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Kurt-Schwitters-Preis 2019
Mika Rottenberg
Spaghetti Blockchain, 2019
Videostill, Einkanal-Videoinstallation
Ton (7.1 Surround Sound), Farbe, 18:15 min
Courtesy the artist and Hauser & Wirth
© Mika Rottenberg

Mika Rottenberg »

Kurt-Schwitters-Preis 2019

der Niedersächsischen Sparkassenstiftung

Exhibition: 8 Feb – 17 May 2020

Sprengel Museum Hannover

Kurt-Schwitters-Platz
30169 Hannover

+49 (0)511-16843875


www.sprengel-museum.de

Tue 10-20, Wed-Sun 10-18

Kurt-Schwitters-Preis 2019
Mika Rottenberg
Spaghetti Blockchain, 2019
Videostill, Einkanal-Videoinstallation
Ton (7.1 Surround Sound), Farbe, 18:15 min
Courtesy the artist and Hauser & Wirth
© Mika Rottenberg

Mika Rottenberg
Kurt-Schwitters-Preis 2019 der Niedersächsischen Sparkassenstiftung


Ausstellung: 8. Februar bis 17. Mai 2020
Eröffnung und Preisverleihung: Freitag, 7. Februar, 19 Uhr

Der Kurt-Schwitters-Preis wird seit 1996 alle zwei Jahre an international renommierte Künstler*innen vergeben, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der zeitgenössischen Kunst leisten und deren Werk einen Bezug zum künstlerischen Schaffen von Kurt Schwitters aufweist. Die Preisträger*innen werden von einer international besetzten Jury ausgewählt. Mitglieder der Jury 2019 waren Dr. Reinhard Spieler, Direktor Sprengel Museum Hannover, Dr. Ralf Beil, Direktor Kunstmuseum Wolfsburg, Dr. Laurent Le Bon, Direktor Musée Picasso, Paris, Massimiliano Gioni, Direktor New Museum, New York, Susanne Pfeffer, Direktorin Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main. Der Preis in Höhe von 25.000 Euro wird von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung vergeben und ist mit einer Einzelausstellung im Sprengel Museum Hannover verbunden. Bisher wurden u. a. Thomas Hirschhorn (2011), Sturtevant (2013), Pierre Huyghe (2015) und Theaster Gates (2017) ausgezeichnet.

Mit der Ausstellung der aktuellen Preisträgerin Mika Rottenberg (*1976 in Buenos Aires, lebt und arbeitet in New York) hat ihr neuester Film "Spaghetti Blockchain" (2019) Europapremiere. In diesem vom Sprengel Museum Hannover und der Niedersächsischen Sparkassenstiftung koproduzierten Werk kombiniert Rottenberg Landschaftsbilder, Klänge und physikalische Prozesse in einer bunten suggestiven Folge. Materie wird in verschiedensten Facetten – als farbige, wabbelige Silikonzylinder, als auf Atommodelle anspielende bunte Plastikkugeln, als dahinschmelzender Schaum oder als zu einem Modell zusammengesteckte Spaghetti mit Marshmallows – zerschnitten, geschmolzen oder bewegt. In Sprüngen zwischen Makro- und Mikrokosmos wird die Physis der Welt untersucht: Bilder von sibirischen Hochebenen mit traditionellen Sängerinnen in Trachten, vom leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger der Welt bei Genf und von einem Kartoffelfeld in Maine werden in einer kaleidoskopartigen Trommel durchmischt und eingespeist in einen ebenso bizarren wie unterhaltsamen Bilderkosmos.

