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Venedig, Florenz, Neapel 1877
Carlo Naya: Venedig, um 1870

Venedig, Florenz, Neapel 1877

Eine Reise nach Italien

Giacomo Brogi » Giorgio Conrad » Fratelli Alinari » Carlo Naya » Giorgio Sommer »

Exhibition: 8 Dec 2018 – 14 Apr 2019

Fri 7 Dec 19:00

Kunstsammlung im Stadtmuseum Jena

Markt 7
07743 Jena

+49 (0)3641-498260


www.kunstsammlung-jena.de

Di, Mi, Fr 10-17, Do 14-22, Sa/So 11-18

Venedig, Florenz, Neapel 1877
Giacomo Brogi: Neapel, Vicolo del Pallonetto in Santa Lucia, um 1880

"Venedig, Florenz, Neapel 1877
Eine Reise nach Italien"


Ausstellung: 8. Dezember 2018 bis 14. April 2019
Vernissage: Freitag, 7. Dezember, 19 Uhr

Die Geschichte der Fotografie hat viele Anfänge. Einer von ihnen liegt in Italien – genauer am Comer See. Dort begann nicht nur eine der klassischen Routen der Grand Tour sondern auch die Fotografie auf Papier.

"An einem der ersten Oktobertage des Jahres 1833", berichtet William Henry Fox Talbot, "beschäftigte ich mich an den lieblichen Ufern des Comer Sees damit, Skizzen anzufertigen, oder, wie ich besser sagen sollte: Ich versuchte sie anzufertigen, leider nur mit dem geringstmöglichen Ergebnis. Danach dachte ich daran, es erneut mit einer Methode zu versuchen, die ich mehrere Jahre zuvor probiert hatte. Diese Methode bestand darin, eine Camera obscura zu nehmen und das Abbild der Gegenstände auf ein Stück durchsichtiges Papier zu projizieren, das auf eine Glasscheibe im Brennpunkt des Instruments gelegt wird. Auf diesem Papier sind die Gegenstände deutlich zu sehen und können mit einem Zeichenstift einigermaßen genau, wenngleich nicht ohne Zeitaufwand und Mühe, auf das Papier durchgepaust werden. Ich hatte diese einfache Methode bei früheren Besuchen in Italien in den Jahren 1823 und 1824 ausprobiert. Das brachte mich dazu, über die unnachahmliche Schönheit jener von der Natur gemalten Bilder nachzudenken, welche die gläserne Linse der Camera obscura in ihrem Brennpunkt auf das Papier projiziert – märchenhafte Bilder; Schöpfungen eines Augenblicks, und dazu bestimmt, ebenso schnell dahinzuschwinden. Während dieser Überlegungen kam mir die Idee, wie reizvoll es sein müßte, könnte man diese über-natürlichen Bilder veranlassen, sich selbst dauerhaft abzudrucken und immerwährend auf dem Papier zu verweilen! Und warum sollte das nicht möglich sein? Fragte ich mich."

Wie wir wissen, wurde es tatsächlich möglich – nicht zuletzt dank Talbots Erfindung. Italien wird in dieser Erinnerung gleich mehrfach erwähnt, und immer geht es darum, aus Eindrücken dauerhafte Bilder zu machen. War man unterwegs, so war die Mobilität das eine, die imaginäre Dauer das andere. Zurück in der Heimat sollte neben den flüchtigen Erinnerungen auch etwas Dauerhaftes im Reisegepäck sein: Bilder. Italien war schon für Talbot und später auch für viele hunderttausende Reisende aus aller Welt eine touristische Destination und das beliebteste Reiseland des 19. Jahrhunderts überhaupt. Es ist das Land, in dem Zitronen blühen, die Antike in die abendländische Geschichte hineinragt und die Renaissance unübersehbar die Gegenwart prägt. Reisende brachten nicht selten aufwendige Alben mit Originalfotografien mit nach Hause, die in wunderbaren Ansichten die wichtigsten Etappen ihrer "Grand Tour" versammelten.

Venedig, Florenz, Neapel 1877
Giorgio Conrad: Gemüseverkäuferin, um 1877

Die "Grand Tour", die begüterte Reisende im 19. Jahrhundert unternahmen, war ein Bildungsparcours, der darauf zielte, aus Ansichten Einsichten zu machen und die Geschichte von der Antike bis in die Gegenwart Revue passieren zu lassen. So wie Dramen einem bestimmten Schema folgen, gilt das auch für Reisen: Auf der Bühne des kulturbeflissenen Besuchers Italiens erscheinen die wichtigsten Etappen der Kulturgeschichte in einer geordneten Folge. Am Ende einer solchen Reise blieben viele Erinnerungen und vielleicht sogar Notizen und Erwerbungen, aber höchst selten eine Fotografie, die man selber angefertigt hätte. Die Reisefotografie im Italien des 19. Jahrhunderts zeigt (und dies nicht nur dort) eine touristisch aufbereitete, systematisch erfasste und geordnete Welt. Nichts ist dort wirklich überraschend – außer die oft berückende Schönheit der Aufnahmen. Die Fotografien zeigen eine aus den Zeitläufen herausgenommene Welt, in der die Zeit längst zum Raum geworden ist. Von der Antike bis zu den Monumenten der zeitgenössischen Baukunst kann man sich auf gebahnten Wegen blätternd und betrachtend fortbewegen und sich dabei gelassen und geruhsam in den Bildern und Erinnerungen verlieren. Am Ende wird man nicht nur sich, sondern auch die Vergangenheit wiederfinden.

Die Ausstellung zeigt rund 150 Fotografien aus Italien, darunter viele der noch heute beliebten Reiseziele. Ihre Autoren sind einige der bekanntesten damals in Italien tätigen Fotografen, die hier gleichsam ihre Stadt porträtieren: Carlo Naya (Venedig), die Gebrüder Alinari (Florenz) und Giorgio Sommer (Neapel mit Umgebung). Die Bilder der Ausstellung werden kommentiert und durch Dokumente und Texte aus der Zeit um 1876/77 ergänzt. Auf diese Weise kann man mit dem Blick des Fotografen durch ein Italien des 19. Jahrhunderts reisen, der ein überzeitlich gültiges Bild zeichnete, was die noch heute andauernde Faszination Reisender an diesem Land verdeutlicht.

Die Ausstellung knüpft an die seit den Tagen Goethes in Deutschland breit verwurzelte Italien-Sehnsucht an und zeigt die Bilder berühmter Ateliers in Kombination mit Texten aus einem frühen Baedecker-Reiseführer aus dem 19. Jahrhundert. Hier kann – neben dem Genuss an den Bildern – Blickwinkeln und Ursachen dieser so tief verwurzelten Sehnsucht nachgespürt werden. Hinzu kommt, dass es sich um historische Dokumente handelt, die nicht nur Veränderungen, sondern auch die sich wandelnde Sicht auf die Zeugnisse der Geschichte beschreiben.

Venedig, Florenz, Neapel 1877
Giorgio Sommer: Mangiatori di Maccheroni, um 1870
Venedig, Florenz, Neapel 1877
Carlo Naya. Venedig – Canal Grande mit Ca’ d’Oro, um 1870/80, kolorierter Albumin-Abzug