Visvaldas Morkevicius »
Who art thou my vessel?
Exhibition: 2 Feb – 15 Mar 2024
Fri 2 Feb 18:00 - 21:00
Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff
Paulinenstr. 47
70178 Stuttgart
0711-609770
galerie@reinhardhauff.de
www.reinhardhauff.de
Tue-Fri 14-19, Sat 11-15
Visvaldas Morkevicius
"Who art thou my vessel?"
Exhibition: 2 February – 15 March 2024
Opening: Friday, 2 February, 6 – 9 p.m.
The Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff is excited to present the first solo exhibition of Vilnius, Lithuania
and Lausanne, Switzerland based artist Visvaldas Morkevičius (*1990 in Sakiai, Lithuania).
"The ship on which Theseus sailed with the youths and returned in safety, the thirty-oared galley, was
preserved by the Athenians down to the time of Demetrius Phalereus. They took away the old timbers from
time to time, and put new and sound ones in their places, so that the vessel became a standing illustration
for the philosophers in the mooted question of growth, some declaring that it remained the same, others that
it was not the same vessel." — Plutarch, Life of Theseus 23.1
The photography of a young generation Lithuanian artist Visvaldas Morkevičius has been floating, rather
than sailing, in a vast ocean of contemporary imagery for nearly a decade now. Some photographs, like
the ones from earlier days – the youths – today seem coated with dregs of the times passed. Their
truncated compositions, faded colours, and faceless protagonists stuck in sluggish limbos echoing events
that once were. Others, from the artist's more recent voyages, those new timbers, feel bolder, sharper,
rougher, and soaked in thick liquids of obscurity.
By an unforeseen miracle, or perhaps a happy coincidence, these nomadic artworks drifted ashore in
Stuttgart, at the threshold of The Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff. The photographs presented in
Morkevičius' third solo exhibition in Germany come from four different series and can be seen as the
young artist's retrospective, his "life’s work" thus far. The show which in part can be imagined as an
ever-growing vessel that carries the spirit into uncharted waters is also a mirror in which the artist
observes his works as well as the fickle self that made them.
What one sees reflected is an old paradox, a reminder that the form is lifeless without the void that
surrounds it. To buttress such a claim another ancient literary vessel, this time by Laozi, can be brought
to the surface: "Shape clay into a vessel; It is the space within that makes it useful."
Morkevičius' habit of showing by obscuring, underlying by fragmenting, and foreshadowing by erasing is
deeply rooted in his visual language. One might catch glimpses of the fleeting nature of his photographic
identity in the buzzing silence of a room with a chair garbed in a tracksuit jacket, in the corner of
voluptuous half-parted lips seen through a metal fence of a concert hall, or in a headless female figure in
a red dress holding a face of a scooped-up watermelon. It is often the case with his pictures which strike
as youthful and rebellious at first, yet harbour a fair amount of melancholy, that the unseen is the driving
force of the artwork.
In a state conjured by the lens, the negatives blend with the positives. How striking is the shadow, a thick
black wedge, that cradles the rolling male body in Smala. Sculpture (2016), looking, as one focuses more
intently on it, more like the lead than a supporting actor. Or that heavy gloom in Looking Forward to Meet
Me #3 (2020) that fleshes out the silhouette of the female nude just by being in the room with her. Even a
heartwarming domestic scene showing a white husky hugging a black labrador – your everyday yang and
yin, the two independent yet inseparable – speaks of an existence that stems from relations, so vibrantly
captured in these shots. In the end, Morkevičius' photographs are still less about duality than about
ceaseless change – a hallmark of a living body, a memorable work of art, and of life itself.
The photographs in front of you today like the hands that made them are growing vessels. They
exist in the eye and the mind of their beholder. Never in the same eye, never in the same mind, these
vessels will forever float, and maybe sail, to remain unknowable, mysterious, beautiful (text: Paulius
Andriuškevičius).
Sponsored by Lithuanian Culture Institute
Visvaldas Morkevicius
"Who art thou my vessel?"
Ausstellung: 2. Februar bis 15. März 2024
Eröffnung: Freitag, 2. Februar, 18-21 Uhr
Die Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff freut sich, die erste Einzelausstellung des in Vilnius, Litauen und Lausanne,
Schweiz lebenden Künstlers Visvaldas Morkevičius (*1990 in Sakiai, Litauen) zu präsentieren.
