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Traum und Wirklichkeit
© Miriam Tölke 'ray', 2020

Miriam Tölke »

Traum und Wirklichkeit

Exhibition: 26 Nov 2022 – 10 Feb 2023

Johanna Breede PHOTOKUNST

Fasanenstr. 69
10719 Berlin

+49 (0)30-88913590


www.johanna-breede.com

Tue-Fri 11-17, Sat 11-14

Traum und Wirklichkeit
© Miriam Tölke 'Foundling', 2021

Miriam Tölke
"Dream and Reality"


Exhibition: 26 November 2022 - 10 February 2023
Opening: Saturday, 26 November, 12 - 3pm

What is so special about the visual practice of photography? Photography is a late and still young member of the family of arts. Although art, graphic art, from the very beginning people have had a more intimate, life-like, unbiased relationship with it than with the traditional arts. With photography, its users have been less respectful from the beginning. Thousands of years of depiction and transformation of reality on stone and in stone, on parchment and canvas and paper, in bronze and wax and plaster, precede the mere 150 years of photography as an enormous monument.

A stroke of genius of modern sciences, optics and chemistry, has made the camera obscura the stage of a theater of humanity. After its invention in 1839, photography was immediately recognized as a revolution, after which nothing would be as it had been in the relationship of man to his and the world's image, and it is highly symbolic that the French state, then the most modern in the world, made Louis Daguerre's discovery a gift to mankind. And as if the new method was not revolution enough, already a few decades after the invention of photography, another revolutionary element appears in the handling of the novel images: The principle of collage, an achievement of classical modernism, appeared very early in the environment of photography.

Seen precisely, it is a creative destruction. The surrealists recognized the tremendous possibilities for intoxicating games with optical expectations offered by playing with elements of reality taken out of context. When we look at the early collages of the 1920s, the perspectives tumble, the spaces quake, the relations dance. Collage makes it possible to play with previously undreamed-of adjacencies, superimpositions, and confrontations. And the spaces that can be discovered are almost infinite, whether polemical, ironic or poetic.

The fascination with the infinite possibilities of association, combination and confrontation of collage, the play with the diverse materialities of the source material has - fortunately! - since the heyday of collage in classical modernism. The principle of collage is timeless. Miriam Tölke's multi-layered collages also have the dream quality of the young Surrealism; they are playing fields of a calculated montage technique that immediately relativizes any viewer confidence in the image and the quotation of reality by the next layer. Good pictures are characterized by the fact that the longer one looks at them, the more layers of meaning they reveal. In modernism, this includes not least the theme of "art about art.

In Miriam Tölke's collages, on closer inspection, one would find cinematographic traces, cross-fading, for example, even in a double, ironic cross-fade that quotes a René Magritte invention. One would find the dialogue between the flawlessness of fashion photography, which idealizes the female face or the female body in a classicist way, with the objet trouvé -enthusiasm for "rough", abstract structures. One would find in the same picture the abrupt change of perspective from the close-up, which preserves so little distance that only fragments remain recognizable of the face, with the view into the distant sky, where a bird is circling. And next to the obvious optical charms we would find the grab bag of cultural allusions. It would be delightful to trace Miriam Tölke's simultaneous music with the poetological instruments that literary studies have developed to decipher "poetry pure," that sibling art of collage created by the avant-garde lyricists in the dawn of 20th century modernism.

But even more beautiful than the analytical understanding of what Miriam Tölke actually "does" is to entrust oneself to the magic of the works of art. Their meaning emerges in the viewer's mind as an amalgam of images burned in long ago with the new ones Miriam Tölke brings us. And because we are also what we have seen, so it goes: So many viewers, so many different images, even if we all look at the same collage.

Christoph Stölzl

Traum und Wirklichkeit
© Miriam Tölke 'Ast', 2022

Miriam Tölke
"Traum und Wirklichkeit"


Ausstellung: 26. November 2022 bis 10. Februar 2023
Eröffnung: Samstag, 26. November, 12 - 15 Uhr

Was ist das ganz Besondere an der bildnerischen Praxis Photographie? Die Photographie ist ein spätes und immer noch junges Familienmitglied der Künste. Obwohl Kunst, graphische Kunst, haben die Menschen mit ihr von Anfang an ein intimeres, lebenshaltigeres, unbefangeneres Verhältnis gehabt als mit den traditionellen Künsten. Mit der Photographie sind ihre Nutzer von Anfang an weniger respektvoll umgegangen. Tausende von Jahren der Abbildung und Realitätsverwandlung auf Stein und in Stein, auf Pergament und Leinwand und Papier, in Bronze und Wachs und Gips stehen als gewaltiges Monument den gerade einmal 150 Jahre der Photographie voran. Ein Geniestreich der modernen Wissenschaften, der Optik und der Chemie, hat die Camera Obscura zur Bühne eines Menschheitstheaters gemacht. Photographie ist nach ihrer Erfindung 1839 sofort erkannt worden als Revolution, nach der nichts mehr sein würde, wie es gewesen war im Verhältnis des Menschen zu seinem und der Welt Abbild, und hochsymbolisch ist es, daß der französische Staat, damals der modernste der Welt, Louis Daguerres Entdeckung der Menschheit zum Geschenk gemacht hat.

