Size Matters
Größe in der Fotografie
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Exhibition: 1 Feb – 20 May 2024
Sat 27 Apr
Kunstpalast
Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf
+49 (0)211-566 42 100
info@kunstpalast.de
www.kunstpalast.de
Tue-Sun 11-18 . Thu 11-21
"SIZE MATTERS"
Größe in der Fotografie
Ausstellung: 1. Februar bis 20. Mai 2024
Alles verändert sich, wenn in Bildwelten am Größenregler gedreht wird: Dinge
werden hervorgehoben, aus dem Zusammenhang gerissen, überhöht und
umgedeutet. Sie rücken nah heran, werden studierbar, oder verschwimmen vor
den Augen. Eine immense schöpferische Kraft, aber auch die Möglichkeit der
Manipulation liegt in der Skalierung von Bildgegenständen und Bild-formaten.
Erstmals beleuchtet eine Ausstellung umfassend den erheblichen und oft
unterschwelligen Bedeutungswandel, der mit Größenverschiebungen in der
Fotografie einhergeht. Werke vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart
werfen Fragen nach den Konsequenzen von Größe für die Wahrnehmung und den
Umgang mit fotografischen Bildern auf.
Von allen Medien vermag die Fotografie am einfachsten ihren Umfang zu ändern,
kann leichtfüßig zum Großbild auf Museumswänden und Plakatträgern anwachsen
aber auch zum Thumbnail auf dem Handyscreen schrumpfen. Sie schafft traditionell
Miniaturen der Welt, kann die Dinge aber ebenso lebens- und überlebensgroß zeigen
und Unsichtbares sichtbar machen.
Seit den Avantgarden der 1920er-Jahre und bis in die Gegenwart fordern
Künstler*innen die Latenz der Größe in der Fotografie heraus. Sie befreien durch
Skalierung Genres wie die Sachfotografie oder das Porträt von allen Funktionen, lösen
in Stillleben Dinge aus ihren Kontexten und laden sie mit alternativen Bedeutungen
auf. Sie bringen in Close-ups Details zur Geltung und eröffnen völlig neue
Sichtweisen. Als künstlerisches Werkzeug und ästhetisches Prinzip entfaltet die
fotografische Skalierung eine ganz eigene Kraft.
Die Ausstellung fächert das Thema der fotografischen Größenverhältnisse entlang von
Gegensätzen auf: Historischen wie gegenwärtigen Versuchen, Größenverhältnisse im Bild zu kontrollieren, treten absichtsvolle Verwirrspiele mit dem Maßstab gegenüber.
Formate der Bildrezeption im öffentlichen Raum werden mit solchen der intimen
Betrachtung kontrastiert. Skalierung im Dienste der Funktion wird von Skalierung als
ästhetischem Werkzeug unterschieden, durch die ein Dokument zum Kunstwerk
werden kann. Vergrößerungen als Mittel der wissenschaftlichen Erkenntnis werden
Vergrößerungen gegenübergestellt, die so weit gehen, dass Gegenstände vor den
Augen verschwimmen. Und einzelne kleine JPGs treten neben unüberschaubare
Bildmassen, das sogenannte "Poor Image" neben Big Data.
Das Großfoto vermag in der Galerie Exklusivität und einen hohen Marktwert zu
versinnbildlichen. Im öffentlichen Raum überwindet es Distanzen und beeinflusst
Konsumentscheidungen wie auch politische Meinungen. Das kleine Bild befördert die
Erinnerung, konnte historisch als Miniatur-Daguerreotypie oder winziger kolorierter
Albuminabzug in Medaillons und Broschen nah am Herzen getragen werden, wurde in
Alben eingeklebt und wird heute als Thumbnail in der Photo Library des Smartphones
in der Hosentasche mit sich geführt. Ob als Abzug oder komprimierter Datensatz ist
das kleine Bild sammel- und speicherbar. Es lässt sich leicht versenden, als JPEG oder
Postkarte.
Doch ab wann ist ein fotografisches Bild überhaupt groß, wann ist es klein? Größe
entsteht nur im Verhältnis. Zwischen Bildern und den Körpern derer, die sie
betrachten, zwischen Bildern und anderen Bildern, die einander im Auge der
Betrachtenden übertrumpfen oder nebeneinander untergehen können. Zwischen
Abmessung und Information, wodurch im technischen Bildmedium Schärfe und
Unschärfe entsteht und nicht zuletzt zwischen Bildern und der Wirklichkeit.
Denn an der Wirklichkeit wird die Fotografie nach wie vor hartnäckig gemessen.
Ob in Skepsis oder Zutrauen ist die Realität feste Bezugsgröße in der Rezeption fotografischer
Bilder. Ihrem historischen Ruf zum Trotz, die Wirklichkeit abbilden zu können, wie sie
ist, verkleinert die Fotografie die Dinge in der Regel massiv. Sie erschafft Miniaturen und bastelt am Maßstab der Welt herum, wie Susan Sontag in ihrem wegweisenden Essay On Photography (1977) geschrieben hat.
In Ausformungen
wie dem Fotogramm oder dem Röntgenbild, und auf die Menge aller fotografischen
Bilder gerechnet äußerst selten, zeigt sie die Dinge in Echtgröße. Und bisweilen
vergrößert sie ihre Gegenstände auch, macht sichtbar, was mit dem bloßen Auge nicht
zu erkennen ist, wenn sie sich zum Beispiel mit optischen Geräten wie Mikroskopen
oder Teleskopen verbindet. Dann mischt die Fotografie in der Wissensproduktion mit,
suggeriert die Enthüllung von Fakten – um sich im nächsten Moment in Richtung der
Fiktionen zu lehnen und Vergrößerungen ins Unkenntliche oder die reine Behauptung
kippen zu lassen. Es ist die Gleichzeitigkeit von Wirklichkeitsversprechen und
dimensionaler Beweglichkeit, die der Fotografie Wirksamkeit in kulturellen, politischen
und sozialen Kontexten verleiht. In der Skalierbarkeit liegt ihr Potenzial, sich für
vielfältige gesellschaftliche Kontexte anschlussfähig zu halten und darin Geltung zu
entfalten.
Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Sammlung des Kunstpalastes, nationale und
internationale Leihgaben ergänzen die Werkauswahl.