Erasmus Schröter »
Gegenspieler
Zwei Fotoprojekte
Exhibition: 11 May – 11 Aug 2019
Fri 10 May 19:00
Kunstsammlung im Stadtmuseum Jena
Markt 7
07743 Jena
+49 (0)3641-498260
kunst@jena.de
www.kunstsammlung-jena.de
Di, Mi, Fr 10-17, Do 14-22, Sa/So 11-18
"Gegenspieler"
Zwei Fotoprojekte von Erasmus Schröter
Ausstellung: 11. Mai bis 11. August 2019
Eröffnung: Freitag, 10. Mai, 19 Uhr
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die beiden Serien "Komparsen" und "Contest". Das Personal ist jeweils männlich, darüber hinaus gibt es zunächst keine formalen noch inhaltlichen Gemeinsamkeiten. Und doch eint die Protagonisten der gemeinsame Wunsch nach Wahrnehmung und medialer Aufmerksamkeit, die Erasmus Schröter auf sehr unterschiedlichen Wegen in Bildfolgen übersetzt und von der Betrachtung individueller Schicksale ins Phänomenologische führt.
Die "Komparsen" entstehen ab dem Jahr 2000 ausnahmslos in Schwarz-Weiss. Die Protagonisten wirken älter als sie sind und präsentieren sich in einem selbst gewählten, zeitlosen Outfit, das ihnen ein hohes Maß an Unsichtbarkeit garantiert. Sie bewerben sich um Nebenrollen, wollen Aufmerksamkeit und wirken doch wie Spuren des Gestern im Heute. Sie sind im besten Sinne normal. Eskapaden sind ihnen fremd und das Leben folgt jenen Koordinaten, die durch Erziehung, Einsicht und Verantwortung vorgeprägt sind. Erasmus Schröter inszeniert die Bilder wie Stills aus einem Film, dessen Akteure sich in der traditionellen Domäne des Mannes, der Landschaft, präsentieren. Die Eroberung derselben bleibt jedoch nur Andeutung, eine Geste, eine Erinnerung an Aufgaben, die dem Manne einst zugedacht waren. Die Komparsen blicken in die Ferne, doch die ist weit und leer. Schröter inszeniert einen Raum ohne Aufgaben; denn das, was war, wird so nicht mehr gebraucht.
Ab 2010 arbeitet Erasmus Schröter parallel zu den Leipziger Wave Gothic-Treffen an seiner Folge "Contest". Anders als die "Komparsen" entzieht sich das Personal dieser Bilder dem üblichen Leben und konterkariert die traditionellen Rollenbilder durch konsequente Überschreitungen von sexuellen, religiösen und moralischen Grenzen und Tabus. Viele der jungen Männer provozieren, schillern in bizarren Rollen, denen sie sich teilweise auch durch körperliche Veränderungen dauerhaft verschrieben haben. Leder, Ketten, Latex und schillernde Frisuren verbinden die Protagonisten in einem Karneval narzistischer Grenzverschiebungen, der die Veränderungen in den westlich geprägten Gesellschaften exemplarisch abbildet. Das Individuelle erhebt sich hier als Superlativ, als Reaktion gegen eine Normalität, deren Enge als bedrückend empfunden wird. Schrilles Outfit und gefühlsame Nabelschau führen auf Schröters Fotografien zu einer Allianz, die spannend ist und sicher auch bleibt.
Die umfangreiche Serie besteht aus großformatigen, in Farbe aufgenommenen Bildnissen von jungen Männern, die Erasmus Schröter immer in neutralen, ereignislosen Räumen fotografiert. Dazu bittet Schröter seine Modelle in separate Räume, führt Gespräche und versucht eine Situation zu erzeugen, in der eingeübte Rollen und Posen vergessen werden, so dass die Protagonisten bei sich selbst ankommen.
Schröter greift mit seinen analogen Farbfotografien in den aktuellen Diskurs der Geschlechter ein und thematisiert diesen aus einem ungewöhnlichen und originären Blickwinkel. Die Männer, die hier gezeigt werden, sind Suchende in einer Welt, die sich neu erfindet und damit auch die Balance dessen, was als gerecht empfunden wird, neu ordnet. Erasmus Schröter zeigt nicht das starke Geschlecht, sondern Protagonisten, die eher fragil und aus dem Gleichgewicht geraten sind.
Erasmus Schröter wird 1956 in Leipzig geboren, studiert von 1977 bis 1982 Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst und ist danach als freischaffender Fotograf in Leipzig tätig. Auffällig ist sein Interesse an fotografischen Experimenten, er verwischt mit Blitzen die Konturschärfe seiner Motive und ist einer der Ersten, die den Farbfilmen der Firma ORWO vertraut. Das ist gewagt, denn neben allerlei Überraschungen sind die Farben jener Filme von einer transparenten Blässe, die die Tristesse eines sterbenden Staates geradezu blasphemisch enthüllt. Nur wenig später ist der Spielraum ausgereizt und Erasmus Schröter siedelt 1985 nach Hamburg über. Er arbeitet für verschiedene Zeitungen und Magazine, wird in den darauf folgenden Jahren mit verschiedenen Stipendien und Preisen geehrt und widmet sich der lichtinszenierten Fotografie. Seit 1997 lebt und arbeitet er wieder in Leipzig und ist dort von 2005 bis 2006 Gastprofessor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit 64 Seiten.
Die Ausstellung wird von der Kulturstiftung des Freistaates Thüringen gefördert.