Facing Britain
mit Kurator Ralph Goertz und León Krempel
Kuratorengespräch:
Thu 14 Oct 19:30
Kunsthalle Darmstadt
Steubenplatz 1
64293 Darmstadt
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Wed-Sun 11-17
"Facing Britain"
Ausstellung: 4. September 2021 bis 9. Januar 2022
Ausstellungseröffnung: Freitag, 3. September 2021, 19 Uhr
"Facing Britain" vereint erstmals nahezu alle wichtigen Vertreter/innen der britischen Dokumentarfotografie in einer großen Überblicksausstellung außerhalb Großbritanniens. Längst vergessene oder erst in den letzten Jahren wiederentdeckte Positionen wie John Myers, Tish Murtha oder Peter Mitchell werden neben Arbeiten von Weltstars wie Martin Parr gezeigt.
Die Schau bietet neue Einblicke in die mit Kontinentaleuropa und Nordamerika verflochtenen, aber auch besonderen Entwicklungen auf dem Gebiet der Fotografie in England, Schottland, Irland und Wales. Das Dokumentarische erweist sich als eine der großen Stärken der britischen Fotografie, die einen Teil Europas im Wandel überaus facettenreich, überraschend und dabei künstlerisch originell abzubilden vermag. Als zeitliche Klammer für Facing Britain wurde daher bewusst die Spanne vom ersten Versuch Großbritanniens, Teil der Europäischen Wirtschafts- gemeinschaft zu werden, bis zum Austritt aus der Europäischen Union 1963-2020 gewählt. Die seit Jahren zunehmende, durch die Corona-Pandemie verstärkte Schwächung des öffentlichen Raums sowie die getrennten Siegeszüge von Smartphone und Überwachungskamera lassen das Jahr 2020 als eine Zäsur erscheinen.
"Facing Britain" beschreibt die verschiedenen Epochen vom Niedergang der Kohleindustrie über die Thatcher-Ära mit dem Falkland-Konflikt bis hin zum Brexit, der die Insel in zwei Lager spaltet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den von David Hurn, Tish Murtha, Daniel Meadows und Martin Parr geprägten 1970er- und 1980er-Jahren, als die künstlerische Dokumentarfotografie weltweit an Bedeutung gewann. Parr beschreibt diese Jahrzehnte als "eine prägende Zeit für die britische Fotografie, in der die Stärke der Dokumentarbewegung wirklich lebendig wurde."
Schon früh hatte Parr Kenntnis von der in den Metropolen an Rhein und Ruhr Düsseldorf, Köln und Essen propagierten Konzeptfotografie, die auch auf John Myers, Anna Fox und Paul Hill Einfluss hatte. In England galt das hierzulande weniger bekannte Werk von David Hurn, Kris Killip, John Myers oder Daniel Meadows als die fotografische Referenz. Der 1972 früh verstorbene Tony Ray-Jones galt wegen seiner direkten Straßenfotografie als britischer Garry Winogrand und Wegbereiter der zeitgenössischen Fotografie in Großbritannien.
Im Vereinigten Königreich sah man Fotografie bis in die 1980er-Jahre hinein vielfach nicht als autonome Kunstform an, während andernorts deren Anerkennung schon früh eingesetzt hatte - in den USA mit den Ausstellungen Family of Man (1955) und The Photographer’s Eye (1964) im Museum of Modern in New York. In Deutschland zeigte der Deutsche Werkbund bereits 1929 in Stuttgart mit Foto und Film eine Überblicksausstellung zu den Arbeits- und Anwendungsgebieten von Fotografie und Film. Ihren Durchbruch erlangte die Fotografie als autonome Kunstform in Deutschland allerdings erst mit Beiträgen zu der documenta 5 (1972) in Kassel.
Erst ab 1985 wurden britische Fotografe*Innen in der Photographer‘s Gallery und der Barbican Art Gallery, beide in London oder durch den British Council mit Ausstellungen gewürdigt. Lediglich einzelne Fotografen wie Tony Ray-Jones oder Peter Mitchell wurden bereits ab 1969/70 mit kleinen Einzelausstellungen bedacht. Die erste große Überblicksausstellung zur britischen Dokumentarfotografie fand erst 2007 unter dem Titel How We Are. Photographing Britain in der Tate Britain, London statt. Im Anschluss daran tourte die Ausstellung des British Council No Such Thing As Society. Photography in Britain 1967-1987 von 2008 bis 2010 durch Großbritannien, Polen und Schweden. Diese späte Ehrung bezog auch politische Inhalte und gesellschaftskritische Ansätze ein, die etwa bei Ken Grant, Tish Murtha, Homer Sykes, Paul Reas oder Anna Fox deutlich hervortreten.