Wenn man heute versucht, sich einen Teilchenbeschleuniger oder eine Blockchain vorzustellen, wird man ohne Modelle kaum auskommen. Die Frage, wie wir die Welt verstehen können, wenn wir den hohen Abstraktionsgraden nicht zu folgen vermögen, führt häufig zu einer Kapitulation vor dem nicht Greifbaren. Mika Rottenberg jedoch arbeitet experimentell mit einer vielgestaltigen Montage von dokumentarischen und fiktiven Filmteilen sowie gebauten Sets mit Maschinen, Tunneln und Schächten. In ihren filmischen Versuchsanordnungen wird der Blick durch Engpässe geführt und oft stellen sich klaustrophobische Momente ein, wenn bedrängende Fülle auf kleine Räume trifft. Durch den Einsatz von korpulenten und muskulösen Wrestlerinnen und Bodybuildern wird der menschliche Körper als Ausgangspunkt und physische Grenze des Erfahrbaren inszeniert; in den kinetischen Skulpturen und den Filmen sind Körperteile wie Lippen, Finger, Gesäße sowie Pferdeschwänze isoliert und verschiedenen Bewegungen und Versuchen ausgesetzt. Das Niesen als körperlicher Reflex, den keine Ratio dämmen kann, wird in "Sneeze" (2012) produktiv: Kaninchen, Glühlampen, T-Bone Steaks bringen die Männer mit den komischen Nasenattrappen und lackierten Fußnägeln hervor.

Kurt-Schwitters-Preis 2019
Mika Rottenberg
Spaghetti Blockchain, 2019
Videostill, Einkanal-Videoinstallation
Ton (7.1 Surround Sound), Farbe, 18:15 min
Courtesy the artist and Hauser & Wirth
© Mika Rottenberg

Auf eindrucksvolle Weise verführen Rottenbergs farbig laute, akustisch verstärkte und in Haptik und Sound berührende filmische Installationen und ziehen die Betrachter*innen unmittelbar physisch in ihre Sphäre. Bereits bei "Cosmic Generator" (2017) scheint eine höchstkomplexe wie seltsame Welt in den tiefen Verbindungen eines Tunnels zwischen Mexiko und Kalifornien auf. Die grellen Verkaufsnischen mit blinkenden Leuchtketten vereinen harte soziale Verhältnisse mit lustvollen Ersatzwelten. Sind es hier globale Produktionsketten und der Bezug zu Waren und Sehnsüchten, die verhandelt werden, werden in "Spaghetti Blockchain" (2019) die Grundbeschaffenheiten unserer Existenz in eindrucksvollen Bildern evoziert. Der eindringliche Kehlgesang der Sängerinnen von Tuva, einer russischen Republik nördlich der Mongolei, beschwört eine ursprüngliche und unmittelbare klangliche Verbindung zur Natur. Dieser archaischen Verankerung des Menschen steht der wissenschaftliche Fortschritt, die Erforschung der kleinsten Teilchen in der Antimatter Factory des CERN in Genf gegenüber. Rottenberg zeigt diese beiden Seiten als zeitgleiche Momente derselben Welt; die irrationale Qualität, die der eine durch die imposanten Klänge, der andere durch die Unsichtbarkeit und Lautlosigkeit einer extremen Beschleunigung tragen, verstärkt sich durch die Präzision von Rottenbergs Tonspuren und Bildern. Zugleich erhalten sie einen vom Pathos entlastenden komischen Gegenpart in den Versuchsaufbauten mit Spaghetti und Marshmallows. Schließlich trägt der Humor und Szenenwitz, teilweise der Bastelästhetik von YouTube-Amateurvideos und Werbespots folgend, auch eine Lebensenergie, die sich überträgt.

Rottenbergs künstlerisches Vorgehen, von ihr selbst als 'Social Surrealism' bezeichnet, schafft fantastische Allegorien, die globale Zusammenhänge von ihren absurden und gleichwohl realen Seiten berühren. Es gilt das Experiment, immer wieder auf die Welt zuzugehen und sie auszutesten, um physisch zu erfahren, welche althergebrachten wie neuen Zugänge wir schaffen können. Rottenbergs Panoramen, ebenso von einer Pop-Ästhetik wie von besagten Körperteilen bestimmt, können uns dazu als archimedischer Punkt dienen, von dem die Welt aus verzerrten wie irrwitzigen Blickwinkeln anzusehen möglich wird.

Kurt-Schwitters-Preis 2019
Mika Rottenberg
Cosmic Generator, 2017
Videostill, Einkanal-Videoinstallation
Ton, Farbe, 26:36 min
Courtesy the artist and Hauser & Wirth
© Mika Rottenberg
Kurt-Schwitters-Preis 2019
Mika Rottenberg
Sneeze, 2012
Videostill, Einkanal-Videoinstallation
Ton, Farbe, 3:02 min
Courtesy the artist and Hauser & Wirth
© Mika Rottenberg