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Mein Blick
aus der Serie "Starke Frauen", 1996
© Herlinde Koelbl

Herlinde Koelbl »

Mein Blick

Fotografien 1980-2024

Exhibition: 1 Sep – 10 Nov 2024

Thu 3 Oct

Kunsthalle Erfurt

Fischmarkt 7
99084 Erfurt

+49 (0)361-6555666


kunstmuseen.erfurt.de/kunsthalle

Tue-Sun 11-18, Thu 11-22

Mein Blick
aus der Serie "Haare", 2001-2007
© Herlinde Koelbl

Herlinde Koelbl
Mein Blick. Fotografien 1980-2024


Ausstellung: 1. September bis 10. November 2024
Eröffnung: Samstag, 31. August, 18 Uhr

Herlinde Koelbl zählt zu den renommiertesten deutschen Fotokünstler:innen, sie gilt vor allem als großartige Menschenfotografin, als Ethnologin mit der Kamera. Gezeigt werden ihre Werke in zahlreichen internationalen Ausstellungen, ihre Arbeiten sind in den Sammlungen bedeutender Museen und Institutionen vertreten; ihr Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Dr. Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh).

1939 in Lindau am Bodensee geboren, studierte sie in München Modedesign. Ab 1976 kam sie autodidaktisch zur Fotografie; ihre Bilder fanden schnell Beachtung in der Fachwelt. Sie arbeitete im Auftrag verschiedener Zeitungen und Magazine wie der New York Times, dem Stern und dem ZEIT-Magazin. Daneben entstanden vor allem Langzeitstudien und Einzelaufnahmen im Eigenauftrag, viele davon wurden als Bücher publiziert. "Das Deutsche Wohnzimmer" (Projekt 1977–1980) war ihr erster Bildband (erschienen 1980) und zugleich ein großer Erfolg in der Öffentlichkeit. Es folgten "Dienst am Volk" (1982) und "Männer" (1984). Dass sie mit diesen Aktfotografien für Aufsehen sorgte, lag fast auf der Hand: Sie gehört zu den wenigen Fotografinnen, die in einer umfangreichen Serie ausschließlich den männlichen Körper aus der Sicht einer Frau porträtierte. 1986 publizierte sie "Feine Leute" (1986), ein Blick auf die High Society – zumeist erheiternd, aber auch ironisch bis entlarvend. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit "Jüdische Porträts" (1989), eindrückliche Bilder von Überlebenden des Holocaust. Es folgte die Publikation "Kinder" (1994). Mit "Starke Frauen" (1996) schuf sie eine Hommage an den weiblichen Körper, der sich die Werkserie "Opfer. Ein Zyklus" (1996) anschloss. Bei ihren Porträts deutschsprachiger Schriftsteller:innen ("Im Schreiben zu Haus", 1998) erweiterte sie das eigentliche Porträt um das Interieur, den Blick in die jeweiligen Arbeitszimmer, und um Detailaufnahmen. Weitere Werkserien sind "Haare" (2007), "Schlafzimmer" (2002), "Targets" (2014) und "Faszination Wissenschaft" (2020). Nicht selten arbeitet Herlinde Koelbl an ihren Zyklen parallel. So widmete sie sich von 1991 bis 1999 Politiker:innen als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in "Spuren der Macht" und führte die Porträtserie von Angela Merkel bis zum Ende ihrer Amtszeit 2021 fort. Beide Serien gehören zu ihren bekanntesten.

Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht der Mensch mit den unterschiedlichsten Facetten seines Seins. In ihrer mehr als 40-jährigen Tätigkeit als Fotografin geht es Herlinde Koelbl um Verstehen, Begreifen und Erfahren. Sie interessiert sich für die Aspekte von Werden und Vergehen, von Körperlichkeit, für sein Lebensumfeld und seine Lebensweise, das private und berufliche Agieren, seine gesellschaftliche Verantwortung. "Ich interessiere mich für Menschen. Aber es muss weitergehen als unter die Oberfläche." – so beschreibt sie selbst ihre künstlerische Motivation. Ihre Kunst präsentiert visuelle Zeitläufte, in denen wir uns verorten können.

