Ragnar Axelsson »
Where the world is melting
mit Antje Boetius
Artist Talk:
Wed 24 May 18:30
Halle für aktuelle Kunst / Deichtorhallen
Deichtorstr. 1-2
20095 Hamburg
+49 (0)40-321030
mail@deichtorhallen.de
www.deichtorhallen.de
Tue-Sun 11-18
Der isländische Fotograf Ragnar Axelsson, einer der gefragtesten Fotografen des Nordens,
beobachtet den Klimawandel schon seit Langem mit größter Sorge. Seit mehr als 40 Jahren dokumentiert
er die dramatischen Veränderungen von Landschaften und Lebensräumen am Rande der bewohnbaren
Welt und reist in die abgelegensten und isoliertesten Regionen der Arktis, zu Inuit-Jäger*innen nach
Nordkanada und Grönland, zu Bäuer*innen und Fischer*innen auf Island und den Färöer Inseln und zur
indigenen Bevölkerung in Nordskandinavien und Sibirien.
Diese erste Retrospektive Axelssons macht in beeindruckenden Schwarz-Weiß-Bildern die
außergewöhnlichen Beziehungen zwischen Menschen, Tieren und Orten in der Arktis und ihrer extremen
Umwelt sichtbar – Beziehungen, die aufgrund des beispiellosen Klimawandels kontinuierlichen
tiefgreifenden und komplexen Veränderungen unterliegen.
Seine Informationen stammen aus erster Hand, von den Menschen vor Ort. Axelsson scheut keine Risiken
und Mühen, sie immer wieder in den entlegensten Orten zu besuchen und eine längere Zeit mit ihnen zu
verbringen. Weil er den oftmals beschwerlichen Alltag mit ihnen teilt, gewinnt er nachhaltig ihr Vertrauen.
Dies erlaubt es ihm, intime Momentaufnahmen ihres Lebens zu machen und ihre Erzählungen
aufzuschreiben – so wird er gleichzeitig zum Zeugen und Botschafter ihrer Existenz und der sich
verändernden Lebensbedingungen.
Das andere große Thema, für das sich Axelsson begeistert, ist die Kraft der Elemente und die Erhabenheit
der nordischen Natur. Davon zeugen seine beeindruckenden fotografischen Landschaftporträts. Mit dem
Blick eines Forschers und Künstlers analysiert er auch die kleinsten Naturstrukturen, die an Zeichnungen
eines Paul Klee oder Per Kirkeby erinnern.
Axelssons Engagement reicht jedoch weit darüber hinaus, ausschließlich als Fotograf und Journalist aktiv
zu sein. Einige Fotografen, darunter der Magnum-Fotograf Paolo Pellegrin, haben ihn gebeten, sie bei
ihren Projekten über den Klimawandel zu unterstützen. Axelsson, ein erfahrener Pilot, ist auch mit Ólafur
Elíasson über die Gletscher in Island geflogen, als jener an seinem künstlerischen Gletscherprojekt
arbeitete. Zudem hat er die Klimaforscher Stefan Rahmstorf und Michael Mann begleitet, als diese die
schmelzenden Gletscher sehen wollten. Axelsson ist gut befreundet mit dem Vulkanologen Haraldur
Sigurðsson. Mit ihm ist er an entlegene Orte in Indonesien und Grönland gereist, wo sie unter anderem die
blauen Seen auf dem schmelzenden Grönlandgletscher untersuchten.
Diese Ausstellung bietet einen Blick auf Axelssons Lebenswerk, das selbstverständlich noch nicht
abgeschlossen ist. Denn hinter seinen Fotografien steht die feste Überzeugung, dass die traditionelle
Kultur der arktischen Bevölkerung nicht nur im Verschwinden begriffen ist, sondern den zerstörerischen
Auswirkungen größerer Kräfte wie der Wirtschaft und des Klimawandels nicht standhalten kann. Diesen
Menschen, die vom Klimawandel gezwungen werden, ihre jahrhundertealte Lebensweise an veränderte
Bedingungen anzupassen oder auch aufzugeben, widmen sich sowohl die Ausstellung als auch der
begleitende Katalog.
Seit über 40 Jahren fotografiert Ragnar Axelsson (* 1958), auch bekannt als Rax, Menschen, Tiere und
Landschaften in den entlegensten Regionen der Arktis, etwa in Island, Sibirien und Grönland. In kargen
Schwarz-Weiß-Aufnahmen fängt er die elementaren Naturerfahrungen des Menschen am Rande der
bewohnbaren Welt ein und macht die außergewöhnlichen Beziehungen zwischen den Menschen der
Arktis und ihrer extremen Umgebung sichtbar – Beziehungen, die sich aufgrund nie da gewesener
Klimaentwicklungen heute tiefgreifend und vielschichtig verändern. Von 1976 bis 2020 arbeitete Axelsson
als Fotojournalist für die isländische Tageszeitung Morgunblaðið, zudem hat er in Lettland, Litauen,
Mosambik, Südafrika, China und der Ukraine freiberuflich Aufträge übernommen.
Seine Fotografien wurden in Zeitschriften wie LIFE, Newsweek, Stern, GEO, National Geographic, TIME
und Polka abgedruckt und weltweit ausgestellt. Axelsson hat sieben Bücher in verschiedenen
internationalen Ausgaben publiziert. 2020 wurde sein Buch Hetjur norðurslóða/Arctic Heroes
veröffentlicht, das den Schlittenhunden Grönlands als Helden der Arktis gewidmet ist. Für den 2018
erschienenen Bildband Jökull/Gletscher verfasste Ólafur Elíasson das Vorwort. Andlit norðursins/Das
Gesicht des Nordens mit einem Vorwort von Mary Ellen Mark, kam 2016 heraus und gewann im selben
Jahr den Isländischen Literaturpreis für das beste Sachbuch. Zu den weiteren Auszeichnungen, die
Axelsson für seine Arbeit erhielt, zählen eine Reihe isländischer Preise für Fotojournalismus, eine
ehrenvolle Erwähnung beim Leica Oskar Barnack Award, der Grand Prize des Festivals Photo de Mer im
französischen Vannes sowie die höchste Ehrung Islands, das Ritterkreuz des Falkenordens.
Zurzeit arbeitet er an einem Dreijahresprojekt, mit dem das Leben der Menschen in allen acht arktischen
Staaten dokumentiert werden soll. In dieser entscheidenden Zeit, in der die natürlichen und tradierten
Gegebenheiten ihrer Welt durch den Klimawandel unwiderruflich zerstört werden, legt Axelsson Zeugnis
von der unmittelbaren und direkten Gefahr ab, die die Erderwärmung für das Überleben der Menschheit
darstellt.
Eine Kooperation mit dem Kunstfoyer, Versicherungskammer Kulturstiftung, München.