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Vom Verschwinden
Sven Johne: Still Verschwinden (2020)

Sven Johne »

Vom Verschwinden

Videos und Fotografien

Exhibition: 26 Nov 2022 – 5 Mar 2023

Thu 23 Feb

Kunstsammlung im Stadtmuseum Jena

Markt 7
07743 Jena

+49 (0)3641-498260


www.kunstsammlung-jena.de

Di, Mi, Fr 10-17, Do 14-22, Sa/So 11-18

Vom Verschwinden
Sven Johne: Still Some Engels (2013)

Sven Johne
"Vom Verschwinden"
Videos und Fotografien

Ausstellung: 26. November 2022 bis 5. März 2023
Eröffnung: Freitag, 25. November, 19 Uhr

Neben politischen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Themen stellt Sven Johne immer wieder solche Fragen ins Zentrum seiner Arbeiten, die als spezifisch ostdeutsch verhandelt werden. Dabei steht nicht nur die Transformation einer Gesellschaft, das Verschwinden eines ganzen Landes und seiner kulturellen Beheimatungen, im Mittelpunkt der Werke, sondern auch zahlreiche persönliche Schicksale. Sven Johne betreibt Feldforschung in verminten Geländen und dreht fiktionale Reportagen, die den „Osten“ als eine Art Modellregion vorstellen. Dieser hat zwar die Feuertaufe einer Transformation durchlebt, konnte hieraus aber kein neues, eigenes Selbstbewusstsein entwickeln. Strukturwandel, Privatisierung, Rechtsruck und die völlige Abmeldung von jeder Form politischer Teilhabe sind die Marker für aus den Fugen geratene Biografien, die sich auch in den folgenden Generationen nur schwer wieder einfangen lassen.

Die Filme von Sven Johne sind direkt, sparsam im Einsatz der Mittel und dennoch – oder gerade deshalb – von einer poetischen Kraft, die Worten und Bildern Raum geben, ideologischen Freiraum. Hier wird kein Kino steriler Muster abgedreht, Texte und Bilder pflegen ein unorthodoxes Miteinander und angesichts der Themen bleiben auch die Inhalte erstaunlich offen. Johne ist zutiefst politisch, aber zugleich so romantisch, das er die dystopischen Verspannungen der Gegenwart erträgt. Er zählt auch zu jenen (wenigen) Künstlern, bei denen die Präzision der Poesie nicht im Wege steht, sondern ein Treibmittel derselben ist. Das generiert so viel Originalität und künstlerischen Eigensinn, dass er der neuen Konjunktur politischer Kunst glücklich entkommt.

Die aktuelle Ausstellung ist – neben der umfangreichen fotografischen Folge "Following the Circus" (2011) – den Filmen des Künstlers gewidmet. Gezeigt werden neun Filme, unter denen "Elmenhorst" (2006) der älteste und "Vom Verschwinden" (2022) der neueste ist. "Elmenhorst" ist ein Film ohne Worte. Vater und Sohn gehen am Strand der Ostsee spazieren, es herrscht eine graue Ereignislosigkeit, bis der Sohn aufs Wasser schießt. Früher einmal versuchten Menschen übers Meer zu fliehen und auch da wurde geschossen.

Der 2020 fertig gestellte Film "Meridian" erzählt die Geschichte eines Vaters, der seine Familie verlassen hat und auch nach der Wende nichts mehr mit dem Sohn zu tun haben will. Der Betrachter folgt dem jungen Mann von Berlin nach Istanbul, auf einer Reise, die durch Ängste, Verluste und gebrochene Beziehungen führt und trotz der vielen gefahrenen Kilometer letztlich ganz nah, im Privaten, endet.

Vom Verschwinden
Sven Johne: Still Elmenhorst (2006)

Der Film "Das Haus" (2019) folgt einer Episode, die Anja, dem Erzähler berichtet hat. Sie schildert ihre Zeit als junge Erwachsene, als sie zusammen mit Freunden Demonstrationen organisiert und sich 1989 für eine „sozialistischen Demokratie“ eingesetzt hat. Ihre Ideen sind im Prozess der Wiedervereinigung unberücksichtigt geblieben. Das Haus der Großeltern, in dem sie aufwuchs, wurde an die Alteigentümer aus dem Westen zurückgegeben, die es anschließend verkauften. Heute steht an dieser Stelle ein Restpostenmarkt.

"Vom Verschwinden" spielt am Sehnsuchtsort der deutschen Romantik, an den Kreidefelsen von Rügen. Im Film überlappt sich die Familiengeschichte des Künstlers nicht nur mit den Tragödien des 20. Jahrhunderts, sondern auch mit ökologischen und ontologischen Überlegungen. Vor der Kulisse der nahenden Klimakatastrophe entwirft Johne ein ganzheitliches Denk- und Weltwahrnehmungssystem, welches ein in jeder Hinsicht anderes Leben einfordert.

Viele Künstlerinnen und Künstler reflektieren den Zustand der Welt, untersuchen soziale Spannungen und spüren wechselnden Identitäten und deren Ursachen hinterher. Auch Sven Johne ist nicht frei davon und reflektiert die dramatischen Veränderungen, vor denen wir stehen. Die Art der Umsetzung, seine „Bildproduktion“ hat den Stand persönlicher Betroffenheit und nicht bewältigter Ohnmacht überwunden und in eine Form poetischer Präzision umgelegt, deren Tiefe sich aus dem produktiven Miteinander von Sehen und Fühlen speist. In genau dieser Hinsicht zählt Johne zu jenen, die mit einer originären Bildsprache die Umbrüche unserer Zeit verfolgen und in einer einzigartigen Weise umsetzen.

Sven Johne ist 1976 in Bergen auf Rügen geboren und aufgewachsen. Von 1998 bis 2006 hat er Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Timm Rautert studiert. Er lebt und arbeitet heute in Berlin. Ausstellungen, Preise und seine Präsenz in wichtigen Sammlungen weisen Johne längst einen bedeutenden Platz im nationalen Kunstraum zu, international war er bisher in Italien, Belgien, Niederlande und Luxemburg künstlerisch aktiv. Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen und Stipendien wurde Sven Johne 2016 mit dem Kunstpreis der Akademie der Künste (Berlin) geehrt, 2019 hat er ein Stipendium der Stiftung Kunstfonds (Bonn) erhalten und 2012 war er Stipendiat der E.ON-Stiftung (Essen).

Vom Verschwinden
Sven Johne: Still Sense of Warmth (2015)
Vom Verschwinden
Sven Johne: Still MERIDIAN (2020)