f/12.2 Projektstipendium
Ketuta Alexi-Meskhishvili » Gwenneth Boelens » Eiko Grimberg » Tatiana Lecomte » Sara-Lena Maierhofer »
Exhibition: 2 Nov 2018 – 9 Feb 2019
Thu 1 Nov 19:00
ART FOYER DZ BANK
Platz der Republik
60265 Frankfurt (Main)
Tue-Sat 11-19, Thu 11-20
Kunststiftung DZ BANK
Platz der Republik
60325 Frankfurt (Main)
+49 (0)69-7680588 00
info@kunststiftungdzbank.de
kunststiftungdzbank.de
Tue-Sat 11-19
"f/12.2 Projektstipendium"
mit Werken von Tatiana Lecomte und Sara-Lena Maierhofer, Ketuta Alexi-Meskhishvili, Gwenneth Boelens und Eiko Grimberg
Ausstellung: 2. November 2018 bis 9. Februar 2019
Eröffnung: Donnerstag, 1. November, 19 Uhr
Die Ausstellung "f/12.2 Projektstipendium" setzt die Ausstellungsreihe fort, in der die DZ BANK Kunstsammlung Arbeiten präsentiert, die im Rahmen der beiden Projektstipendien entstanden sind, die alle zwei Jahre an internationale Künstler vergeben werden. Aktuell werden die Werke der beiden ausgelobten Stipendiatinnen Tatiana Lecomte und Sara-Lena Maierhofer im Zusammenspiel mit Arbeiten von Ketuta Alexi-Meskhishvili, Gwenneth Boelens und Eiko Grimberg gezeigt. Die präsentierten Werke werden für die DZ BANK Kunstsammlung erworben.
Für das Projektstipendium 2018 wurden rund 45 Arbeitsproben und Projektideen eingereicht, in denen sich die Künstlerinnen und Künstler im weitesten Sinne mit fotografischen Techniken und Materialien auseinandersetzen. Mit der einvernehmlichen Entscheidung für Tatiana Lecomte und Sara-Lena Maierhofer als Preisträgerinnen hat die siebenköpfige Jury zwei überzeugende Projektideen gekürt. Verbunden mit den drei künstlerischen Positionen der Shortlist präsentiert die Ausstellung ganz unterschiedliche Zugriffe auf das Medium der Fotografie und zeigt damit einen repräsentativen Querschnitt gegenwärtiger künstlerischer Praktiken auf.
Analytische Verfahren sind kennzeichnend für die künstlerische Praxis der diesjährigen Projektstipendiatin Tatiana Lecomte (* 1971, Bordeaux, Frankreich), deren herausragendes Werk im Kontext der Konzeptkunst zu sehen ist. In Auseinandersetzung mit gefundenem dokumentarischem Material deckt sie die "Fehlstellen" des Mediums der Fotografie auf. In ihrer Arbeit "Es gibt keinen Stroop-Bericht mehr" geht sie der Frage nach, wie man zu einer angemessenen Form der Sichtbarmachung des Unvorstellbaren kommen kann – ohne den Schrecken und das Leid bildlich zu reproduzieren. In ihrer Projektarbeit demontiert die Künstlerin den sogenannten "Stroop-Bericht", in dem der Generalleutnant der Waffen-SS Jürgen Stroop die Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto 1943 dokumentierte. Einer Strafarbeit gleich, der sich die Künstlerin über Monate hinweg ausgesetzt hat, bringt sie einzelne Wörter dieses Berichtes immer wieder zu Papier und lässt ihn so bis zu seiner "Auflösung" in einzelne Bestandteile zerfallen.
Eine politische Lesart gibt auch das Werk der zweiten diesjährigen Projektstipendiatin vor, der noch jungen Künstlerin Sara-Lena Maierhofer (* 1982, Freudenstadt im Schwarzwald). Ihre Arbeit "Kabinette" lässt sich als Untersuchung zu den Wanderungen künstlerischer Formen über die Zeit und Kulturgrenzen hinweg beschreiben. Die Künstlerin hat öffentliche Debatten in Deutschland verfolgt, die Maßnahmen zur Dekolonisierung verhandeln – etwa die inhaltliche Neuausrichtung völkerkundlicher Museen. Sie begegnet diesen Verhandlungen mit den Mitteln der Kunst: Als eine Art der Bestandsaufnahme fungieren zum einen ihre baukastenartigen "Foto-Skulpturen", die die Grundrisse völkerkundlicher Museen wiedergeben und mit Fotografien von Artefakten aus den jeweiligen Ausstellungshäusern belichtet sind. Zum anderen sind Fotogramme von Schubfächern und Regalen aus den Depots ethnologischer Sammlungen entstanden. Beide Werkformen bilden „Echoräume“, in denen etwas an- und nachklingt. Mit ihnen wird der unbestimmte Status von Archivierungsstätten angesprochen wie auch der Objekte, die in ihnen lagern. Die Formen der Wissensorganisation und Wissensvermittlung in Archiven und Präsentationsorten wie Museen sind noch nicht abgeschlossen.
