GEGENWART | ERINNERUNG
Stiftungspreis Fotokunst 2020
Louisa Clement » Christiane Feser » Andrea Grützner » Isabelle Graeff » Sabrina Jung » Mårten Lange » Nina Röder » Jewgeni Roppel » Morgaine Schäfer » Marie Zbikowska »
Exhibition: 3 Jun – 20 Dec 2020
KUNSTWERK
Siemensstr. 40
71735 Eberdingen-Nussdorf
07042-3769566
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www.sammlung-klein.de
Wed-Fri + Sun 11-17
"Gegenwart | Erinnerung"
Stiftungspreis Fotokunst 2020
Ausstellung: 3. Juni bis 20. Dezember 2020
Die Alison und Peter Klein Stiftung in Eberdingen-Nussdorf bei Stuttgart vergibt 2020 zum fünften Mal den mit 10.000 Euro dotierten Stiftungspreis Fotokunst. Unter dem Thema "Gegenwart | Erinnerung" sind von einer Jury zehn künstlerische Positionen für den Preis nominiert worden, deren Werke nun im KUNSTWERK Sammlung Klein einen konzentrierten Blick auf die junge Fotokunstszene in Deutschland bieten.
Mit der Einrichtung des Stiftungspreises Fotokunst im Jahr 2009 haben Alison und Peter W. Klein ein Zeichen gesetzt für die gewachsene Bedeutung der Fotografie in ihrer privaten Sammlung zeitgenössischer Kunst. Er ist angelegt als Förderpreis für Künstlerinnen und Künstler, die in Deutschland leben und arbeiten. Sowohl die Auswahl der Kandidat*innen als auch die Entscheidung über die Preisvergabe erfolgen jeweils durch eine Jury, die sich in diesem Jahr zusammensetzt aus Ann-Christin Bertrand, Stefan Gronert, Matthias Harder und Ute Noll. Wer den Stiftungspreis Fotokunst 2020 erhält, ist noch offen. Die Entscheidung wird Ende September getroffen.
Das Thema des Stiftungspreises Fotokunst 2020 "Gegenwart | Erinnerung" verweist auf die Funktion der Fotografie als Gedächtnisspeicher und Erinnerungsmedium, eröffnet damit aber zugleich ein weites Feld der inhaltlichen Bezugnahme. So bieten die von der Jury ausgewählten und im KUNSTWERK präsentierten Beiträge ein vielschichtiges Spektrum künstlerischer Auseinandersetzungen, die sich in sehr unterschiedlicher Weise im Spannungsfeld der beiden Titelbegriffe positionieren.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, 68 Seiten, 15 Euro, mit Texten von Anna Gripp, Andrea Grützner, Hinde Haest, Pepita Hakansson, Silke Hohmann, Stephan Rößler, Luisa Schlotterbeck, Ludwig Seyfarth, Julia Uti und Anna Zika.
© Jewgeni Roppel © Morgaine Schäfer, Courtesy fiebach, minninger © Marie Zbikowska
Louisa Clement (*1987 in Bonn, lebt in Bonn)
Gesichtslose Porträts. Atavare. Leere Körper. Die Protagonisten in den Fotografien, Videoarbeiten und skulpturalen Objekten von Louisa Clement sind künstliche Wesen, jeglicher Identität enthoben. Schaufensterpuppen dienen in den Arbeiten der Künstlerin als Stellvertreter für Menschen. Clements Arbeiten – auf den ersten Blick scheinbar visionär, fiktional – zeichnen ein irritierendes Bild unseres gegenwärtigen Lebens. Im anonymen Gegenüber oder im beziehungslosen Miteinander der Figuren lassen sie fragen, ob unsere eigene Vorstellung des Humanitären der gegenwärtigen Realität entspricht oder eine aus der Erinnerung abgerufene Projektion darstellt.
Christiane Feser (*1977 in Würzburg, lebt in Frankfurt am Main)
Christiane Feser wendet sich in ihrer Arbeit gegen das traditionelle Verständnis der Fotografie als Medium, das immer etwas, in einem vergangenen Moment Dagewesenes abbildet. Sie antwortet darauf mit abstrakten, reliefhaften Foto-Objekten. Elemente aus gefalteten Papieren werden von ihr zu modularen Strukturen zusammenfügt und anschließend – mit Licht und Schatten den Bildraum auslotend – fotografiert. Der zweidimensionale Foto-Abzug des dreidimensionalen Gefüges wird durch Schneiden und Auffalten erneut plastisch bearbeitet. Dabei schreibt sich das fotografische Bild dem Objekt ein und lässt dessen Betrachtung zu einem Vexierspiel zwischen Fläche und Raum werden.
Isabelle Graeff (*1977 in Heidelberg, lebt in Berlin)
Isabelle Graeff kehrt 2015 nach dem Tod ihres Vaters nach Großbritannien zurück, wo sie studiert hat. Von London aus nähert sie sich erneut dem Land an. Dabei entsteht die Fotoserie “Exit“: emotional geprägte, poetische Aufnahmen, welche die Verfasstheit der Nation kurz vor der Entscheidung des Brexits wiedergeben: eine Entscheidung, die durch den scheinbaren Verlust ehemaliger Unabhängigkeit und Größe des Empires motiviert ist. Als Langzeitprojekt schreibt sich Isabelle Graeffs Serie „My Mother and I“ seit fast zwanzig Jahren fort. Ihr persönliches Album unterstreicht die Bedeutung der Fotografie als Träger des biografischen Erinnerns sowie als Grundlage für die Reflexion über die eigene Identität.
