Nomi Baumgartl »
Summertime
Exhibition: 11 Jul – 22 Sep 2017
Johanna Breede PHOTOKUNST
Fasanenstr. 69
10719 Berlin
+49 (0)30-88913590
photokunst@breede.de
www.johanna-breede.com
Tue-Fri 11-17, Sat 11-14
Nomi Baumgartl
"Summertime"
Exhibition: 11 July – 22 September, 2017
The world is full of paradoxes: speech without words, knowledge that no longer needs thoughts. It seems contradictions are what really drive us in life; the journey without routes and routine. Already in the sixth century the Chinese Zen master Kanchi Sosan taught that even if our words were exact and our thoughts correct, they would never correspond to the truth, since truth defies any logic and all expectations, leading through alleged deviations and contradictions.
Nomi Baumgartl has experienced such paradoxes. Born 1950, in Donauries, the photographer established herself as a sought-after photojournalist in the 1980s and 1990s. Her reportages were in demand; her portraits of super models such as Kate Moss and Tatjana Patitz were published in notable magazines. Everything went smoothly in her exceptional career until a turning point occurred midway in the photographer’s life: after a major car accident, followed by several years of rehabilitation, she not only had to learn to see again, her long-term memory also remained veiled in darkness. Years would pass until she was able to set out on a new beginning after this apparent endpoint; until - as the poetess Hilde Domin once said – she would dare to place her foot in the air again to determine if it would respond by carrying her.
With her injured eyes she had to learn how to photograph anew, as Nomi Baumgartl recounts today. Her eyes henceforth registered the depth of things rather than only resting on surfaces. One can repeatedly discover Nomi Baumgartl’s vision in her 36 individual photographs, shown by Johanna Breede, in her gallery rooms from July 11 until September 22, 2017: it is a vision, filled with great empathy and a deep understanding of the correlations of our existence. Baumgartl now visits nature more frequently; she photographs in the waters of the oceans, in the thick of the jungle or the eternal ice of the polar circles. In early 2000, she brought back stunning photographs of the Bahamas. She managed to create unique underwater images of dolphins and people for the organization „Dolphin Aid“ – images rich with playful, dancelike movements and the lightness of summer. As if Baumgartl’s own fate miraculously did not render her tougher, but rather more delicate and sensitive.
From now on eyes repeatedly appear in her photographs: in 1999 Baumgartl‘s camera captured a view of an isolated pupil of a wild dolphin; four years later it looked into the giant eye of an African elephant bull. Even within her probably most personal project to date – a portrait series of her long-time friend and colleague Andreas Feininger – Baumgartl repeatedly concentrates on his eyes. In one image she looks through a broken shell at his half-open eyelids, in another she focuses on the isolated eyeglasses of the photographer who died in 1999. It is particularly the eyes, which allow us to enter creation and perceive fellow creatures. In Baumgartl‘s work eyes function as doors – like openings into areas, which one perhaps once called the soul and through which we become connected to Baumgartl’s subjects in mysterious ways. Today, Nomi Baumgartl states, "In my newly given life I am still a photographer. The major difference, however, is that I have acquired a different awareness for the greater connections within our existence". Ralf Hanselle
Nomi Baumgartl
"Summertime"
Ausstellung: 11. Juli bis 22. September 2017
Die Welt ist durchzogen von Paradoxien: Von dem Reden, das ohne Worte auskommt; von der Erkenntnis, die keine Gedanken mehr braucht. Es scheint das Widersinnige zu sein, das einen im Leben wirklich voranbringt; der Weg ohne Routen und ohne Routinen. Selbst wenn unsere Worte genau und unsere Gedanken richtig wären, lehrte schon im sechsten Jahrhundert der chinesische Zen-Meister Kanchi Sosan, sie entsprächen dennoch niemals der Wahrheit. Die nämlich entzieht sich jeglicher Logik und aller Erwartung. Sie führt über vermeintliche Abwege und durch Widersprüche hindurch.
Nomi Baumgartl hat derlei Paradoxien erlebt. In den 80er und 90er Jahren hatte sich die 1950 in Donauries geborene Photographin als gefragte Photojournalistin etablieren können. Ihre Bildreportagen waren gefragt, ihre Portraits von Supermodels wie Kate Moss und Tatjana Patitz wurden in namhaften Magazinen veröffentlicht. Alles verlief gradlinig in dieser außerordentlichen Karriere. Doch dann, mitten im Leben, der Wendepunkt: Nach einem schweren Autounfall, dem eine mehrjährige Rehabilitation folgte, musste sie nicht nur das Sehen neu lernen, auch ihr Langzeitgedächtnis blieb in Dunkelheit verborgen. Jahre sollten vergehen, bis sie hinter diesem scheinbaren Endpunkt einen neuen Anfang setzen konnte; bis sie, wie es die Dichterin Hilde Domin einmal formuliert hat, den Fuß erneut in die Luft zu setzen wagte, um festzustellen, dass diese zu tragen verstand.
Sie habe, so erzählt Nomi Baumgartl heute, mit verletzten Augen neu zu photographieren lernen müssen. Mit Augen, die fortan eher die Tiefe der Dinge erblickten, anstatt nur an den Oberflächen zu verweilen. Auf den 36 Einzelbildern, die Johanna Breede vom 11. Juli bis zum 22. September 2017 von Nomi Baumgartl in ihren Galerieräumen zeigt, kann man sie immer wieder entdecken: Blicke, getragen von großer Empathie und von tiefen Erkenntnissen über die Zusammenhänge unseres Daseins. Zunehmend etwa geht Baumgartl jetzt in die Natur; photographiert im Wasser der Meere, im Dickicht des Urwalds oder im ewigen Eis am Polarkreis. Bestechend die Photographien, die sie Anfang der 2000er Jahre von den Bahamas mitbringt: Für die Organisation „Dolphin Aid“ gelingen ihr hier einzigartige Unterwasseraufnahmen von Delphinen und Menschen – Bilder, reich an spielerischer Tänzelei und getragen von sommerlicher Leichtigkeit. Als hätte Baumgartl das eigene Schicksal letztlich nicht härter, sondern auf wundersame Weise zartfühlend und mild gemacht.
Immer wieder sind es nun Augen, die auf ihren Bildern auftauchen: 1999 etwa gewährt Baumgartls Kamera einen Blick auf die isolierte Pupille eines wilden Delphins; vier Jahre später schaut sie auf das riesige Auge eines afrikanischen Elefantenbullen. Und selbst bei ihrem bis heute vielleicht persönlichsten Projekt – einer Portrait-Serie über ihren langjährigen Freund und Kollegen Andreas Feininger – fokussiert Baumgartl immer wieder dessen Augen. Mal schaut sie durch eine zerbrochene Muschel hindurch auf halbgeöffnete Lider, mal fokussiert sie die isolierten Brillengläser des 1999 verstorbenen Photographen. Es sind eben vor allem die Augen, die uns auf solchen Bildern tiefe Zugänge zu Schöpfung und Mitgeschöpfen eröffnen. In Baumgartls Werk sind sie immer wieder wie Türen – wie Öffnungen in Bereiche, die man früher vielleicht einmal die Seele genannt hat und durch die hindurch wir auf geheimnisvolle Weise mit Baumgartls Sujets verbunden werden. "Auch in meinem wieder geschenktem Leben", sagt Nomi Baumgartl heute, "bin ich Photographin. Der große Unterschied aber besteht darin, dass ich ein anderes Bewusstsein für die großen Zusammenhänge des Daseins bekommen habe." Ralf Hanselle