Michaela Moscouw »
Present Absent
Anwesend Abwesend
Exhibition: 10 Feb – 14 May 2023
Thu 9 Feb
Michaela Moscouw
"Present Absent"
Exhibition: 10 February ‐ 14 May 2023
How does one write about someone who is absent? Someone whose work is present only in a fragmentary sort of way, because destroying it was part of the artistic process? We have not heard much recently about the photographer Michaela Moscouw (b. 1961). She has turned her back on the art market and lives in seclusion in Vienna. She is not available for interviews. Exhibitions are held without her. And yet her works, the result of incessant image production across the decades, have nevertheless survived in a few public and private collections.
"A day in which I don’t in some way find myself in front of the camera, that’s like a day that’s not documented and is wasted," Moscouw said as recently as 2001, talking to Joerg Burger in the film Moscouw. By then the artist, at the time forty years old, had already spent twenty years circling with uncompromising and excessive zeal, and with memorable results, around such themes as self-dramatization, self-image, self-exposure, and self-extinction—in the process also destroying large parts of her work. In the early 1980s, she completely eradicated all the early abstract works she had made during and after her graphic studies at the Höhere Grafische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Vienna. She captured the process on camera, ushering in her shift to the medium of photography.
In her early phase as a photographer, she made mostly black-and-white images. The object of her interest here is her own body—as material and carrier of meaning in her art. The collage Lapislazuli, der goldene Löwe (Lapis Lazuli, the Golden Lion, 1984), for example, deals with themes such as beauty and female identity. By manipulating the image, she inscribed a second level into the work after the fact, revealing her proximity to Viennese Actionism.
Moscouw’s whole complex thematic cosmos unfolds in the large-format, static black-and-white photographs she staged in the early 1990s as individual conceptual images. With the help of clothing, accessories, and fetishes, she assumes different roles, embodying power and dominance or flirting with clichés, such as in the series Für Verwöhnte (For the Pampered, 1991), carrying on the tradition of artists such as Cindy Sherman and Francesca Woodman.
Her obsessive self-reflection becomes amply evident when she stages herself in the same pose forty times, repeatedly leaving the setting to activate her self-timer and then stepping in front of the camera to assume the same pose and gestures over and over again.
In Gusswerk (1989), her body becomes an object that is kaleidoscopically assembled into a pattern that can be altered. With a false nose as ersatz penis, she questions her womanhood and negotiates the binary gender order as a dual construct, long before the topic had arrived at the center of social debate.
When the sheltered space of her own apartment became too small for Moscouw in the mid-1990s, she carried her photographic staging out into public space. Taking off on her bicycle in full costume and with all of her photographic equipment in tow, she sought out abandoned places to serve as settings, for example in the series Bonsai (1997).
In the 2000s, Moscouw then switched to color photography and also adopted a new visual language, dispensing with elaborate costumes and staging and letting chance play more of a role. Now, the process of staging herself photographically came to seem almost cinematic. She included all images, even the blurred ones, in her series, now in a smaller format. She packs up and seals these series, each consisting of some 200 pictures, and gives them the humorous titles she is known for, such as Die lieben Tiere (The Dear Animals, 2004), Viagra (2001), Tee oder Kaffee (Tea or Coffee, 2004), Bosch (2003), and Bauknecht (2002).
Moscouw’s strong drive to constantly produce images has always quite obviously been a search for herself. She has shown little interest in dealing with those around her and with the art world. Instead, with obsessive determination, she has ultimately chosen to withdraw and repudiate. Engaging with her work means searching for the traces she has left behind—by turns fascinating, touching, and irritating traces of an extraordinary artist and personality.
Michaela Moscouw
"Anwesend Abwesend"
Ausstellung: 10. Februar bis 14. Mai 2023
Bereits seit einigen Jahren ist es still geworden um die Fotografin Michaela Moscouw (geb. 1961). Sie hat sich vom Kunstmarkt abgewandt und lebt zurückgezogen in Wien. Ausstellungseröffnungen finden ohne sie statt. Ihre Arbeiten, Ergebnis unentwegter, jahrzehntelanger Bildproduktion haben sich dennoch in einigen öffentlichen und privaten Sammlungen erhalten. Die Ausstellung im Francisco Carolinum Linz versammelt ihr gerettetes Erbe und gibt Einblick in ihr Werk.
"Also ein Tag, an dem ich mich nicht vor der Kamera in irgendeiner Form bewege oder befinde, das ist wie ein Tag, der nicht festgehalten wurde und der umsonst ist", sagte Michaela Moscouw 2001 im Gespräch mit Joerg Burger im Film Moscouw. Da hatte die damals 40-jährige Künstlerin bereits 20 Jahre kompromisslos, exzessiv und einprägsam Themen wie Selbstinszenierung, Selbstverständnis, Selbstentblößung und Selbstauslöschung umkreist – und große Teile ihres Werks zerstört: Alle ihre frühen abstrakten Arbeiten, die während und nach ihrer Ausbildung zur Grafikerin an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien entstanden sind, hat sie Anfang der 1980er-Jahre vollständig zerstört. Ein Prozess, den sie mit der Kamera festgehalten und der ihren Wechsel zum Medium der Fotografie eingeleitet hat.