Andrea Grützner (*1984 in Pirna, lebt in Berlin und New York)
Andrea Grützners Serie „Erbgericht“ ist nach ihrem Entstehungsort benannt. Der Gasthof, der seit über 100 Jahren in der Heimatgemeinde ihrer Familie geführt wird, ist als Räumlichkeit mit vielfältigen Erinnerungen belegt. Doch “die gesetzte räumliche Struktur erzählt nicht von sich aus, es sind unsere Projektionen, die sie einfärben”, sagt die Künstlerin. Analoge Technik verwendend, überblendet sie ausgewählte Raumausschnitte mit farbigen Schatten. Sie überschreibt damit die geschaute Wirklichkeit des Ortes, zum Teil bis zu deren völliger Übersetzung in ein malerisch-grafisches Bild.
Sabrina Jung (*1978 in Neuss, lebt in Brandenburg an der Havel)
Sabrina Jung verwendet in ihrer Arbeit Fremdmaterial: alte, antiquarisch gesammelte Schwarz-Weiß-Fotos, die im Studio aufgenommen wurden. Die Lebensgeschichten der (meist weiblichen) Porträtierten sind nicht bekannt; ihre Anonymität setzt die Bilder frei für überindividuelle Fragestellungen, die sich auf zeitgebundene Klischees richten: Ausprägungen geschlechtsspezifischer Identität, Rollenbilder, Schönheitsideale, denen man nachzukommen sucht. Die künstlerische Bearbeitung der reproduzierten Fotos mittels Collage oder Übermalung erzeugt dabei eine zweite Ebene der Reflexion.
Mårten Lange (*1984 in Göteborg, lebt in Berlin)
Mårten Lange – seit seiner Kindheit fasziniert von der vergangenen Welt der Dinosaurier – reist nach Mexiko, sucht den Chicxulub-Krater auf, wo der Asteroid einschlug, der das Leben der urzeitlichen Wesen beendete. Die Aufnahmen situativ wahrgenommener Tiere und Landschaften, die einem längst Vergangenen nachspüren, stehen kontrastreich der Werkgruppe „The Mechanism“ gegenüber mit Bildern einer heutigen, urbanen Welt, die von einer unpersönlichen gesellschaftlichen Kälte gezeichnet ist.
Nina Röder (*1983 in Neuendettelsau, lebt in Berlin und Hamburg)
Nach dem Tod von Nina Röders Großeltern innerhalb eines Jahres galt es 2017, deren Haus zu räumen. Den Entscheidungsprozess, von welchen Gegenständen man sich trennt, welche als Erinnerungsstücke aufbewahrt werden, begleitet die Künstlerin mit ihrer Serie „Wenn du gehen musst willst du doch auch bleiben“. In ebenso bewegender wie humorvoller Weise fotografiert Nina Röder letztmals die Einrichtung des Hauses sowie persönliche Gegenstände: performativ in Szene gesetzt zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Cousine, die Kleider der Großmutter tragen.
Jewgeni Roppel (*1983 in Tschimkent, Kasachstan, lebt in Hamburg)
Jewgeni Roppel widmet sich in seiner Arbeit "Mothar" der Geschichte und Gegenwart Irlands. Auf seiner Reise durch das Land fragt er danach, welche Orte, welche Bauten, welche landschaftlichen Besonderheiten, welche Mythen und Zeugnisse aus historischer Zeit und welche Phänomene der Gegenwart dessen Identität prägen. An Aby Warburgs Bilderatlas "Mnemosyne" anknüpfend, erzählt er mit seinen Fotografien gleichermaßen exemplarisch wie assoziativ vom kulturellen Selbstverständnis des Landes.
Morgaine Schäfer (*1989 in Wolfsburg, lebt in Köln)
Das Selbstporträt ist ein zentrales Thema in der Kunst von Morgaine Schäfer. Sie präsentiert sich in antiquiert erscheinenden Posen, die der ikonografischen Tradition des Sujets entstammen und sich dadurch geradezu anachronistisch zum "Posing" digitaler Selfies in Bezug setzen. Eine wesentliche Bedeutung erhalten in ihrer Arbeit alte, gerahmte Dias von Schnappschüssen der Familie: Wie die dinglichen Attribute in der historischen Bildnismalerei erscheinen sie als Verweise auf die persönliche Identität.
Marie Zbikowska (*1978 in Potsdam, lebt in Berlin)
Marie Zbikowska präsentiert aus ihren jüngsten Werkgruppen "Kapsel" (2019/20), "Ein Stück" (2018) und "Im Bau" (2017) mit analog hergestellten Schwarz-weiß-Fotografien, reproduzierten Abbildungen, Videos und skulpturalen Objekten. Die Auseinandersetzung mit Fragen des Archivierens, des Speicherns und fragmentarischen Abrufens von Gedächtnisinhalten schreibt sich den künstlerischen Arbeitsprozessen von Marie Zbikowksa ein. Dem Heraus- und Nachbilden erinnerter Artefakte und räumlicher Situationen kommt dabei in ihrem Schaffen eine zentrale Bedeutung zu.