Der Ostkreuz-Fotograf Sebastian Wells untersucht in der Ausstellung "Typ/Traube/Tross" (2021-2023) das Identitätskonstrukt nationalistischer Bewegungen. Mit seinen Fotografien zeigt er auf, wie mittels Uniformen, Bildsymbolik und sozialer Praktiken eine Vorstellung von Gemeinschaft geschaffen wird, die an Nationalismen festhält und sich auf eine kollektiv imaginierte Geschichte stützt.

Mitten in Europa ist rechtsradikales Gedankengut weit verbreitet. Als sich Sebastian Wells 2021 in der belgischen Stadt Gent aufhielt, erlebte er hautnah, wie rechtsradikale Parteien in Umfragen an Beliebtheit gewannen und nationalistisch orientierte Studierendenverbindungen großen Zuwachs erfuhren.

In der Ausstellung zu sehen sind Porträts von Mitgliedern ebensolcher Verbindungen, mal mit, mal ohne Uniform, sowie Eindrücke aus seinen Erlebnissen vor Ort. Demonstrierende gegen die Corona-Maßnahmen hüllen sich auf ihren Märschen in die flämisch-nationalistische Flagge, Schützengräben und überwachsene Mauern sprechen von der Vergangenheit, ein Stapel Zeitungen verweist auf (heute im Wandel begriffene) Mechanismen der öffentlichen Meinungsbildung. Einige Fotografien wirken zeitlos und konzentriert, andere nehmen zuweilen einen momenthaften, dokumentarischen Charakter an. Damit verbinden sie verschiedene Ebenen von Zeitlichkeit und weben ein komplexes Netz aus Spuren der Vergangenheit und Zeichen der Gegenwart.

Sebastian Wells (geb. 1996 in Königs Wusterhausen) studierte Fotografie an der Ostkreuzschule in Berlin, der Hochschule Bielefeld und der KASK (Königlichen Akademie der Bildenden Künste) in Gent. Seit 2019 ist er Mitglied der Agentur Ostkreuz. Sebastian Wells ist außerdem Mitbegründer des ukrainisch-deutschen Kunstmagazins „soлomiya“, dessen dritte Ausgabe im Frühling 2024 erscheint. Er lebt und arbeitet in Berlin.