SHOW YOUR DARLING III
DAS BETT: Anzeichen eines phänomenologischen Moments
André Baschlakow » Ophelia Beckmann » Nora Bibel » Angela Bröhan » Eva Bruhns » Nils Clauss » Mario Dollinger » Renate Erbas » Fred Hüning » Matthias Hagemann » Silke Helmerdig » Ruth Hommelsheim » André Kirchner » georgia Krawiec » Manfred Kriegelstein » Benjamin Ochse » Stefanos Pavlakis » Eric Pawlitzky » Bartolomé Payeras-Salom » Marc Peschke » Stephan Reisner » Joachim Rissmann » Jens Schünemann » Jörg Schmiedekind » Alexandra Schraepler » Torsten Schumann » Karen Stuke » Martina Teepe » Sabine Würich » Susanne Wehr » Sabine Wild » Nicole Woischwill »
Exhibition: 4 Mar – 14 Apr 2018
Sat 3 Mar 19:00
Atelier Sabine Wild
Eschenstr. 4
12161 Berlin
Sat/Sun 15-18
KUNSTWILD
Eschenstr. 4
12161 Berlin
+49 (0)1577-1900472
wild@kunstwild.de
www.kunstwild.de
Fri 19-21, Sat+Sun 15-18 + b.a.
SHOW YOUR DARLING III
DAS BETT: Anzeichen eines phänomenologischen Moments
32 fotografische Positionen
Ausstellung: 4. März bis 14. April 2018
Vernissage: Samstag, 3. März, 19 Uhr
Finissage: Samstag, 14. April, 18 Uhr
Weitere Programmpunkte zur Ausstellung: www.showyourdarling.de
Wer kein Bett besitzt, findet keine Ruhe. Wenn sich die Nacht nähert, drängt sich die Frage des Nachtlagers auf. Phänomenologisch betrachtet ist das Bett das Gegenstück zur Straße, ein zurückgezogener, nicht öffentlicher Ort, an dem ein seltsamer Zustand namens Schlaf neue veritable Kräfte erzeugt. Eine Straße kann kein Bett sein, aber in Straßen findet man vielfach Betten.
Im Bett vereinen sich Leben und Tod zur kurzen Mesalliance von Traum und Bewusstlosigkeit. So gesehen, ist das Bett eine luxuriöse Vorstufe des Grabes. Es verbindet den Menschen innig mit dem Schlaf. Auf der Horizontlinie des Traumhaften, Traumatischen, Vergangenen wird gestorben, gebärt und gezeugt. Das Beet des Existentiellen bleibt indes ein schmaler Streifen seiner gesamten Phänomenologie: Die Typologie reicht von der Party-Badewanne bis zum Himmelbett, vom Pferdesattel in der Prärie bis zur märchenhaften Prinzessin auf der Erbse. Während die einen spartanisch liegen, bevorzugen andere Tiefe und Weichheit. Dem Schlaf ist das Bett heilig, dem Traum nicht. Er nutzt jegliche Irritation zu surrealistischen Zwecken und wickelt den Schlafenden in somnambule Zuckerwatte.
Manch einer protzt mit seiner Traumwiese, andere verbergen ihr Refugium. Die Schlafzimmertür bleibt dezent verschlossen, wenn Besuch kommt. Da im Bett das Private, Intime und Zurückgezogene ausgelebt wird, schweben stets frische oder verbrauchte Geister um es herum. Zur Nacht wird ein Bett geöffnet, am Tage wieder geschlossen. Dennoch ist das Bett tagaktiv; aus dem "im" Bett wird ein "auf dem" Bett. Immer wenn es benutzt wird, kann das Bett anschließend als Tatort inspiziert werden. Es zeigt stumme Abdrücke und erkaltete Rauchzeichen. Darin ähnelt es der Fotografie, die ein Bett des Lichtes ist. Der Betrachter wird zum Detektiv, der die amorphen Spuren der voraufgegangenen Prozession zur Erzählung bündelt.
Über die Jahre legt eine Bettstätte ein Palimpsest der Träume an und bietet eine extreme Langzeitbelichtung der Ruhelosigkeit. Die sorgfältig über das Bett gezogene Tagesdecke ist eine Art Leichentuch des Lebens. Wenn sich das Bettgestell durchbiegt, weil es alt geworden ist, bildet die Dauer eine Kurve. Das Bett trägt die physische Last von Lust und Leiden über dem Abgrund der Jahre. Träume, Krankheiten, rauschhafte Nächte sind in seine Fasern und Federn eingerieben. Jeden Tag stellt sich die gleiche Frage, ob man gut geschlafen habe. Ein Bett ist wie die unendliche Folge kurzer Hängebrücken zwischen den Tagesinseln. Es verbindet sie Woche für Woche, Jahr für Jahr. Ohne das Bett wäre eine Reise zur Kehrseite der Zeit undenkbar.
Man gibt Betten eine individuelle Gestalt, damit sich das Alltägliche mit dem Besonderen verbindet. Ein Bett wird im Schlafzimmer gebettet. Es flirtet mit dem Gast, dem Betrachter, dem zukünftigen Geliebten. Fotografien insbesondere von Schlafzimmern sind Wunderkammern der Ägyptologie. Dekor, Tapeten, Bilder, Nachttische, Lampen, Kreuze bilden Grabbeilagen. An Schlafräumen wird die eigenwillige Einsamkeit der stummen Beredsamkeit der Dinge ablesbar. Des Tages wird der Stein der blauen Nacht zur Seite gerollt. Die Toten und die Gespenster schieben ihr Nachthemd unter die Daunen. Zur Nacht kehren sie zurück und tanzen erneut durchs Bett. Text: Stephan Reisner
Zur Ausstellung ist ein Katalog erhältlich.