Sibylle Bergemann »
Stadt Land Hund
mit Katia Reich
Kuratorenführung:
Mon 11 Jul 14:00
Berlinische Galerie
Alte Jakobstr. 124-128
10969 Berlin
+49 (0)30-78902600
bg@berlinischegalerie.de
www.berlinischegalerie.de
Wed – Mon 10 am – 6 pm
Sibylle Bergemann (1941–2010) gehört zu den bekanntesten deutschen Fotograf*innen. Über mehr als vier
Jahrzehnte schuf die Berlinerin ein außergewöhnliches Werk aus Stadt-, Mode- und Porträtaufnahmen
sowie essayistischen Reportagen. Wiederkehrende Motive sind die Stadt, Frauen und immer wieder auch
Hunde. Fernweh ist dabei wichtiger Antrieb für die fotografische Praxis weltweit: Dakar, Moskau, New
York und Paris gehörten zu ihren Zielen.
Mit einer Auswahl von über 200 Fotografien, davon 30 bisher unveröffentlicht, richtet die Ausstellung einen retrospektiven und persönlichen Blick auf das Werk von Sibylle Bergemann. Sechs Kapitel – "Unsichtbare Beobachterin", "Berlin", "Frauen", "Leningrad, Moskau, Paris, New York", "Die Welt in
Farbe" und "Zurück in Berlin" – führen thematisch und weitestgehend chronologisch durch das zwischen 1966 und 2010 entstandene OEuvre. Ein weiteres Kapitel, "Lebensorte", präsentiert neben ihren Fotografien auch Bilder von Arno Fischer, Ute Mahler, Roger Melis und Michael Weidt, die Einblick in Bergemanns private und soziale Räume geben. Hier zeigt sich die Verbundenheit zu befreundeten Fotograf*innen in Ost-Berlin und zu internationalen Kolleg*innen.
Schon mit fünfzehn Jahren möchte Sibylle Bergemann Fotografin werden. Zunächst beginnt sie 1958 jedoch eine kaufmännische Ausbildung und arbeitet in verschiedenen Betrieben als Sekretärin. Ab 1965 ist sie für die illustrierte Monatszeitschrift Das Magazin in Berlin tätig. Hier lernt sie den Fotografen und ihren späteren Lebenspartner Arno Fischer (1927–2011) kennen, der damals an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Weißensee unterrichtete. Sie wird Teil eines inspirierenden Freund*innenkreises aus Künstler*innen, Mode- und Architekturstudent*innen. Durch ihre berufliche Routine und den intensiven Austausch mit befreundeten Fotograf*innen wie Brigitte Voigt, Arno Fischer und Roger Melis stärkt sich in den 1970er Jahren ihre Position im Bereich der freien Fotografie.
Berlin ist und bleibt über Jahrzehnte hinweg ihr Thema: Sie überführt scheinbar Gegensätzliches subtil in poetische Schönheit. In der DDR setzt sie das abgerissene historische Amtsgericht in den Kontrast zur modernen Glasfassade des "Haus des Lehrers". Im wiedervereinten Deutschland hält sie den Rückbau des Palasts der Republik, einst kulturpolitisches Symbol der DDR, vor dem neobarocken Berliner
Dom fest.
Die Menschen in der Stadt fotografiert sie aus einer subjektiven Beobachtung heraus, in ihren sozialen
Milieus oder städtischen Lebenswelten. Generell versucht Bergemann, mit einer eigenen Bildsprache ihre künstlerische Autonomie jenseits des parteilich verordneten Bildkanons zu behaupten, ohne dabei Veröffentlichungsverbote zu riskieren. Sie ist auf den großen Ausstellungen wie der Porträtfotoschau der DDR (1971, 1981, 1986) und der IX. und X. Kunstausstellung der DDR (1982/83, 1987/88) vertreten. In den 1970er Jahren publiziert sie Texte und Bilder in der Zeitschrift Fotografie, die der Zentralkommission für Fotografie (ZKF) unterstellt ist. Viele ihrer Fotografien sind in liberaleren Zeitschriften wie Das Magazin, Sonntag und Sibylle veröffentlicht.
Bergemann ist unter anderem von der französischen Fotografie inspiriert, etwa von Eugène Atget und Édouard Boubat. So unternimmt sie in der DDR wiederholt Anstrengungen, nach Frankreich zu reisen. Ihr eigenes, dem Menschen zugewandtes Selbstverständnis findet sie auch in der von Edward Steichen kuratierten Wanderausstellung (1955, New York und Berlin) und dem Katalog The Family of Man wieder. Sie sieht sich darin bestätigt, dass sich die Fotografie als Berufsfeld kultur- und gesellschaftspolitisch etablieren lässt, ohne den Anspruch auf individuelle Urheberschaft aufzugeben.