruktion von Männlichkeit, die Melancholie und Schmerz hervorruft. Das Verlangen nach einem wertenden Urteil über die offensichtliche Tierquälerei und die brutalen Trainer erfüllt Levine nicht, er macht sich nicht zum Komplizen des Betrachters. Erik Levines Arbeiten – zwischen Mitleidlosigkeit und unbestechlicher Empathie, zwischen scheinbar kühler, neutraler Bestandsaufnahme und emotionaler Aufladung – verweigern die Möglichkeit, den Tod als Pathos – als zu Erleidendes – zu begreifen. In einer säkularen Welt, die sich den Trost des Jenseits versagt, ist der Tod mitleidlos, und in der Mitleidlosigkeit, mit der sich Levine es versagt, Urteile zu fällen, die Trost spenden könnten oder Zuflucht gewährten im scheinbar kulturfernen Bereich des Natürlichen, liegt das Unspektakulär-Skandalöse seines Werks.
Levine schaut auf das filmische Material mit dem räumlichen Blick des Bildhauers. Er teilt den Monitor in zwei Hälften, lenkt den Blick nach oben und unten, links und rechts, kombiniert Ausschnitte mit Schnittsequenzen, so dass die Bilder eine physische Präsenz haben und sich in der Projektionsfläche bewegen. Die Videos sind Ergebnisse eines sorgfältigen Komponierens und hochartifizielle Montagen, deren Wirkung durch den präzisen Einsatz von Sound noch verstärkt wird. Formal sind seine Arbeiten durch lange, ruhige
Einstellungen, den Verzicht auf Kamerabewegungen oder -fahrten, eine außergewöhnliche Sorgfalt der Bildausschnitte und den pointierten Einsatz von Musik gekennzeichnet. Sie gehen über das Dokumentarische hinaus und behaupten eine bemerkenswerte Sonderstellung. Neben der thematischen Fokussierung weist gerade Levines außerordentliche Aufmerksamkeit, die er Bildaufbau und Schnitt widmet, in der zeitgenössischen Video-Kunst einen singulären Platz zu.
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation, ca. 120 Seiten, (dt./engl.; hg. von Andreas Beitin und Leonhard Emmerling) im Verlag für moderne Kunst, Wien mit Texten von Andreas Beitin, Leonhard Emmerling, Leila Farsakh, Berta Sichel und einem Interview, geführt von Hugh Davies mit dem Künstler.