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Size Matters
Kathrin Sonntag
Dinge im Hintergrund #4, 2022
Tintentstrahldruck
110 x 73 cm
© Kathrin Sonntag, Courtesy Kadel Willborn, Düsseldorf

Size Matters

Größe in der Fotografie

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Exhibition: 1 Feb – 20 May 2024

Sat 27 Apr

Kunstpalast

Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf

+49 (0)211-566 42 100


www.kunstpalast.de

Tue-Sun 11-18 . Thu 11-21

Size Matters
Julius Stinde
Kopf der Kreuzspinne, Tafel VI (Aus Blicke durch das Mikroskop), 1870
Albuminabzug
8,2 x 8,1 cm
Kunstpalast Düsseldorf

"SIZE MATTERS"
Größe in der Fotografie


Ausstellung: 1. Februar bis 20. Mai 2024

Alles verändert sich, wenn in Bildwelten am Größenregler gedreht wird: Dinge werden hervorgehoben, aus dem Zusammenhang gerissen, überhöht und umgedeutet. Sie rücken nah heran, werden studierbar, oder verschwimmen vor den Augen. Eine immense schöpferische Kraft, aber auch die Möglichkeit der Manipulation liegt in der Skalierung von Bildgegenständen und Bild-formaten. Erstmals beleuchtet eine Ausstellung umfassend den erheblichen und oft unterschwelligen Bedeutungswandel, der mit Größenverschiebungen in der Fotografie einhergeht. Werke vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart werfen Fragen nach den Konsequenzen von Größe für die Wahrnehmung und den Umgang mit fotografischen Bildern auf.

Von allen Medien vermag die Fotografie am einfachsten ihren Umfang zu ändern, kann leichtfüßig zum Großbild auf Museumswänden und Plakatträgern anwachsen aber auch zum Thumbnail auf dem Handyscreen schrumpfen. Sie schafft traditionell Miniaturen der Welt, kann die Dinge aber ebenso lebens- und überlebensgroß zeigen und Unsichtbares sichtbar machen.

Seit den Avantgarden der 1920er-Jahre und bis in die Gegenwart fordern Künstler*innen die Latenz der Größe in der Fotografie heraus. Sie befreien durch Skalierung Genres wie die Sachfotografie oder das Porträt von allen Funktionen, lösen in Stillleben Dinge aus ihren Kontexten und laden sie mit alternativen Bedeutungen auf. Sie bringen in Close-ups Details zur Geltung und eröffnen völlig neue Sichtweisen. Als künstlerisches Werkzeug und ästhetisches Prinzip entfaltet die fotografische Skalierung eine ganz eigene Kraft.

Die Ausstellung fächert das Thema der fotografischen Größenverhältnisse entlang von Gegensätzen auf: Historischen wie gegenwärtigen Versuchen, Größenverhältnisse im Bild zu kontrollieren, treten absichtsvolle Verwirrspiele mit dem Maßstab gegenüber.

Formate der Bildrezeption im öffentlichen Raum werden mit solchen der intimen Betrachtung kontrastiert. Skalierung im Dienste der Funktion wird von Skalierung als ästhetischem Werkzeug unterschieden, durch die ein Dokument zum Kunstwerk werden kann. Vergrößerungen als Mittel der wissenschaftlichen Erkenntnis werden Vergrößerungen gegenübergestellt, die so weit gehen, dass Gegenstände vor den Augen verschwimmen. Und einzelne kleine JPGs treten neben unüberschaubare Bildmassen, das sogenannte "Poor Image" neben Big Data.

Das Großfoto vermag in der Galerie Exklusivität und einen hohen Marktwert zu versinnbildlichen. Im öffentlichen Raum überwindet es Distanzen und beeinflusst Konsumentscheidungen wie auch politische Meinungen. Das kleine Bild befördert die Erinnerung, konnte historisch als Miniatur-Daguerreotypie oder winziger kolorierter Albuminabzug in Medaillons und Broschen nah am Herzen getragen werden, wurde in Alben eingeklebt und wird heute als Thumbnail in der Photo Library des Smartphones in der Hosentasche mit sich geführt. Ob als Abzug oder komprimierter Datensatz ist das kleine Bild sammel- und speicherbar. Es lässt sich leicht versenden, als JPEG oder Postkarte.

Doch ab wann ist ein fotografisches Bild überhaupt groß, wann ist es klein? Größe entsteht nur im Verhältnis. Zwischen Bildern und den Körpern derer, die sie betrachten, zwischen Bildern und anderen Bildern, die einander im Auge der Betrachtenden übertrumpfen oder nebeneinander untergehen können. Zwischen Abmessung und Information, wodurch im technischen Bildmedium Schärfe und Unschärfe entsteht und nicht zuletzt zwischen Bildern und der Wirklichkeit. Denn an der Wirklichkeit wird die Fotografie nach wie vor hartnäckig gemessen.

Size Matters
Morgaine Schäfer
magnify BWS 1516 (floating head), 2021
Tintentstrahldruck
54.44 cm
Kunstpalast, Düsseldorf
© Morgaine Schäfer, VG Bild-Kunst, Bonn

Ob in Skepsis oder Zutrauen ist die Realität feste Bezugsgröße in der Rezeption fotografischer Bilder. Ihrem historischen Ruf zum Trotz, die Wirklichkeit abbilden zu können, wie sie ist, verkleinert die Fotografie die Dinge in der Regel massiv. Sie erschafft Miniaturen und bastelt am Maßstab der Welt herum, wie Susan Sontag in ihrem wegweisenden Essay On Photography (1977) geschrieben hat.

In Ausformungen wie dem Fotogramm oder dem Röntgenbild, und auf die Menge aller fotografischen Bilder gerechnet äußerst selten, zeigt sie die Dinge in Echtgröße. Und bisweilen vergrößert sie ihre Gegenstände auch, macht sichtbar, was mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist, wenn sie sich zum Beispiel mit optischen Geräten wie Mikroskopen oder Teleskopen verbindet. Dann mischt die Fotografie in der Wissensproduktion mit, suggeriert die Enthüllung von Fakten – um sich im nächsten Moment in Richtung der Fiktionen zu lehnen und Vergrößerungen ins Unkenntliche oder die reine Behauptung kippen zu lassen. Es ist die Gleichzeitigkeit von Wirklichkeitsversprechen und dimensionaler Beweglichkeit, die der Fotografie Wirksamkeit in kulturellen, politischen und sozialen Kontexten verleiht. In der Skalierbarkeit liegt ihr Potenzial, sich für vielfältige gesellschaftliche Kontexte anschlussfähig zu halten und darin Geltung zu entfalten.

Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Sammlung des Kunstpalastes, nationale und internationale Leihgaben ergänzen die Werkauswahl.

Size Matters
Jochen Lempert
Aus: Lyren II, 2013
Silbergelatineabzug
1,4 x 1,8 cm
Besitz des Künstlers
©Jochen Lempert, VG Bild-Kunst, Bonn
Size Matters
Evan Roth
Since you were born, 2019–ongoing
Digitaldruck auf Wandtapete
Ortsspezifische Installation
hier eine Version des MOCA Jacksonville 16. März – 23. Juni 2019
© Evan Roth
Foto: Doug Eng, Courtesy MOCA Jacksonville