Der Überschreitung des fotografischen Bildes in den konkreten Raum gilt das Projekt der Künstlerin Ketuta Alexi-Meskhishvili (* 1979, Tiflis, Georgien). Kennzeichnend für ihr Werk ist zum einen die vielschichtige Durchdringung der Fotografie als technisches Medium, zum anderen die kontinuierliche Ausdehnung seiner Grenzen. Das reicht von der Auffassung des Studioraumes als Camera obscura bis hin zu einer Auseinandersetzung mit den neuesten digitalen Technologien. Mit ihrer experimentellen Arbeitsweise befreit die Künstlerin das fotografische Bild aus den Zusammenhängen, in denen wir es üblicherweise wahrnehmen. Auch die Stoffe, die Alexi-Meskhishvili immer wieder als Trägermaterial dienen, auf das sie ihre Motive druckt, verrätseln die Ebenen der Bildwahrnehmung. Aber die Stoffe machen noch mehr: Sie führen die Fotografie klar in die Dreidimensionalität und schließen durch die Art ihrer Darbietung den Raum im Sinne einer installativen Plastik auf.
Auch in der Arbeit von Gwenneth Boelens (* 1980, Soest, Niederlande) gibt es eine Bewegung vom Fotografischen hin zu Skulptur und Installation. Die Materialität ihrer Arbeiten sowie ihre Bezogenheit auf den Körper sind das erste, was man wahrnimmt. Boelens neue Arbeit "Liar’s Cloth" – ein von westafrikanischen Webtechniken inspirierter Umhang – betritt zugleich den Raum des Performativen: Es heißt, das Kleidungsstück sei dem König vorbehalten gewesen, wenn dieser Hof hielt, "um zweifelhafte Wahrheiten zu widerlegen". Man kann diese Arbeit als Aufforderung verstehen, sich angesichts des sogenannten post-faktischen Zeitalters zu aktuellen Fragen zu positionieren. Wie lässt sich das sich ständig verwandelnde Gewebe des Umhangs bei Boelens "begreifen", wie können wir uns zu ihm "verhalten"? Im Umkreisen dieser Frage tut sich ein eminent politisches Moment auf.
Dem fotografischen Essay ist das Werk von Eiko Grimberg (* 1971, Karlsruhe) verpflichtet. In seiner Arbeit "Future History" führt der Künstler durch den Baustil des "Razionalismo" in Italien. Grimberg stellt sich der Ambivalenz, in welcher der "Razionalismo" als Projekt der Moderne einerseits und als von faschistischen Ideologien durchsetzte Bewegung andererseits gelesen werden muss. Dahinter steht die Frage, wie Architektur die Zeit, in der sie entsteht, überdauert und wie die Menschen, die in ihr leben, sie sich immer wieder neu aneignen.
Trotz der unterschiedlichen künstlerischen Herangehensweisen macht die Ausstellung deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit der Fotografie nicht umhinkommt, sich immer wieder Fragen nach dem Wirklichkeitsbezug zu stellen. Die Frage nach der "Realität im Bild" bleibt dem Medium der Fotografie eingeschrieben. Sie ist einerseits hinsichtlich des experimentellen Gebrauchs des Mediums in den Bildenden Künsten evident. Andererseits tritt sie in Anbetracht der Digitalisierung, die heute fast alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt, mehr denn je in den Vordergrund.
Die Jury: Zu dem Fachgremium, das von Dr. Christina Leber, Leiterin der DZ BANK Kunstsammlung, benannt wurde, gehörten Stefanie Böttcher (Künstlerische Leitung, Kunsthalle Mainz), Florian Ebner (Kustos für Fotografie, Centre Pompidou, Paris), Dr. Astrid Ihle (Ausstellungskuratorin, Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen), Maren Lübbke-Tidow (Autorin, Kritikerin, Kuratorin, Berlin) sowie Christoph Tannert (Geschäftsführer, Künstlerhaus Bethanien, Berlin).