Bjørn Melhus »
SPECTRAL AFTERLIVES
Ausstellung aus Anlass der Buchpublikation der Stiftung Niedersachsen
Exhibition: 29 May 2019 – 5 Jan 2020
Sprengel Museum Hannover
Kurt-Schwitters-Platz
30169 Hannover
+49 (0)511-16843875
sprengel-museum@hannover-stadt.de
www.sprengel-museum.de
Tue 10-20, Wed-Sun 10-18
Bjørn Melhus
"SPECTRAL AFTERLIVES"
Ausstellung: 29. Mai 2019 bis 5. Januar 2020
Eröffnung: Dienstag, 27. Mai, 18.30 Uhr
Bjørn Melhus entwirft in seinen oft grotesken, ironischen und zumeist narrativen Filmen und Videoinstallationen magische Bilder, die bekannte Motive, Themen und Strategien der Massenmedien und Medienwirklichkeit unserer Zeit verfremden. Dabei ist es immer der Künstler selbst, der einzeln oder vervielfacht in tragikomischen Rollenspielen figuriert.
Die Ausstellung findet anlässlich des Erscheinens des 74. Bandes der von der Stiftung Niedersachsen herausgegebenen Reihe "Kunst der Gegenwart aus Niedersachsen" statt. Das Buch ist mit einem Essay von Elisabeth Bronfen und zahlreichen Abbildungen eine umfangreiche Analyse der Filme, Videos und Installationen von Bjørn Melhus. Die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin untersucht unter dem Titel "SPECTRAL AFTERLIVES. Bjørn Melhus and his Media Doubles / GEISTERHAFTES NACHLEBEN. Bjørn Melhus und seine medialen Doppelgänger" die verschiedenen Erzählperspektiven und Rollen, die als geisterhafte Wiedergänger im Werk von Melhus vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Kinos und dessen Repräsentanten und Ikonen ein Bild unserer Gegenwart heraufbeschwören. Hier werden Themen wie Identität, Heimat, Krieg und Tod verhandelt. Dabei nimmt die von Melhus mit dem Film "Weit Weit Weg" eingeführte und später weiterentwickelte Kunstfigur "Dorothy", in Anlehnung an die von July Garland gespielte Heldin der US-amerikanische Verfilmung "The Wizard of Oz" (1939) eine besondere Rolle ein.
Die Ausstellung, die den Titel des Buches "SPECTRAL AFTERLIVES" aufnimmt, präsentiert die Premiere der neuen Videoinstallation "THE END TIME", die für diese Ausstellung entstanden ist. Den Mittelpunkt der 4-Kanal-Videoinstallation bildet die Kunstfigur "Dorothy". In traumartigen Episoden rezitiert sie dabei Tonzitate aus dem Film "The Wizard of Oz" (1939) und der Fernsehserie "China Beach" (1988 – 1991) vor dem Hintergrund des zentralvietnamesischen Dschungels und in Opposition zu einem übermächtigen Mond. Melhus rekurriert auf zwei Ereignisse, die Mondladung 1969 und den Vietnamkrieg (1955 – 1975), die eine weltweite Medienaufmerksamkeit erhielten. Die US-amerikanische Popkultur, aber auch zahlreiche mediale Erzählungen haben Fragmente und Motive aus "The Wizard of Oz" immer wieder zitiert; so wurde der Ho-Chi-Minh-Pfad auch als "Yellow Brick Road" (gelbe Backsteinstraße), die durch das Zauberland Oz führte, bezeichnet. Auch in der von dem Vietnamveteranen William Broyle Jr. entwickelten Fernsehserie "China Beach" finden sich Referenzen zum "Wizard of Oz".
In "THE END TIME" intoniert die Protagonistin "Dorothy" wiederholt den Song aus der Serie "China Beach": "Don´t sit under the apple tree, with anyone else but me, until I'm marching home." Diese sehnsuchtsvoll melancholische Zeile zitiert wiederum den 1942 von Glenn Miller und den Andrew Sisters populär gewordenen Song, der vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges als eine Aufforderung zu verstehen ist, auf die Kriegsheimkehrer zu warten.
Doch für "Dorothy" gibt es kein Entrinnen, sie ist gefangen in "THE END TIME", und es stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Ausnahmezustand „THE END TIME“ zum Normalzustand wird und es eine Heimkehr – wie sie auch im "Wizard of Oz" verhandelt wird – nicht gibt. Melhus sieht in seiner Installation einen metaphorischen Verweis auf unsere Gegenwart, "in der wir in einem permanenten Ausnahmezustand der Endzeit leben und uns eine Rückführung in einen Urzustand oder 'Heimkehr' verstellt zu sein scheint" (Bjørn Melhus).
Eingerahmt wird die Premiere der Videoinstallation mit der Präsentation von fünf weiteren Film- und Videoarbeiten des Künstlers:
ZAUBERGLAS (The Magic Glass), 1991, Video, 6 Min., WEIT WEIT WEG (Far Far Away), 1995, Film, 39 Min., BLUE MOON, 1997/1998, Video, 4 Min., THE ORAL THING, 2001, Video, 8 Min. und AUTO CENTER DRIVE, 2003, Film, 28 Min.
Sie zeigen die Verbindung und das Mäandern der von Melhus geschaffenen Figuren von einem Film zum andern und führen den narrativen Faden und die Referenzen zu "Wizard of Oz" und seiner Protagonistin "Dorothy" vor Augen.
Bjørn Melhus studierte in den 1990er-Jahren an der HBK Braunschweig und erhielt 2001 den Sprengel-Preis der für bildende Kunst der Niedersächsischen Sparkassenstiftung. Seit 2003 lehrt er als Professor für Bildende Kunst / Virtuelle Realitäten an der Kunsthochschule in Kassel.