Christian Borchert »
Tektonik der Erinnerung
Exhibition: 17 Jun – 20 Sep 2020
Sprengel Museum Hannover
Kurt-Schwitters-Platz
30169 Hannover
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sprengel-museum@hannover-stadt.de
www.sprengel-museum.de
Tue 10-20, Wed-Sun 10-18
Christian Borchert
"Tektonik der Erinnerung"
Ausstellung: 17. Juni bis 20. September 2020
Mit fotografischen Beobachtungen unspektakulärer Alltagsmomente verwies Christian Borchert (1942-2000) in der ideologiegesättigten Atmosphäre der 1980er-Jahre in besonderer Weise auf Möglichkeiten künstlerischer Integrität. In seinem von einem hohen zeitgeschichtlichen Bewusstsein getragenen Werk liegen archivarisch-dokumentarische und künstlerisch-poetische Strategien nahe beieinander.
Seit Mitte der 1950er-Jahre fand der Fotograf seine Motive vor allem in seiner Geburtsstadt Dresden und in Berlin. Hierher war er 1968 nach einem Ingenieur-Studium, einer Tätigkeit als technischer Leiter an der Deutschen Hochschule für Filmkunst, Potsdam Babelsberg, und einer Ausbildung als Fotograf in Potsdam gezogen und hatte, neben einem Fernstudium Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, sechs Jahre als Bildreporter für die wöchentlich erscheinende Neue Berliner Illustrierte gearbeitet.
Mit einem umfangreichen Projekt zu Künstler*innenporträts markierte Christian Borchert dann im Jahr 1976 einen radikalen Bruch in seinem bisherigen Selbstverständnis als Fotograf. Ein von bildjournalistischen Vorgaben unabhängiges Arbeiten ermöglichte ihm der Auftrag zu einer Langzeitdokumentation des Wiederaufbaus der Semperoper Dresden. Freundschaften mit Lyriker*innen und Schriftsteller*innen wie Elke Erb (*1938) oder Richard Pietraß (*1946) schärften die eigene Auseinandersetzung mit poetischer Bildlichkeit. Neben den Alltags-beobachtungen ist es vor allem das umfangreiche, systematisch angelegte Langzeitprojekt der „Familienporträts“ und sind es Publikationen zur jüngeren Geschichte seiner Geburtsstadt Dresden sowie zum Literaturwissenschaftler Victor Klemperer (1881-1960), die wesentlich Strahlkraft gewannen.
In den 1990er-Jahren schließlich entstand "Tektonik der Erinnerung", ein fotografisches Porträt seiner Geburtsstadt als Brennglas jüngerer deutscher Geschichte.
Christian Borchert hinterließ bei seinem Unfall-Tod im Jahr 2000 etwa 230.000 Schwarz-Weiß-Negative, zumeist mit den dazugehörigen Kontaktbögen, etwa 5.500 Farbdiapositive, rund 20.000 Arbeitsabzüge in kleineren Formaten und 4.000 Abzüge in Ausstellungsformaten, diverse Karteisysteme sowie zahlreiche weitere Bilderschachteln, Mappen und Alben – all dies wohlgeordnet und weitestgehend beschriftet. Dennoch war sein Werk in den vergangenen zwei Jahrzehnten nahezu unsichtbar. Über die Datenbank der Deutschen Fotothek öffentlich zugänglich waren lediglich 12.000 Arbeitsabzüge, zumeist aus früh verworfenen Arbeitsphasen.
"Christian Borchert. Tektonik der Erinnerung" ermöglicht nun nach vierjähriger Forschungsarbeit des Kunsthistorikers Bertram Kaschek für das Kupferstich-Kabinett Dresden mit der nun auch in Hannover gezeigten Ausstellung und der umfangreichen Publikation erstmals einen weitreichenden Zugang zu dieser an Brüchen reichen Fotografenbiografie.
Eine Ausstellung des Kupferstich-Kabinetts der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in Kooperation mit der Deutschen Fotothek Dresden. Das Forschungsprojekt wurde gefördert durch die VolkswagenStiftung.
Die Ausstellung wird gefördert von der Stiftung Niedersachsen.
Kuratorin: Inka Schube