Die Zahl als Chiffre in der Kunst / Deciphering Numbers in Art
RAY 2018 Triennale
John Baldessari » Peter Bialobrzeski » Gwenneth Boelens » Jan Dibbets » Jan Paul Evers » Tamara Grcic » Andreas Gursky » Astrid Klein » Imi Knoebel » Robert Longo » Mario Merz » Olaf Metzel » Martin Parr » Timm Rautert » Miguel Rothschild » Thomas Ruff » Adrian Sauer » Timm Ulrichs » Igancio Uriarte » Anna Vogel »
Exhibition: 24 May – 20 Oct 2018
ART FOYER DZ BANK
Platz der Republik
60265 Frankfurt (Main)
Tue-Sat 11-19, Thu 11-20
Kunststiftung DZ BANK
Platz der Republik
60325 Frankfurt (Main)
+49 (0)69-7680588 00
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kunststiftungdzbank.de
Tue-Sat 11-19
"DIE ZAHL ALS CHIFFRE IN DER KUNST"
Ausstellung: 24. Mai bis 20. Oktober 2018
Die Ausstellung ist ein Partnerprojekt der Fotografie-Triennale RAY 2018.
Schon 1993 begann die DZ BANK eine eigene Kunstsammlung aufzubauen, die sich auf zeitgenössische Fotokunst konzentriert. In einem Vierteljahrhundert entstand so eine renommierte Sammlung mit mehr als 7500 Werken von rund 800 Künstlern. In diesem Jahr ihres 25-jährigen Bestehens widmet sich die DZ BANK Kunstsammlung in ihrer Jubiläumsausstellung "DIE ZAHL ALS
CHIFFRE IN DER KUNST" einem Thema, das Kunst und Bankwesen in ihrer inneren Verflochtenheit sichtbar macht: den Zahlen und Ziffern, den Formeln und Gleichungen sowie der symbolischen Kraft der Chiffren.
Die Ausstellung im ART FOYER präsentiert rund 50 Arbeiten von zwanzig internationalen Künstlern präsentiert, die sich mit Zahlenreihen, Messungen, Geometrie, aber auch philosophischen Facetten der Mathematik auseinandersetzen.
"Die Zahl ist das Wesen aller Dinge" stellte schon der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras fest. Zahlen sind omnipräsent: als Maßeinheit, im Handel, in der Forschung, Wirtschaft, Medizin, Technik, Architektur. Was sich in Zahlenwerte übersetzen lässt, suggeriert Messbarkeit, Erfolgskontrolle, Prognostizierbarkeit. Doch erst der Mensch gibt mit seiner Interpretation diesen Zahlen Sinn.
Die Zahl ist ein Phänomen, das sich durch alle Bereiche des Lebens zieht und auch in der Kunst seit jeher auf unterschiedlichste Weise thematisiert wird. Die Ausstellung beschäftigt sich mit fünf übergeordneten Bereichen: der Fibonacci-Reihe und dem Goldenen Schnitt, der Vermessung der Welt, der Zahlenmystik und der Spiritualität, dem Handel sowie der Digitalität, die in der Fotokunst einen Paradigmenwechsel herbeigeführt hat.
Die Suche nach einem ordnenden Prinzip in der Natur hat Mathematiker und Künstler von jeher umgetrieben. So verarbeitet Mario Merz (* 1925 in Mailand; † 2003 in Turin) die Fibonacci-Reihe in seinen Werkkomplexen seit 1970 immer wieder als elementare Grundidee. In seiner fotokünstlerischen Installation "Isola della frutta" sind in Spiralform angeordnete Früchte mit Zahlen der Fibonacci-Reihe durchsetzt. Die ersten zehn Zahlen der unendlichen Zahlenfolge durchwandern auch an einer blau leuchtenden Kette aus Neonröhren seine Installation und bilden damit nicht nur einen ideellen, sondern auch einen physischen Bestandteil der "isola".
