NAUTILUS. Schnecken, Muscheln und andere Mollusken in der Fotografie
mit Stefanie Odenthal M.A. und Dr. Christiane Stahl
Kuratorenführung:
Thu 22 Mar 18:00
Alfred Ehrhardt Stiftung
Auguststr. 75
10117 Berlin
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Tue-Sun 11-18
Das Interesse der Menschheit an Muschelschalen und Schneckengehäusen geht bis in frühkulturelle Zeiten zurück und hat in der Kulturgeschichte viele Spuren hinterlassen, nicht zuletzt in der Bildenden Kunst. Conchylien waren für Künstler und Fotografen nicht nur aufgrund ihres faszinierenden Formenreichtums, ihrer Schönheit, ihrer skulpturalen Qualität sowie der Magie ihres mathematisch exakten Spiralwachstums ein beliebtes Motiv. Mehr als durch jedes andere künstlerische Medium wurde die Conchylie durch die Fotografie als kosmisches, religiöses, mythologisches oder sexuelles Symbol zum Bedeutungsträger einer Welt jenseits des Materialen von überzeitlicher Gültigkeit.
Mit der Erfindung der Fotografie ergab sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine neue Möglichkeit der wissenschaftlichen Dokumentation, für die gerade auch Muscheln und Schnecken als Motive dienten. Eine besondere Stellung nahm dabei die Röntgenfotografie ein, die Einblicke in die innere Struktur der Schalentiere eröffnete. In den zwanziger Jahren wurden Conchylien zum Bildthema einer nun künstlerisch autonomen Fotografie. Naturphilosophische und neusachliche Aspekte spielten dabei ebenso eine Rolle wie die vermeintliche Vorbildfunktion dieser "Bauformen der Natur" für Architektur und Design. Am Beginn steht ein 1923 erschienenes, damals viel beachtetes Themenheft der holländischen Avantgarde-Zeitschrift Wendingen (1923) mit Muschel- und Schneckenfotografien von Bernard Eilers und J. B. Polak. In den USA schuf Edward Weston mit seinen Muschelaufnahmen wenig später Ikonen der Fotomoderne, die 1929 auch auf der einflussreichen Ausstellung Film und Foto in Stuttgart zu sehen waren. Seine Aufnahme Nautilus Shell (1927) zählt heute zu den teuersten Fotos überhaupt. Unter den amerikanischen Fotografen haben sich u.a. auch Edward Steichen und Imogen Cunningham kreativ mit Muscheln und Schnecken beschäftigt.
Im deutschsprachigen Raum sind verschiedene Vertreter der sachlichen Fotografie durch Aufnahmen von Muscheln und Schnecken hervorgetreten − von Fred Koch über Aenne
Mosbacher, Fritz Kühn bis Gerhard Kerff. Eine Besonderheit bilden dabei die erst kürzlich wiederentdeckten Röntgenfotos des Hamburger Architekten und Fotografen Fritz Block. Einen Höhepunkt schließlich stellen die Aufnahmen dar, die Alfred Ehrhardt für
sein Buch Muscheln und Schnecken (1941) angefertigt hat. Eine gänzlich andere Sicht auf
diese Naturobjekte vermitteln hingegen Beispiele in surrealistischem Kontext mit Aufnahmen von Herbert Bayer, Man Ray oder Herbert List. Die Ausstellung schließt mit einem Ausblick auf fotografische Positionen, die sich nach 1945 auf unterschiedliche Weise mit dem Bildthema "Muscheln und Schnecken" auseinandergesetzt haben – von Josef Sudek über Andreas Feininger zu Wols oder Otto Steinert. Zusätzlich wird Alfred Ehrhardts preisgekrönter Film Tanz der Muscheln (1956) gezeigt.