Mein Blick
aus der Serie "Angela Merkel. Porträts", 1991-2021
© Herlinde Koelbl

Das Spektrum ihrer Themen ist vielfältig – ihre Serien sind künstlerische Interpretationen kultureller, gesellschaftlicher und philosophischer Fragen. Sie weiß um die Fähigkeit von Bildern, etwas sichtbar zu machen. Mit diesem Wissen, wählt sie die inhaltlichen Schwerpunkte ihrer Projekte. Nicht selten rückt dabei das Besondere im Alltäglichen in den Fokus, sie konzentriert sich auf bestimmte Gruppen von Menschen (Kinder, Schriftsteller:innen, Wissenschaftler:innen, Soldat: innen) oder sie widmet sich gesellschaftlichen Tabuzonen: Sexualität, Alter, Sterben, Töten. Bei ihrer Arbeit baut Herlinde Koelbl zu ihrem Gegenüber Nähe auf, gibt ihm Raum und bleibt dennoch eine Beobachterin auf Distanz. Ihre Bilder zeugen von Offenheit, unvoreingenommener Neugier. Sie sind eindrücklich, erzeugen Aufmerksamkeit. Ihre Arbeit basiert auf künstlerischen Konzepten. Dabei setzt sie nicht auf eine charakteristische Handschrift, einen wiedererkennbaren Stil, vielmehr sucht sie für das jeweilige Thema gezielt nach der passenden, adäquaten Bildsprache. Sie entscheidet von Projekt zu Projekt zwischen Farbe und Schwarzweiß und beherrscht das Dokumentarische genauso wie die Inszenierung.

Selten belässt Herlinde Koelbl es bei der bloßen fotografischen Aufnahme. Immer wieder lässt sie die Protagonist:innen zu Wort kommen, interviewt sie, realisiert aus diesen Tonaufnahmen eigene Audioprojekte oder ergänzt die Fotografie mit dem gesprochenen Wort in Form von Textzitaten.

Ein weiteres Medium, das ihr zu einem wichtigen künstlerischen Instrument wurde, ist der Film bzw. das Video. So dokumentierte sie in "Rausch und Ruhm" den Drogenentzug von Benjamin von Stuckrad-Barre (ARD, 2003) und journalistische Arbeit in "Die Meute – Macht und Ohnmacht der Medien" (WDR, 2001). Aus vielen ihrer fotografischen Zyklen wie beispielsweise "Spuren der Macht", "Targets" und "Metamorphosen" entwickelte sie themengleiche Filme beziehungsweise Videos.

Unter dem Titel "Mein Blick" – der Titel einer gleichnamigen Publikation (2013) – präsentiert die Kunsthalle Erfurt nun mit der Auswahl von Bildern aus fast allen ihrer Serien, die zwischen 1980 und 2024 entstanden, einen Überblick über das intensive fotografische Schaffen von Herlinde Koelbl. Dazu gehören auch Bilder des aktuellen "Metamorphosen"-Projekts sowie bisher noch nie museal präsentierte Aufnahmen, die während mehrerer Reisen in die DDR im Auftrag der New York Times entstanden. Nachdem einzelne Serien in Halle/S. ("Faszination Wissenschaft", 2022, Leopoldina) und Leipzig ("Metamorphosen", 2023, Grassi Museum) zu sehen waren, ist es die erste umfangreiche Präsentation ihres Werks in den ostdeutschen Bundesländern.

Mein Blick
aus der Serie "Das Deutsche Wohnzimmer, ", 1977-1980
© Herlinde Koelbl
Mein Blick
Ingo Schulze, aus der Serie "Im Schreiben zu Haus", 1996–1998
© Herlinde Koelbl