Auch in den Stadträumen von Peter Bialobrzeski (* 1961 in Wolfsburg), in denen Ruinöses neben Unfertigem, Hochhäuser neben Baracken stehen, finden sich Anklänge an die "Göttliche Proportion", die sich beim Betrachter als Ordnungsprinzip für den visuellen Zusammenhalt der Bilder einstellt. Später sprach man vom Goldenen Schnitt, einem besonders seit der Renaissance bekannten Bildaufbau, welcher der Fibonacci-Reihe folgt.
Timm Ulrichs (* 1940 in Berlin) bemalt die Häuser von Weinbergschnecken mit königsblauer Farbe, setzt sie gleichzeitig aus und lässt sie nach der Form eines blauen Quadrats streben.
Der spanische Künstler Ignacio Uriarte (* 1972 in Krefeld) verweist auf die Kulturgeschichte des Vermessens, indem er mit Anordnungen unterschiedlicher Linealtypen experimentiert und sie in seiner Serie "Four Geometry Sets" zu stellar anmutenden Mustern zusammenstellt.
Imi Knoebel (* 1940 in Dessau) hat Aufnahmen aus astronomischen Publikationen abfotografiert und zu einem Tableau angeordnet. Ein Loch, das er mit einer Nadel in das Firmament sticht, steht für einen neuen Stern: seine damals neugeborene Tochter Olga Lina, die für lange Zeit den Mittelpunkt der elterlichen Welt bilden wird.
Adrian Sauer (* 1976 in Berlin) variiert in seinem Tableau "Dark Star, Light Shadow, Third Point of View" geometrische Formen, die er aus der weitergeführten Grundform eines Dodekaeders entwickelt hat.
Geometrische Irritationen durch collagenartigen Transfer verschiedener Architekturdetails zeichnen die Formensprache der Werke von Jan Dibbets (* 1941 in Weert, Niederlande) aus, die sich mit europäischer Architektur und Zentralperspektive beschäftigen.
In den Bildern der Rosenfenster französischer und spanischer Kathedralen des Wahlberliners Miguel Rothschild (* 1963 in Buenos Aires) sind scheinbar mosaikartige Szenen zu erkennen. Doch tatsächlich haben sich die Muster beim Perforieren des farbigen Tintenstrahldrucks ergeben, und das beim Lochungsprozess entstandene Konfetti lagert am unteren Bildrand.
Das Triptychon der dunklen Kathedralenbilder von Robert Longo (* 1953 in Brooklyn, USA) lässt an die die Zahl 3 denken, die in der mittelalterlichen Symbolsprache dem Vater, Sohn und heiligen Geist zugeschrieben wird. Auch Longos Vorgehen beruht auf einem Dreischnitt: Eine vorhandene Fotografie bildet die Vorlage, die er mit Kohle abzeichnet, um die so entstandenen Bilder erneut zu fotografieren. Die Expressivität der scheinbar ins Wanken geratenen Formen wird durch die Dreigliederung des Triptychons in einer Balance gehalten.
Auf fotografische Bildvorlagen greift auch Jan Paul Evers (* 1982 in Köln) zurück, um sie, in Lichtführung und Ausschnitt verändert, erneut zu fotografieren und exakt nur einen Silbergelatineabzug herzustellen. Diesen Auswahlprozess kann man in einem spirituellen Sinn als eine Art Auserwählung im Reich der Dunkelkammer verstehen.
Die dreiteilige Fotocollage "Life’s Balance (with Money)" von John Baldessari (* 1931 in National City, Kalifornien) zeigt ausgelassen Feiernde, einen Akrobaten, einen Jongleur. Hervorgehoben sind ein rot und ein gelb kolorierter Ring, die den Bildaufbau zu stabilisieren scheinen. Doch die grünen Dollarnoten beherrschen die Komposition.