Und als sei die neue Methode nicht Revolution genug, erscheint schon ein paar Jahrzehnte nach der Erfindung der Photographie eine weiteres revolutionäres Element im Umgang mit den neuartigen Bildern: Das Prinzip Collage, eine Errungenschaft der klassischen Moderne, ist sehr früh im Umfeld der Photographie aufgetaucht. Genau betrachtet ist sie eine schöpferische Zerstörung. Die Surrealisten erkannten die ungeheuren Möglichkeiten zu rauschhaften Spielen mit den optischen Erwartungen, die das Spiel mit aus dem Zusammenhang gerissenen Wirklichkeitselementen anbot. Wenn wir die frühen Collagen der 20-iger Jahre anschauen, dann stürzen die Perspektiven, beben die Räume, tanzen die Verhältnisse. Collage ermöglicht das Spiel mit bisher ungeahnten Nachbarschaften, Überlagerungen und Konfrontationen. Und schier unendlich sind die Räume, die da entdeckt werden können, ob polemisch, ironisch oder poetisch. An der Faszination durch die unendlichen Assoziations-, Kombinations- und Konfrontationschancen der Collage, an dem Spiel mit den diversen Materialitäten des Ausgangsmaterials hat sich - glücklicherweise! - seit der Hochblüte der Collage in der klassischen Moderne nichts geändert.

Das Prinzip Collage ist zeitlos. Auch die mehrschichtigen Collagen Miriam Tölkes haben die Traum-Qualität des jungen Surrealismus, sie sind Spielfelder einer kalkulierten Montagetechnik, die jedes Betrachter-Vertrauen in Abbild und Wirklichkeitszitat sofort relativiert durch die nächste Schicht. Gute Bilder zeichnen sich dadurch aus, dass sie, je länger man sie anblickt, immer mehr Sinnschichten offenbaren. Dazu gehört in der Moderne nicht zuletzt das Thema "Kunst über Kunst". In Miriam Tölkes Collagen fände man bei genauerem Hinsehen kinematographische Spuren, das Überblenden etwa, sogar in einer doppelten, ironischen Überblendung, die eine Erfindung René Magrittes zitiert. Man fände den Dialog zwischen der Makellosigkeit der Modephotographie, die das weibliche Antlitz oder den Frauenkörper klassizistisch idealisiert, mit dem objet trouvé - Begeisterung für "raue", abstrakte Strukturen. Man fände auf dem gleichen Bild den abrupten Perspektivenwechsel von der Nahaufnahme, die so wenig Distanz wahrt, dass vom Gesicht nur noch Fragmente erkennbar bleiben, mit dem Blick in den fernen Himmel, wo ein Vogel kreist. Und neben den offenkundigen optischen Reizen fänden wir die Wundertüte der kulturellen Anspielungen. Es wäre reizvoll, der Simultan-Musik Miriam Tölkes mit jenem poetologischen Instrumentarium auf die Spur zu kommen, das die Literaturwissenschaften zur Entschlüsselung der "Poesie pure" entwickelt haben, jener Geschwisterkunst der Collage, geschaffen von den avantgardistischen Lyrikern in der Morgenröte der Moderne des 20. Jahrhunderts.

Aber noch schöner als das analytische Verstehen dessen, was Miriam Tölke eigentlich "macht", ist es, sich dem Zauber der Kunstwerke anzuvertrauen. Ihre Bedeutung entsteht im Kopf der Betrachter als Amalgam von längst eingebrannten Bildern mit den neuen, die uns Miriam Tölke mitbringt. Und weil wir auch sind, was wir gesehen haben, so gilt: Soviel Betrachter, soviel verschiedene Bilder, auch wenn wir alle auf dieselbe Collage blicken.

Christoph Stölzl

Traum und Wirklichkeit
© Miriam Tölke 'Curve', 2022
Traum und Wirklichkeit
© Miriam Tölke 'Herbst', 2020