Karen Fromm spricht mit der jungen Fotografin Sina Niemeyer über ihr Projekt, das der Freundeskreis mit dem Follow up Stipendium 2020 gefördert hat. Niemeyer gibt darin einen differenzierten Einblick in das jahrhundertealte, hochstigmatisierte Geschäft des Heiratshandels. Ausgehend von gefundenen Briefen heiratswilliger Filipinas an einen Berliner Junggesellen aus den 1980er-Jahren hat Sina Niemeyer die Briefeschreiberinnen aufgesucht und mit dem heutigen Handel und Versprechen von Liebe in Form von Fotografien, Videointerviews, Dokumenten und Objekten in Beziehung gesetzt.

Ihr Projekt changiert zwischen dem schonungslosen Beleuchten von neokolonialen Strukturen, Sexismus und der Objektifizierung der Frau, dem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach Nähe und Liebe und hinterfragt gleichzeitig die romantisierte Idee der Ehe. Geschickt verknüpft die Fotografin eine vermeintlich vergangene Geschichte mit der Gegenwart und macht die vielfältigen Motive der Männer und Frauen sichtbar. Sina Niemeyer lebt und arbeitet in Berlin. 2018 wurde sie zu einer der vielversprechendsten Fotografinnen Deutschlands gewählt, zahlreiche internationale Ausstellungen und Auszeichnungen folgten. In ihren freien Arbeiten setzt sie sich überwiegend mit den Themen Gewalt, Trauma, Machtstrukturen und dem Nicht-Sichtbaren auseinander.

Die Ausstellung "The Many Wives of Mr. L." von Sina Niemeyer ist noch bis zum 13. Juli in der FREELENS Galerie in der Neustadt in Hamburg zu sehen.