ANTI/KÖRPER
Leon Höllhumer » Claudia Holzinger » Kai Kuss » Xenia Lesniewski » Daniel Rajcsanyi » Süßholz » Sophia Süßmilch » Sarah Tasha »
Exhibition: 9 Aug – 28 Sep 2024
FOTOHOF
Inge-Morath-Platz 1-3
5020 Salzburg
+43 (0)662-849296
fotohof@fotohof.at
www.fotohof.at
Tue-Fri 15-19, Sat 11-15
ANTI/KÖRPER
Claudia Holzinger, Leon Höllhumer, Kai Kuss, Xenia Lesniewski, Daniel Rajcsanyi, Sophia Süßmilch und Sarah Tasha
Ausstellung: 9. August bis 28. September 2024
Eröffnung: Donnerstag, 8. August, 19 Uhr
Mit ANTI/KÖRPER führt der FOTOHOF sieben künstlerische Positionen zusammen,
welche den menschlichen Körper als konkretes Medium nutzen, um Erzählungen zu
schaffen, die sich einer klaren Zuordnung in bestehende "herrschaftliche" Systeme
bewusst entziehen. Mit Claudia Holzinger, Leon Höllhumer, Kai Kuss, Xenia Lesniewski,
Daniel Rajcsanyi, Sophia Süßmilch und Sarah Tasha wurden zeitgenössische
Künstler:innen eingeladen, die ihre jeweiligen künstlerischen Praxen als strategische
Mittel zur symbolischen und expliziten Selbstbehauptung einsetzen und auf diese
Weise der, aus der Aufklärung noch heute auf uns kommenden, patriarchalen Vernunft
mit ihrer Leidensspur von Ausgegrenztem, Abgespaltenem, Marginalisiertem,
Zerstörtem und Verdrängtem dezidiert entgegenstehen.
Der titelgebende Begriff "Antikörper", welcher sich üblicherweise auf, vom
Immunsystem zur Bekämpfung von Krankheitserregern produzierte, Proteine bezieht,
symbolisiert in diesem Zusammenhang unter anderem die Idee des Widerstands und
der Abwehr. Die ausgewählten Positionen diskutieren gesellschaftliche Normen,
Zwänge und Stereotypen, erkunden individuelle wie kollektive Identitäten und blicken
auf Formen der Unterdrückung. Sie schaffen alternative Perspektiven auf bestehende
Wertesysteme, hinterfragen traditionelle Narrative und erfüllen so eine kulturelle
Schutzfunktion, welche in jener organischer Antikörper ihre Entsprechung finden
könnte.
Dem Medium der Fotografie kommt bei alldem nicht immer eine zentrale Rolle
zu. Es ist Dokumentationsmedium performativer Handlungen, sei es im Studio, sei es
im privaten oder im öffentlichen Raum. Es kann als komplizenhafte Apparatur im
Rahmen widerständiger Aktionen Verwendung finden oder durch die Nutzung
zeitgenössischer digitaler Bildgebungsverfahren selbst zum Kommentar über aktuelle
ästhetische, politische und soziale Phänomene werden. Die ausgewählten Positionen
eint nicht zuletzt eine durchwegs multimediale Praxis, deren Bilder nicht immer im
Zweidimensionalen verbleiben. Die Arbeiten zeigen performative Handlungen,
räumlich inszeniert durch die Vermengung fotografischer, skulpturaler und installativer
Elemente. Nicht zuletzt verbindet sie eine durchaus spielerische und unbekümmerte
Freiheit in der Wahl ihrer Mittel, um im Blick auf das Thema der Ausstellung
unverhohlene Formulierungen zu finden.
In Claudia Holzingers installativem Auszug aus der Serie "Coming of Age Wear"
lassen sich Versatzstücke einer Geschichte dokumentarisch-sachlich-konzeptueller
Fotografie, aber auch Anklänge an die historischen Gebrauchsweisen des Mediums
als Hilfsmittel zur Kategorisierung und Disziplinierung von Individuum und Gesellschaft
entlang visueller Attribute finden. Vor diesem theoretischen Hintergrund verhandelt
die Künstlerin im Blick auf die eigene Vergangenheit Fragen zur Politisierung von
Körper, zur Bedeutung historischer und aktueller Rollen- und "Leitbilder", zu
etablierten Moralvorstellungen und Machtstrukturen. Der bewusst unbeholfen ins Bild
gesetzte Versuch einer visuellen Beschreibung des Selbst wird dabei zu einer
mitunter tragisch-komischen Erzählung über persönliche Lebenszeit, Gesellschaft,
Macht und popkulturelle Historie.