Die Bilder von Andreas Gursky (* 1955 in Leipzig) sind aus vielen verschiedenen Aufnahmen und Ansichten digital so montiert, dass sich eine Art Konzentrat ergibt und sich in dem Gewusel der Menschen an der Börse von Singapur eine fast choreografische Ordnung zeigt.
Das Interesse von Timm Rautert (* 1941 in Tuchel/Westpreußen) gilt der Welt des Kunsthandels, hier den Erlösen einer Auktion für Gegenwartskunst bei Christie's in New York. Um zu zeigen, dass nur das monetäre Äquivalent eines Kunstwerks zählt, versieht er Abbildungen aus dem Auktionskatalog mit einem selbst angefertigten roten Stempel und dem erzielten Preis.
Tamara Grcic (* 1964 in München) hat mit ihrer Serie „Die Bank“ – einem Mitarbeiterprojekt von 1999 – gleichsam das Innenleben des Geldhandels in Augenschein genommen: Details wie Tastaturen, Schneidemaschinen oder Telefonhörer, aber auch den temporären, persönlichen Krimskrams an den Arbeitsplätzen, der ein Stück Individualität in der Arbeitswelt behauptet.
Martin Parr (* 1952 in Epsom, Großbritannien) fotografiert Menschen ungeschönt bei ihrem Konsum- und Freizeitverhalten. Gleich zwei Tüten mit Softeis hält die Hand auf dem Foto "Melting Ice Cream Cones", den dazugehörigen Arm ziert ein Band mit einem Strichcode. Stehen die beiden Eistüten für die Ziffer 2, die fünf Finger der Hand für die 5, so kann, nebeneinander betrachtet, die 25 für das 25-jährige Jubiläum der DZ BANK Kunstsammlung ausgelegt werden.
Gewebe in unterschiedlicher Farbgestaltung sind bei Gwenneth Boelens (* 1980 in Soest, Niederlande) zu sehen – und die erste Assoziation, die sich zur Welt der Digitalisierung einstellt, ist der Jacquard-Webstuhl. Sein Erfinder "programmierte" Anfang des 19. Jahrhunderts einen mechanischen Webstuhl mit Lochkarten, um komplizierte Muster in vielfältigen Farbschattierungen zu erstellen. Auch Boelens’ Fotogramme von Geweben haben thematisch Informationsübermittlung zum Gegenstand, kodifizierte Botschaften jenseits der Schrift.
Rationalisierung, quantitative Erfassung, Datenschutzprobleme – das waren bereits 1983, als Astrid Klein (* 1951 in Köln) die Arbeit "Gedankenchips" schuf, Themen, welche die Gesellschaft umtrieben. Es war das Jahr der ersten geplanten Volkszählung, die Angst und Proteste hervorrief. Die Silhouette einer weißen Figur durchquert in großer Eile das Bildfeld, verfolgt von einer Zahlenkette.
Auch die Arbeiten von Olaf Metzel (* 1952 in Berlin), deren Titel "Der Fälscher ist der Held der elektronischen Kultur" auf ein Zitat von Glenn Gould zurückgeht, greifen die kollektive Ängste vor elektronischer Überwachung auf. Expressiv kolorierte und durch Ritzungen verletzte Fotografien zeigen demolierte Schaltschränke, zerborstene Festplatten, flackernde Röhrenbildschirme, die in den Kontext seiner Installation von 1988 gehören.
Thomas Ruff (* 1958 in Zell am Harmersbach) beschäftigt sich mit stellaren und planetaren Bildwelten. In seinem Werkkomplex "ma.r.s." bearbeitet er Schwarz-Weiß-Aufnahmen vom Planeten Mars, die auf der Webseite der NASA öffentlich zugänglich sind, digital und überführt sie in eine gestauchte Schrägsicht: mittels einer 3D-Brille erscheinen runde Krater häufig als Ellipsen. Zudem rufen übereinandergelegte stereoskopische Aufnahmen einen frappierenden räumlichen Eindruck hervor.