Julius von Bismarck »
GRENZEN DER INTELLIGENZEN
Artist Talk:
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Tue-Sun 11-18
Parallel zur Ausstellung "SURVIVAL IN THE 21st CENTURY" wird Julius von Bismarcks Videoinstallation
"Grenzen der Intelligenzen" als Solo-Präsentation gezeigt. Eine im Video zu sehende Neonröhre pulsiert
und überträgt in rhythmischen Wellen ihr Licht in den abgedunkelten Ausstellungsraum, wo es mit dem
tatsächlichen Pulsieren der Neonröhren des Raums verschwimmt. Bei näherem Herantreten werden um
die Lampe kreisende Termiten sichtbar.
Seit Millionen von Jahren dienen Insekten leuchtende Himmelskörper als Hauptorientierungsreferenz, die
durch menschliches Eingreifen in ihre Lebenswelt in Form von künstlichem Licht gestört wird, was ihre
Umwelt für die Tiere nicht mehr navigierbar macht. Die Termiten, von Menschen oft als invasive
Schädlinge betrachtet, sind hier ewig im Kreis fliegend einem Erschöpfungstod ausgeliefert. Von
Bismarck filmt ihren Todesflug mit einer Zeitlupenkamera und macht durch die Verlangsamung der
Aufnahme das inhärente Blinken der Neonröhre für das menschliche Auge sichtbar.
Aktuellen Schätzungen zufolge wird es in wenigen Monaten bis Jahren erste Modelle von AGI (Artificial
General Intelligence) geben. Diese nicht mehr nur auf einen Bereich spezialisierten künstlichen
Intelligenzen werden in der Lage sein, ihr Wissen autonom zu erweitern und in vielen Bereichen die
geistigen Fähigkeiten einzelner Menschen zu übertreffen. Ihr Aufkommen markiert eine Zäsur in der
menschlichen Existenz. Ist dies der Beginn eines neuen Zeitalters in der Zusammenarbeit von Menschen
und anderen Intelligenzen, in dem uns überlegene Wesen die Entscheidungsgewalt übernehmen, oder
überschreiten wir die Schwelle zu einer Zeit, in der sich techno-dystopische Szenarien des letzten
Jahrhunderts bewahrheiten?
In seinen Arbeiten hinterfragt von Bismarck die konzeptuelle Trennung des Menschen von der eigenen
Umwelt, die durch Benennungen und Klassifizierungen stetig weiter manifestiert wird. Diese Trennung
geht mit einer menschlichen Machtausübung auf unsere Umwelt einher, die inzwischen katastrophale
Auswirkungen nach sich zieht und die menschliche Souveränität in Frage stellt. Die analog zum Blinken
der Neonröhre im Video aufleuchtenden Lichter des Videoraums simulieren die Verlangsamung des in der
Neonröhre flackernden Lichts und transportieren die zugrunde liegende Frage nach den Störungen der
menschlichen Navigationsfähigkeit in den Ausstellungsraum. Im Angesicht der AGI eröffnet Julius von
Bismarck einen Spekulationsraum über das Denkvermögen verschiedener Spezies und die Möglichkeiten
einer Multi-Spezies-Zukunft.
Julius von Bismarck wurde 1983 in Breisach am Rhein (Deutschland) geboren, wuchs in Riad (Saudi-
Arabien) auf. Er lebt und arbeitet in Berlin und in der Schweiz. Sein Studium absolvierte er an der
Universität der Künste Berlin, am Hunter College New York (USA) und dem von Olafur Eliasson
gegründeten Institut für Raumexperimente.
In der Verknüpfung von bildender Kunst mit anderen Gebieten der Forschung und des Experimentierens,
wie den Natur- und Geisteswissenschaften, können die Ergebnisse der künstlerischen Praxis Julius von
Bismarcks diverse Formen annehmen - von kinetischen Skulpturen, über Fotografien und
Videoinstallationen bis hin zu Landschaften. Seine Werke eint die tief gehende Erforschung von
Phänomenen der Wahrnehmung und Konstruktionen von Realität. Hierbei ist die Verhandlung von Natur
als gesellschaftlich konstruierter Fiktion ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt.
Der Künstler entwickelte bereits zahlreiche Einzelausstellungen, wie beispielsweise in der Berlinischen
Galerie (2023), Bundeskunsthalle Bonn (2020) und im Palais de Tokyo in Paris (2019). Zudem nahm von
Bismarck an diversen internationalen Gruppenausstellungen und Biennalen teil.