"Das Schiff, auf dem Theseus mit den Jünglingen segelte und sicher zurückkehrte, die dreißigruderige Galeere, wurde
von den Athenern bis zur Zeit von Demetrius Phalereus bewahrt. Sie entnahmen von Zeit zu Zeit alte Planken und
setzten neue und gesunde an ihrer Stelle ein, sodass das Schiff (vessel) zu einer ständigen Veranschaulichung für die
Philosophen in der umstrittenen Frage des Wachstums wurde. Einige erklärten, es sei das Gleiche geblieben, andere, es
sei nicht dasselbe Schiff (vessel)."" — Plutarch, Leben des Theseus 23.1
Die Fotografie des litauischen Künstlers der jungen Generation, Visvaldas Morkevičius, schwebt, statt zu segeln, seit
fast einem Jahrzehnt in einem riesigen Ozean zeitgenössischer Bilder. Manche Fotos, wie die aus früheren Zeiten –
die der Jugend – scheinen heute mit Rückständen vergangener Zeiten überzogen zu sein. Ihre verkürzten
Kompositionen, verblassten Farben und gesichtslosen Protagonisten stecken in trägen Schwebezuständen und
erinnern an einstige Ereignisse. Andere, von den neueren Reisen des Künstlers, diese neuen Hölzer, wirken kühner,
schärfer, rauer und von dicken Flüssigkeiten der Dunkelheit durchtränkt.
Durch ein unvorhergesehenes Wunder oder vielleicht einen glücklichen Zufall trieben diese nomadischen
Kunstwerke in Stuttgart an Land, an die Schwelle der Galerie Elisabeth & Reinhard Hauff. Die in Morkevičius’ dritter
Einzelausstellung in Deutschland präsentierten Fotografien stammen aus vier verschiedenen Serien und können als
Retrospektive des jungen Künstlers, sein bisheriges "Lebenswerk", angesehen werden. Die Ausstellung, die man sich
zum Teil als ein ständig wachsendes Schiff (vessel) vorstellen kann, das den Geist in unbekannte Gewässer trägt, ist
auch ein Spiegel, in dem der Künstler seine Werke und das wankelmütige Selbst, das sie geschaffen hat, betrachtet.
Was man reflektiert sieht, ist ein altes Paradoxon, eine Erinnerung daran, dass die Form ohne die Leere, die sie
umgibt, leblos ist. Um eine solche Behauptung zu untermauern, kann ein weiteres antikes literarisches Gefäß
(vessel), dieses Mal von Laozi, an die Oberfläche gebracht werden: "Forme Ton zu einem Gefäß (vessel); es ist der Raum darin, der es nützlich macht."
Morkevičius’ Angewohnheit, durch Verdunkeln zu zeigen, durch Fragmentierung zu unterlegen und durch
Auslöschung einen Vorgeschmack zu geben, ist tief in seiner Bildsprache verwurzelt. Man könnte einen Blick auf die
Flüchtigkeit seiner fotografischen Identität erhaschen in der summenden Stille eines Raumes mit einem Stuhl, der in
eine Trainingsjacke gekleidet ist, in den Winkeln üppiger, halb geöffneter Lippen, die durch einen Metallzaun eines
Konzertsaals gesehen werden, oder in einer kopflosen weiblichen Figur in einem roten Kleid, die das Gesicht einer
geschöpften Wassermelone hält. Bei seinen Bildern, die auf den ersten Blick jugendlich und rebellisch wirken, aber
dennoch eine gehörige Portion Melancholie in sich bergen, ist es oft so, dass das Unsichtbare die treibende Kraft des
Kunstwerks ist.
In einem durch die Linse heraufbeschworenen Zustand verschmelzen die Negativen mit den Positiven. Wie auffällig
ist der Schatten, ein dicker schwarzer Keil, der den rollenden männlichen Körper in Smala. Sculpture (2016) wiegt,
wenn man sich genauer darauf konzentriert, sieht er eher wie der Hauptdarsteller als wie ein Nebendarsteller aus.
Oder diese schwere Düsternis in Looking Forward to Meet Me #3 (2020), die die Silhouette des weiblichen Akts allein
dadurch konkretisiert, dass sie mit ihr im Raum ist. Sogar eine herzerwärmende häusliche Szene, in der ein weißer
Husky einen schwarzen Labrador umarmt – Ihr alltägliches Yang und Yin, die beiden unabhängig und doch
untrennbar –, spricht von einer Existenz, die auf Beziehungen beruht, und ist in diesen Aufnahmen so lebendig
eingefangen. Letztlich geht es in Morkevičius’ Fotografien immer noch weniger um Dualität als vielmehr um den
unaufhörlichen Wandel – ein Kennzeichen eines lebendigen Körpers, eines unvergesslichen Kunstwerks und des
Lebens selbst.
Die Fotografien, die Ihnen heute präsentiert werden, sind wie die Hände, die sie gemacht haben, wachsende Gefäße
(vessels). Sie existieren im Auge und im Geist ihres Betrachters. Nie im selben Auge, nie im selben Geist werden diese
Schiffe (vessels) für immer schweben und vielleicht segeln, um unerkennbar, geheimnisvoll und schön zu bleiben.
(Text: Paulius Andriuškevičius, Übersetzung ins Deutsche: Cornelia Schuster)
Gefördert vom Litauischen Kulturinstitut