Andrea Grützner
Stiftungspreis Fotokunst 2020

Zehn künstlerische Positionen sind 2020 für den mit 10.000 Euro dotierten Fotokunstpreis der Alison und Peter Klein Stiftung nominiert worden. Alle zehn werden in der aktuellen Ausstellung "Gegenwart | Erinnerung" im KUNSTWERK vorgestellt. Ende September hat die Jury in Nussdorf getagt und Andrea Grützner aus Berlin zur Preisträgerin des Stiftungspreises Fotokunst 2020 der Alison und Peter Klein Stiftung gekürt.

Die Jury setzte sich zusammen aus Ann-Christin Bertrand, freischaffende Kuratorin und Dozentin in Berlin und in der Schweiz, Dr. Stefan Gronert, Kurator für Fotografie und Medienkunst am Sprengel Museum Hannover, Dr. Matthias Harder, Kurator und Stiftungsdirektor der Helmut-Newton-Stiftung Berlin sowie der Galeristin Ute Noll aus Stuttgart, zudem Fotodirektorin und Chefin vom Dienst der Zeitschrift "DU" in Zürich.

Die Jury würdigt die hohe Gesamtqualität der Ausstellung, die uns ein breites Spektrum der zeitgenössischen Fotografie in Deutschland in spannender Form vor Augen führt. Nach eingehender Diskussion wählte die vierköpfige Jury die 1984 in Pirna geborene Künstlerin Andrea Grützner mit ihrer Werkgruppe "Erbgericht" einstimmig zur Preisträgerin.

Das zugrundeliegende Thema des diesjährigen Stiftungspreises "Gegenwart I Erinnerung" ist hier überzeugend und vielschichtig umgesetzt. Motiv und Inhalt ihrer langfristig angelegten Serie ist das 1898 errichtete, ehemalige Gasthaus Erbgericht im sächsischen Dorf Polenz, dem Wohnort der Großeltern der Künstlerin, das sich über die Jahrzehnte durch zahlreiche Umbauten zu einer historisch gewachsenen Raum- und Materialcollage verdichtete. Die eigenen und überlieferten Erinnerungen an diesen Ort und das Leben, das dort stattgefunden hat, übersetzt sie in autonome Bildwelten, die zwischen Malerei, Collage und Fotografie changieren. Andrea Grützner arbeitet im Erbgericht mit Großbildkamera und Stativ, mehreren Blitzgeräten und farbigen Filtern geradezu installativ im Raum, um diesen wiederum ins Zweidimensionale zu übersetzen.

Ziel ist die Auflösung des Raumes, letztlich das Spannungsverhältnis des realen, konkreten Ortes und der Transformation in Bilder und Vorstellungsbilder. An die verwinkelten Räume, Ecken und Gegenstände sind Erinnerungen von Generationen geknüpft, so die Künstlerin in ihrem Statement. Die Räume werden von ihr mit farbigen Blitzen abgetastet, während die immateriellen Schatten die Bildstruktur bestimmen. Sie werden zu Metaphern der Erinnerung.

Mit ihrer rein analog entstandenen Werkgruppe "Erbgericht" erschafft Andrea Grützner formal und inhaltlich etwas Neues. Hier werden die Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, auch des Mediums Fotografie, in irritierenden Realitätsdarstellungen faszinierend miteinander verwoben.

Die Ausstellung "Gegenwart | Erinnerung" mit der Shortlist von 10 Künstlern ist noch bis 20. Dezember 2020 im KUNSTWERK in Eberdingen-Nussdorf zu sehen.

Andrea Grützner

1984 geboren in Pirna, lebt in Berlin.
2005-09 Studim Kommunikationsdesign an der HTWG Konstanz.
2010-2014 Studium der Fotografie, M.A. an der Fachhochschule Bielefeld.

Lehraufträge an der Bauhaus Universität Weimar, an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, der FH Bielefeld und HTWG Konstanz Stipendien,

Preise und Residencies (Auswahl):
2019 PaperResidency! d’mage, Berlin
2018 Bauhaus-Residenz
2017 ING UNSEEN Talent Award
2016 Foam Talent
Pfalzpreis Kunst, Nachwuchspreis
2015 Lead Award, Silber
Koblenzer Stadtfotografin
2014 gute aussichten – junge deutsche fotografie

Einzelausstellungen (Auswahl):
2019 Falten und Fugen, Schierke Seineke, Frankfurt
2017 Tanztee und Erbgericht, Center for Contemporary Photography, Melbourne
Zu Gast, Museum Pfalzgalerie, Kaiserslautern
2016 das Eck, add art, Ter Hell Haus, Hamburg
Erbgericht, Julie Saul Gallery, New York
Kunstverein Lüneburg
Galerie Robert Morat, Berlin
2015 Tanztee im Erbgericht, Mittelrhein-Museum Koblenz
Erbgericht, Galerie Coucou, Kassel

Gruppenausstellungen (Auswahl):
2020 New Vision, The Henie Onstad Triennal for Photography and New Media, Oslo
2019 Die Anderen sind Wir – Bilder einer dissonanten Gesellschaft, Gruppe Apparat, BLMK Cottbus
2018 Un espace transformé, Goethe Institut Paris
Bauhaus-Residenz, Haus Gropius, Dessau
2017 Wings of Fantasy – New European Photography, Peking
Foam Talents, Red Hooks Labs, New York
2016 Gegenspieler, Marta Herford
2015 gute aussichten – junge deutsche fotografie, u.a. in den Deichtorhallen, Hamburg.

Weitere Informationen: www.andreagruetzner.de
Film: youtube.com