In ihrer Anfangsphase als Fotografin fokussiert sie sich auf Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Gegenstand ihres Interesses ist der eigene Körper – als Material und Bedeutungsträger ihrer Kunst. Die Collage Lapislazuli, der goldene Löwe (1984) etwa verhandelt Themen wie Schönheit und weibliche Identität. Eine Arbeit, der sie nachträglich durch Bildmanipulation eine zweite Ebene einschreibt und die ihre Nähe zum Wiener Aktionismus spürbar macht.
Die kritische Darstellung konservativer weiblicher Rollenzuschreibungen wie Schwangerschaft, Mutterschaft oder Frausein ist auch thematischer Inhalt vom Besuch der Taube (1989/2004).
In großformatigen, statischen Schwarz-Weiß-Inszenierungen, die in den frühen 1990er-Jahren als konzeptionelle Einzelbilder entstehen, entfaltet sich der Kosmos ihrer komplexen Themenwelt. Mithilfe von Kleidung, Accessoires und Fetischen schlüpft sie in verschiedene Rollen, verkörpert Macht und Dominanz oder spielt mit Klischees wie in der Serie Für Verwöhnte (1991). So steht Michaela Moscouw in der Tradition von Künstlerinnen wie Cindy Sherman, Francesca Woodman, Renate Bertlmann, Friederike Pezold oder Valie Export.
Ihre obsessive Selbstbespiegelung wird deutlich, wenn sie sich 40-mal in der gleichen Pose inszeniert, indem sie immer wieder das Setting verlässt, um den Selbstauslöser zu aktivieren und in der immer gleichen Körperhaltung und Gestik vor die Kamera zu treten.
In Gusswerk (1989) wird ihr Körper zum Objekt, der sich kaleidoskopartig zu einem Muster zusammenfügt und verändert werden kann. Mit der von ihr eingesetzten Pappnase als Penisersatz hinterfragt sie ihr Frausein und verhandelt, lange bevor das Thema im Zentrum der gesellschaftlichen Diskussionen angekommen ist, die binäre Geschlechterordnung als duales Konstrukt.
Als Moscouw Mitte der 1990er-Jahre der geschützte Raum ihrer eigenen Wohnung zu klein wird, setzt sie ihre Inszenierungen im öffentlichen Raum fort. Mit dem Fahrrad und ihrer gesamten Fotoausrüstung im Gepäck macht sie sich auf die Suche nach verlassenen Orten für ihre Settings wie in der Serie Bonsai (1997).
Ab Ende der 1990er-Jahre schuf sie die Fotogramm Serien. Dabei hat Moscouw Kleidung auf ein Fotopapier drapiert, als würde sie selbst darauf liegen. Während der Belichtungszeit ging die Künstlerin weg, um zu lesen – sie spielt hier also 2 Rollen, ist an- und abwesend.
Ab den 2000er-Jahren wechselt die Künstlerin zur Farbfotografie und verändert auch ihre Bildsprache. Sie verzichtet auf aufwendige Kostüme und Inszenierungen, der Zufall spielt eine größere Rolle, der Prozess des sich selbst fotografisch In-Szene-Setzens wirkt fast filmisch. Alle Bilder, auch die unscharfen, sind Teil der Serien, die nun auch im Format kleiner werden. Diese aus rund 200 Bildern bestehenden Serien verpackt und versiegelt Moscouw und gibt ihnen charakteristisch-humorvolle Titel wie Die lieben Tiere (2004), Viagra (2001), Tee oder Kaffee (2004), Bosch (2003) oder Bauknecht (2002).
Die Werke in der Ausstellung enden mit 2004. Es sind natürlich auch nachher noch Arbeiten von Michaela Moscouw entstanden wie zum Beispiel eine sehr schöne skulpturale Arbeit aus der Serie Fledermäuse (2012). Für eine Werkschau in der Fotogalerie Wien 2019 hat sie große runde Collagen, sogenannte Pizzen, produziert. Ab 2013 entstehen auch Videoarbeiten.
Moscouws Antrieb, permanent Bilder zu produzieren, war immer ganz offensichtlich die Suche nach dem eigenen selbst. Die Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt und dem Kunstbetrieb hat sie wenig interessiert. Mit obsessiver Konsequenz hat Michaela Moscouw letztendlich entschieden, sich zu entziehen und zu verweigern. Eine Auseinandersetzung mit ihrem Werk gleicht einer Spurensuche – denn Spuren hat sie hinterlassen. Es sind faszinierende, berührende und irritierende Spuren einer außergewöhnlichen Künstlerin und Persönlichkeit.