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Deponie
Tobias Kruse
#023, 2019
From the series: DEPONIE Fine Art Pigment Print auf Hahnemühle Baryta
aufgezogen auf Alu Dibond in Schattenfugenrahmen
30 x 40 cm, 2 Ex. + 1 AP
60 x 80 cm, 2 Ex. + 1 AP

Deponie

Thomas Gust » Tobias Kruse »

Artist Talk:

Sat 17 Dec 17:00

ARTCO Berlin

Frobenstr. 1
10783 Berlin

+ 49 (0)30 -64468090


www.artco-gallery.com

Wed-Sat 12-19

Tobias Kruse
"DEPONIE"


Ausstellung: 16. Dezember 2022 bis 28. Januar 2023
Eröffnung: Donnerstag, 15. Dezember, 18 Uhr

Künstlergespräch: Samstag, 17. Dezember, 17 Uhr Tobias Kruse spricht mit dem Fotografen, Dozenten und Kurator Thomas Gust mit anschließendem Booksigning

Für seine Arbeit "Deponie" begab sich Tobias Kruse auf die Suche nach den Spuren und Narben einer Zeit, die bis heute ihre Schatten auf die Gegenwart wirft: die Jahre nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland. Eine wilde Zeit, die reich an Möglichkeiten war, für viele aber auch Enttäuschung, Wut und Verbitterung brachte. 30 Jahre nach dem Mauerfall fuhr der Fotograf und gebürtige Mecklenburger 8.000 Kilometer durch den Osten Deutschlands. Er reiste durch leere Landstriche und Dörfer, in volle Fußball-Stadien und zu nächtlichen Demonstrationen. Er fotografierte Phänomene, die ebenso historisch wie gegenwärtig sein können und besuchte Orte, die ins kollektive Gedächtnis eingegangen sind.

Ausgangspunkt war die Deponie Ihlenberg in der Nähe von Schwerin, wo der Fotograf aufwuchs und die frühen neunziger Jahre als Jugendlicher miterlebte. In den achtziger Jahren wurde auf der Müllkippe – damals noch VEB Deponie Schönberg – Sondermüll aus Westeuropa entsorgt. Der Osten bekam Devisen, der Westen konnte billig seinen Abfall woanders abladen. Auch damals schon war die Situation, waren die Schäden für Mensch und Umwelt verheerend – die Errichtung der Deponie erfolgte auf Beschluss des Politbüros und war auch nach DDR-Recht illegal. Es gab keine ernsthaften Umweltauflagen und Kontrollen, und so wurde Schönberg schnell zur größten Giftmülldeponie Europas.

Nach dem Mauerfall folgte das übliche Prozedere nach dem westdeutschen Drehbuch der Wiedervereinigung: Übernahme des volkseigenen Betriebs durch die Treuhand, kosmetische Sanierung, schließlich teurer Verkauf. Die Menschen vor Ort wurden zu Statisten in ihrem neuen Leben degradiert, die Deponie wurde begrünt. Die 17 Millionen Tonnen Giftmüll jedoch liegen noch heute unter der blühenden Landschaft. Und genauso ist zwar der konkrete Ort im Lauf der Zeit aus der Arbeit Deponie verschwunden, geblieben ist neben dem Namen aber die unheilvolle Grundstimmung.

Aus dieser Zeit, die im Osten auf die beiden deutschen Diktaturen folgte, rührt vielleicht nicht nur die Narbe auf dem kahlrasierten Schädel, sondern möglicherweise auch der Argwohn gegenüber staatlichen Organen und Entscheidungen wie auch die diffuse Wut, die heute in den Schläfen aufgebrachter Ostdeutscher pocht. Die Unsicherheit und der Kontrollverlust finden heute ihren Widerhall in den Echokammern der Neuen Rechten. Sein Unbehagen damit hat Tobias Kruse auf seinen Reisen herausgefiltert und in seinen Schwarz-Weiß-Fotografien verstärkt. Sie wirken wie ein Scharnier zwischen Vergangenheit und Gegenwart und lassen erahnen, wie tief die Wunden sitzen – und dass eine Heilung in weiter Ferne liegt. Seine dunklen Bilder hinterlassen schließlich selbst ein düsteres, ergreifendes Unbehagen.

