Bill Perlmutter »
Through a Soldier's Lens: Europe in the Fifties
Exhibition: 15 Jun – 22 Sep 2019
Fri 14 Jun 19:00
Centre Charlemagne
Katschhof 1
52062 Aachen
+49 241-4324931
Bill Perlmutter
"Europe in the Fifties - Through a Soldier’s Lens"
Ausstellung: 15. Juni bis 22. September 2019
Eröffnung: Freitag, 14. Juni, 19 Uhr
Glücklich darüber, eine Kamera statt eines Gewehrs über der Schulter tragen zu dürfen, kommt der gerade 22jährige Bill Perlmutter 1954 mit einem Truppentransporter in Deutschland an. Als Fotograf soll er hier für amerikanische Armeemagazine arbeiten. Perlmutter, der die USA zuvor noch nie verlassen hat, reist mit einer Vorstellung von Europa an, die er aus Filmen und der Literatur kennt.
Von Beginn an geht es ihm nicht um das Ablichten ländertypischer Panoramen oder zeitaktueller Ereignisse. Zwar sind die Spuren des Krieges knapp zehn Jahre nach dessen Ende noch überall sichtbar, doch interessiert sich der junge Fotograf in erster Linie für die Menschen, die sich trotz aller Entbehrungen wieder in ihrem Alltag eingerichtet haben. Wenn Perlmutter in den verschiedenen Ländern mal in den Metropolen, mal in entlegenen Gegenden fotografiert, behält er stets das Individuum im Fokus. Voller Neugier und mit großer Empathie hält Perlmutter Szenen und Momente des Alltagslebens fest, in Deutschland, aber auch Frankreich, Italien, Spanien und Portugal, wo er sich in den nächsten beiden Jahren aufhält.
Es überrascht nicht, dass Perlmutter seinen ersten Urlaub vom Militärdienst in Paris verbringt – war die französische Metropole doch für viele Amerikaner der europäische Sehnsuchtsort schlechthin. Mit ruheloser Euphorie taucht er in das Geschehen an den Boulevards und auf den Plätzen ein: „Es war fast Mitternacht, aber diese Stadt nach Sonnenuntergang ersetzte jeden Gedanken an Schlaf“. Er findet die „wunderbaren Orte“, von denen er gelesen hatte, kann aber auch manches Vorurteil, beispielsweise über die Italiener, revidieren und unerwartete Eindrücke gewinnen.
Perlmutter kennt Filme des Italienischen Realismus mit ihrer Darstellung einer ungeschönten Wirklichkeit, doch fußt sein Italienbild in erster Linie auf wenig angenehmen Begegnungen mit Sizilianern in der New Yorker Bronx. Sein Aufenthalt im Land vermittelt ihm dann ein überraschend anderes Bild: "Alle meine Vorurteile wurden erschüttert, als ich die meisten Italiener als sympathisch, weltoffen und optimistisch gegenüber der Zukunft erlebte. Rom war eine lebendige Geschichtsstunde und Venedig die bezauberndste Stadt, die ich je besucht habe".
Perlmutters Fotografien zeigen aber auch, wie unterschiedlich die gesellschaftliche Entwicklung und die Lebensstandards in den vom ihm besuchten Ländern Mitte der 1950er Jahre sind. Seine Aufnahme eines wohlbeleibten Madrider Polizisten scheint wie eine ironische Anmerkung zu der noch tief in der Vergangenheit verwurzelten Politik Spaniens. Der strengen Ordnungsmacht stellt er Bilder eines rudimentären Lebens auf dem Land zur Seite. Und für den 1932 im weltoffenen New York geborenen Perlmutter mutet der Aufenthalt an Portugals Küste gar wie "ein Zeitsprung in das 19. Jahrhundert" an.
Bill Perlmutters Werk reflektiert eine Zeit des Neuanfangs wie auch des Beharrens, festgehalten in den Gesichtern, Gesten und Haltungen der Menschen. Es ist eine Zeitreise in die europäische Nachkriegszeit, aber mehr noch eine Erinnerung an sehr persönliche Begegnungen. Besonders bei den Kindern, die mit großer Unbefangenheit vor der Kamera agieren, findet der Fotograf seine Protagonisten. Die Bühne ihrer Aufführungen sind die Straßen, Plätze und Parks. Hier stößt Perlmutter auf eine Fülle von Sujets und erlaubt sich in Bildausschnitt sowie Perspektive bisweilen humorvolle Kommentare.
Das Gespür für den richtigen Augenblick zwischen Nähe und Distanz kennzeichnen die Arbeiten Perlmutters auch nach mehr als 60 Jahren seit ihrer Entstehung. Der Einfluss von Henri Cartier-Bresson, den Perlmutter in Hinsicht auf den "Decisive Moment" in der Fotografie bewundert, ist offensichtlich. Trotz ihrer scheinbaren Spontaneität liegen den Aufnahmen wohl austarierte Einstellungen zugrunde, und die Technik seiner Rolleiflex-Kamera erfordert es, die Motive mit Bedacht zu wählen, bevor man auf den Auslöser drückt.
Bill Perlmutter wurde am 5. September 1932 in New York geboren. Nach einem Studium der Filmtechnik und ersten fotografischen Arbeiten in New York schließt er 1954 sein Fotografiestudium an der Army Signal Corps School in Fort Monmouth, New Jersey, ab. Nach seiner zweijährigen Tätigkeit als angestellter Pressefotograf für Zeitschriften der US-Armee arbeitet Perlmutter ab 1958 als freier Fotograf. In fast sechs Jahrzehnten hat er weltweit fotografiert und seine Bilder wurden in zahlreichen Magazinen und Bildbänden veröffentlicht. Perlmutters Fotografien sind in namhaften US-amerikanischen Museumskollektionen vertreten, u.a. in den New Yorker Sammlungen des Museum of Modern Art, The Whitney Museum of American Art, The Smithsonian Museum und The Museum of the City of New York. Bill Perlmutter lebt in New York City.
"Europe in the Fifties - Through a Soldier's Lens" zeigt mit 80 Arbeiten eine Auswahl seiner 6 x 6 Rolleiflex-Aufnahmen aus den Jahren 1954-1956.
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Galerie Hilaneh von Kories, Berlin.
Kuratorin: Sylvia Böhmer