Hier können Sie die Auswahl einschränken.
Wählen Sie einfach die verschiedenen Kriterien aus.

eNews

X





Photographers
Birgit Kleber: Nan Goldin, 1992

Birgit Kleber »

Photographers

Buchpräsentation:

Sat 18 Feb 15:00

Helmut Newton Foundation

Jebensstr. 2
10623 Berlin

+49 (0)30-31864856


www.helmutnewton.com

Tue-Sun 11-19, Thu 11-20

Photographers
©

Birgit Kleber
"Photographers"


Buchvorstellung: Samstag, 18. Februar 2023

Seit über 30 Jahren arbeitet die renommierte Porträtfotografin Birgit Kleber an diesem Projekt: Sie porträtiert ihre Fotografenkolleg:innen in beeindruckend charakterisierenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen. So ist eine Arbeit von mehr als 100 ausdrucksstarken Bildern entstanden, von der Matthias Harder, Direktor der Helmut Newton Stiftung, im Vorwort zur Publikation schreibt, dass es „keine vergleichbar systematische Werkgruppe wie die ‚Photographers‘ von Birgit Kleber“ gibt. Unter ihnen befinden sich u. a. Sophie Calle, Nan Goldin, Peter Lindbergh, Sebastião Salgado, Cindy Sherman und Wolfgang Tillmans.

Birgit Kleber lebt in Berlin. Ihre Fotos befinden sich in zahlreiche Sammlungen und wurden in über 30 Einzelausstellungen gezeigt. Sie erhielt eine Reihe von Stipendien, so auch das Auslandsstipendium des Berliner Senats für Moskau.

Jedes Porträt ist immer eine bloße Momentaufnahme, eine Zustandsbeschreibung, die im nächsten Moment mitunter ganz anders ausfallen würde. Doch was ist der Hauptausdrucksträger im Gesicht eines Menschen? Allein die Augen, wie manche sicherlich spontan antworten würden, oder doch eher das Zusammenspiel verschiedener gleichberechtigter Faktoren inklusive des Mienenspiels? Der Charakter eines Menschen, sagt man, schreibt sich ab einem bestimmten Alter in dessen Physiognomie ein. Doch ganz so einfach ist es nicht, im Porträt muss der wahre Kern erst vorsichtig und möglichst empathisch freigeschält werden, und das gelingt Birgit Kleber immer wieder aufs Neue.

So unterschiedlich der Ausdruck der hier versammelten Menschen ist, eines eint sie: ihr Beruf. Natürlich gibt es zahlreiche andere Fotografen und Fotografinnen, die ihre Kollegen und Kolleginnen porträtieren, von László Moholy-Nagy und Marianne Breslauer bis Sheila Metzner und Helmut Newton. Es gibt allerdings keine vergleichbar systematische Werkgruppe wie die "Photographers" von Birgit Kleber. Ihre Porträts, allesamt in Schwarz-Weiß und einer ungewöhnlichen Aufnahmetechnik folgend, entstanden über den Zeitraum von 30 Jahren, begonnen hatte es mit einem Porträt von Nan Goldin, das damals auch im Berliner Tagesspiegel veröffentlicht wurde – und das Projekt ist noch immer nicht abgeschlossen. Die aktuelle Publikation, erschienen bei Kehrer, ersetzt gewissermaßen eine kleinere, vergriffene Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2011 mit seinerzeit 50 Porträts, inzwischen hat sich die Anzahl mehr als verdoppelt.

Da Birgit Kleber auf jede Bewegungsunschärfe verzichtet, ist auch die kleinste menschliche Regung und Emotion mimetisch in den fotografischen Abzug eingeschrieben. So sind ungewohnte Blicke ins Gesicht möglich, länger als üblich, dieses ist fast bildfüllend wiedergegeben, fast alle Falten und Poren, jedes Barthaar und jede operative Gesichtsstraffung werden sichtbar, wobei der größte Schärfebereich von Klebers Kamera stets auf das Augenpaar ausgerichtet ist. Die Nasenspitze und die Ohren verlieren sich schon wieder in leichter Unschärfe, vor allem jedoch der Hals und der Übergang zur Kleidung. Stirn, Wangen, Lippen und Kinn, die sich meist auf der gleichen Schärfenebene wie die Augen befinden, offenbaren über die Alterungsspuren der Haut das bereits gelebte Leben, prägende Erfahrungen, negative wie positive, schließlich die persönliche Einstellung zur eigenen Existenz.

Photographers
Birgit Kleber: James Nachtwey, 2000

Mal korrespondiert der emotionale Ausdruck der Augen, etwa Skepsis, Achtsamkeit oder ein gewisser Schalk, mit dem Rest des Gesichts, mal wirken aufeinandergepresste Lippen unsicher und unsinnlich, während die Augen gleichzeitig paradoxerweise mit dem Gegenüber zu flirten scheinen. Man kann sich vor Klebers Kamera nicht verstellen, jedes dieser Porträts trägt auch einen psychologischen Aspekt in sich, die Fotografin lässt hier en passant die Masken fallen. Doch alle Porträtierten lassen sich auf dieses Spiel ein, auf dieses Geben und Nehmen zweier Gleichberechtigter, alle setzen sich Birgit Kleber und ihrem Blick aus, wie sie es bei der eigenen Arbeit wiederum von anderen erwarten.

Automatisch verbinden wir mit dem konkreten Gesicht und seinen Augen auch Rückschlüsse darauf, wie der Kollege oder die Kollegin die Welt sieht und auf seine oder ihre individuelle Art in ein Bild verwandelt. Das kommt einer ungeheuerlichen Kontext- und Perspektiverweiterung gleich. Wir schauen insofern nicht nur in ein Gesicht, wir sehen – vor dem inneren Auge – noch viel mehr, nämlich das eigene Werk des oder der Porträtierten, das schlaglichtartig aufblitzt. Dem einen oder der anderen sind wir vielleicht schon persönlich begegnet, und wir können dennoch behaupten, so haben wir ihn oder sie noch nie gesehen; andere wiederum lernen wir durch diese Publikation gleichsam zum ersten Mal kennen. Oder es ist eine ganz andere Wiederbegegnung, etwa wenn jemand während des Langzeitprojektes verstorben ist, wie Robert Lebeck, Saul Leiter, Peter Lindbergh, Will McBride, Michael Schmidt oder Sibylle Bergemann; dieses Wiedersehen kann uns traurig stimmen, vielleicht aber auch trösten, denn zumindest dieses eine ausdrucksstarke Bild bleibt von diesen kreativen Geistern, während ihr Werk bereits abgeschlossen ist.

Birgit Kleber setzt auf die Kraft des unikatären Moments, sie macht uns zu Zeitzeugen, und das sehr überzeugend. Sie vermag es, dem Image eines Menschen einen neuen Aspekt hinzuzufügen, wie eine Regisseurin und Dramaturgin in Personalunion. So macht sie keine Repräsentationsporträts, sie verwandelt Menschen in Charaktere.

Matthias Harder

Photographers
Birgit Kleber: Shirin Neshat, 2005
Photographers
Birgit Kleber: Wolfgang Tillmans, 2017
Photographers
Birgit Kleber: Cindy Sherman, 2007