Laura Benz

Die Arbeit entstand in den Jahren 2019 und 2020 im Rahmen des recommended Olympus Fellowship Programms und wurde im Haus der Photographie der Deichtorhallen in Hamburg, dem Fotografie Forum Frankfurt und im FOAM Amsterdam ausgestellt. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog bei spectorbooks.

Tobias Kruse wurde 1979 in Waren an der Müritz geboren und wuchs in Schwerin auf. Er studierte bei Prof. Ute Mahler an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin und besuchte dort die Meisterklasse von Prof. Arno Fischer. Er ist seit 2011 Mitglied der Agentur Ostkreuz. Kruse arbeitet weltweit an persönlichen Projekten sowie für Medien und Institutionen. Seine Bilder wurden in Büchern bei Hatje Cantz, Hartmann Books, Kerber, spectorbooks und Steidl veröffentlicht. Er lebt und arbeitet in Berlin. countryside and rural villages to packed football stadiums and nighttime demonstrations – phenomena that are as much historical as they are contemporary in their integral space in Germany’s collective memory.

Kruse began his journey in Ihlenberg landfill (Deponie), near Schwerin, where he grew up, experiencing the early nineties as a teenager. A decade previously, in the eighties, hazardous waste from Western Europe was routinely disposed of in this landfill - known as VEB Deponie Schönberg - a publicly owned enterprise. The East was the recipient of foreign currency that allowed the West to dump its waste cheaply elsewhere. Even then, the damage to local people and the environment was devastating - the construction of the landfill was based on a decision by the Politburo (government) and was also illegal under GDR law. There were no serious environmental regulations or controls at the time, and as a result Schönberg quickly became the largest toxic waste dump in Europe.

After the fall of the Wall, the conventional procedure of West Germany’s script of reunification followed: takeover of the former public property for cosmetic rehabilitation by the state and finally a highly expensive sale. Local people were reduced to background actors in their new lives, and the landfill was greened; the 17 million tons of toxic waste, however, still lies beneath this seemingly flourishing landscape. And in the same way, although the specific location has disappeared over time, what has remained, along with the name Deponie, is the ominous mood. The scar embedded in the shaved head is not the only relict to come from a period which followed two German dictatorships in the East, but also the suspicion of state organizations and decisions, as well as a residual anger that continues to throb in the temples of East Germans today. The insecurity and loss of control are echoed sadly in our current time, boldly reimagined in the echo chambers of the New Right. Tobias Kruse has filtered out his discomfort with this during his travels and amplified it in his black-and-white photographs. They act as a hinge between the past and present, expressive of how deep the wounds still run – a yearning for healing that still feels a long way off. In the end, his dark images leave a sombre and poignant uneasiness, one for the viewer to reflect on and sit with far beyond the gallery space. (Laura Benz)

The series was created in 2019 and 2020 as part of the recommended Olympus Fellowship program and has been exhibited at the Haus der Photographie of the Deichtorhallen in Hamburg, the Fotografie Forum Frankfurt, and FOAM Amsterdam. The exhibition will be accompanied by a catalogue published by spectorbooks.

Tobias Kruse was born in Waren/Müritz in 1979 and grew up in Schwerin. He studied with Prof. Ute Mahler at the Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin and attended Prof. Arno Fischer's master class there. Kruse has been a member of the Ostkreuz agency since 2011 and works internationally. Kruse’s images have been published in books by Hatje Cantz, Hartmann Books, Kerber, spectorbooks and Steidl. Kruse lives and works in Berlin.