Leon Höllhumers grell-anarchistische Arbeiten entstehen zumeist im Rahmen
performativer, mit aufwendig gearbeiteten Requisiten reich bestückter, Happenings,
die erzählerisch irgendwo zwischen Screwball-Comedy und Horrorfilm angesiedelt
sind. Fließend verbinden sie Elemente aus Performance, Fotografie, Skulptur, Film und
Storytelling zu einem medialen Mix, welcher weniger einer geradlinigen Erzählung als
der Schaffung grotesker, künstlerischer Habitate verpflichtet scheint. In diesen
dystopisch-karnevalesken Märchenwelten treffen aus Kunstwelt und Subkultur
entlehnte Gestalten auf fantastische Chimären, werden glasierte Keramiken zu
bizarren Werkzeugen, Prothesen und Requisiten für Shows, die sich, je nach
Konzeption, zu temporären stages und sozialen Plastiken auswachsen können.
In Kai Kuss’ semi-dokumentarischem Video-Alptraum "Cueva Del Mal" (Höhle
des Bösen) vollzieht der Filmemacher einen, mit den einfachsten filmischen Mitteln
vorgenommenen, Abstieg in eine, von psychoanalytischer Sexualmetaphorik und
archaischem Grauen durchwirkte Unterwelt. In einer wilden Vermengung von
Amateur- und Exploitation-Film, von homerischen und alttestamentarischen Motiven,
stolpern schräge Figuren durch eine nicht weniger schräge Story, deren tragende
Elemente die unwirtliche Landschaft und der damit korrespondierende, malträtierte
Körper des Protagonisten darstellen.
Xenia Lesniewskis multidisziplinäre Praxis entsteht zwischen Malerei,
Installation, Fotografie, Video und Performance. In der Verknüpfung von Kunst und
alltäglicher Wirklichkeit, der Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen
Entwicklungen und öffentlichem Raum stehen für sie die Verwerfungen des
neoliberalen Zeitalters ebenso im Fokus, wie eine möglichst fließende Einbettung
künstlerischer Interventionen in ihr persönliches Umfeld. In der Serie "Selfportrait On
Cars" praktiziert Xenia Lesniewski eine bildmäßige Aneignung von privatem Eigentum
im Stadtraum. In einer Mischung aus feministischem, provokantem und humorvollem
Übergriff entsteht eine Kontroverse über die Annexion fremden Eigentums, die
Unverhältnismäßigkeit wirtschaftlicher Strukturen und die Gestaltung öffentlichen
Raums.
Ein männlicher Rückenakt, dominant ins Bild gesetzt. Eine Tätowierung scheint
dem Mann, dessen Augen verbundenen sind, einen Namen zu geben. Die
unzweideutige Atmosphäre des Bildes verbindet Daniel Rajcsanyi räumlich mit dem
moralisierenden Inhalt einer schwäbisch-pietistischen Stickerei und läßt so einen
geradezu bösartigen Sinnzusammenhang entstehen. Daniel Rajcsanyi verknüpft
großformatige Fotografien mit Elementen aus Volkskultur, Kitsch und Erotik-
Supermarkt. Er entwirft Installationen, die zwischen der Inszenierung intimer, von
alltäglichen Normen losgelöster, Momente und der Dokumentation subkulturellen
Lebensstils angesiedelt sind. Seine Bildräume setzen sich bewusst über
gesellschaftliche Konventionen und tradierte moralische Wertvorstellungen hinweg.
Sie entwerfen gleichermaßen kindliche wie boshafte, hermetische und doch an vielen
Stellen mit der Wirklichkeit verbundene, Bildblasen.
Seit 2020 verbindet Sophia Süßmilch und Claudia Holzinger eine kollaborative
Praxis, in der sich die beiden Künstlerinnen unter dem Namen SÜSSHOLZ der
Schaffung von, im Studio erarbeiteter, vielteiliger fotografischer Bildserien widmen.
Ihre Arbeitsweise ist dabei unmissverständlich direkt und auf spielerische Weise
provokant. In unbekümmert-burlesken Inszenierungen werden die eigenen Körper als
subjektivierende Projektionsflächen genutzt, um Geschlechterrollen zu diskutieren
und, aus einer breiten kunsthistorischen Motivpalette zitierend, klassische
Körperbilder als Vermittlungsmedien politisch propagierter Moral und sozialer Normen
zu de-konstruieren.
In ihren* inszenierten fotografischen Selbstporträts erforscht Sarah Tasha die
eigene genderqueere Transidentität sowie Ideale, welche ihr* als weiblich gelesene
Person gesellschaftlich auferlegt werden. Sie nutzt moderne digitale Werkzeuge,
Technologien der Augmented Reality und Artificial Intelligence, um, eine klar queerfeministische
Perspektive einnehmend, künstliche Selbstbilder zu schaffen und diese
zu collagieren, zu transformieren und zu sabotieren. In ihrer* Praxis als Performance-
Künstler*in verbindet Sarah Tasha Elemente aus Drag und Popkultur und erweitert
ihre* Bühne in den virtuellen Raum, wo sie* die Grenzen zwischen Performance-Kunst,
Kabarett und Social-Media-Content verschwimmen lässt.