MEN by MEN
Norbert Bunge » Michael Friedel » René Groebli » Thomas Hoepker » Hannes Kilian » Jens Knigge » Koichiro Kurita » Robert Lebeck » Herbert List » Stefan Moses » o.s.s.i.p » Marek Poźniak » Max Scheler » Louis Stettner » Herbert Tobias » Wim Wenders Stiftung » Kurt Wyss »
Exhibition: 14 Sep – 22 Nov 2024
Johanna Breede PHOTOKUNST
Fasanenstr. 69
10719 Berlin
+49 (0)30-88913590
photokunst@breede.de
www.johanna-breede.com
Tue-Fri 11-17, Sat 11-14
"MEN by MEN"
Ausstellung: 14. September bis 22. November 2024
Eröffnung: Samstag, 14. September 11-14 Uhr
Eigentlich haben Männer auch ihr Gutes. Schließlich gelten sie gemeinhin als mutig, gelegentlich sogar als durchsetzungsstark. Männer sollen einem gängigen Vorurteil zufolge logisch-rational und mit Interessen für mancherlei Details ausgestattet sein. Andererseits müssen all diese Qualitäten nicht automatisch schon zum Guten gereichen. Schließlich hat schon Jean Paul-Sartre einst spitzfindig bemerkt, dass Gespräche mit Angehörigen des vermeintlich stärkeren Geschlechts auch furchtbar langweilig sein können „Sie arten immer in Fachsimpelei und geistige Turnübungen aus“. Was also soll gut sein an einem Wesen, dass sich, wie ehedem Vicco von Bülows aka Loriot mit fast wissenschaftlicher Akribie und über Minuten hinweg dem Erkalten einer Tasse Tee hingeben kann oder das sich, wie dereinst der Philosoph Ernst Bloch und der Literaturwissenschaftler Hans Meyer, mit einer geradezu kindlich-narzisstischer Freude beim gelangweilten In-der-Gegend-Herumstarren gegenseitig im Spiegel zuguckt?
Mann Nummer eins wurde übrigens auf diese Weise im Jahr 1989 vom einstigen Stern-Photographen Robert Lebeck gesehen, Mann zwei und drei haben ihre skurrile männliche Turnübung im Jahr 1963 vor der Kamera des damals in München beheimateten Photographen Stefan Moses vollzogen. Es sind Männerbilder, die gewiss nichts Lächerliches haben, deren Protagonisten sich und ihre Geschlechterrolle aber mit einem kleinen Augenzwinkern betrachten konnten. Und man sollte ja auch tatsächlich nicht alles so bierernst nehmen mit den Mannspersonen. Schließlich wirken manche von ihnen ja auch gerade dann besonders freundlich und flexibel, wenn sie aus der angestammten Rolle fallen dürfen. Wieder einmal war es der große Menschenfischer Stefan Moses, der, weit vor der heute zumeist akzeptierten Flucht in genderfluide Identitätskonzepte, Männer in merkwürdigen Frauenrollen zeigen konnte: Auf einer kleinen Serie über Mitglieder des ersten Männerstrickvereins Deutschlands etwa ist dem 2018 im Alter von 90 Jahren verstorbenen Photographen bereits Anfang der 60er-Jahre ein Einblick in eine bis dato verborgene Welt gelungen: Kaufleute und Manager, die einfach so zur Entspannung oder zur Förderung zwischenmenschlicher Kontakte gemeinsam Maschen aufnahmen und im Männergespräch den Faden verloren.
Das wirkt, zugegeben, durchaus skurril. Noch weit verrückter aber ist jener humorvolle Kerl, den Robert Lebeck 1966 porträtierte, während er sich – nur zum Spaß versteht sich – mit einer Wäscheleine strangulierte: Es ist nämlich niemand geringeres als der große und sonst eher zu depressiven Verstimmungen neigende Zeichner Horst Janssen, der da wie ein dicker Fisch an der Gartenleine zappelt. Ähnlich verrückt kommt vielleicht nur noch jener eher unbekannterer Herr mit Namen George daher, den der mittlerweile 81jährige und für gewöhnlich eher für seine poetischen Landschaftsaufnahmen berühmte japanischen Photokünstler Koichiro Kurita festgehalten hat: In jenem Moment nämlich, in dem Kurita den Auslöser betätigte, schien George gerade im Begriff zu sein, einen riesigen Spazierstock zu verschlucken.
Es sind Männer wie diese – berühmte wie unbekannte, verrückte wie bitterernste – die die Berliner Photogaleristin Johanna Breede für ihre Gruppenausstellung MEN by MEN versammelt hat. Nach ihrer bewusst subjektiv gehaltenen Schau WOMEN ONLY aus dem vergangenen Jahr fokussiert sich Johanna Breede mit MEN by MEN vom 14. 09. 2024 bis zum 22. 11. 2024 auf den anderen Pol der Geschlechterskala: Die Ausstellung zeigt Männer mit den Augen von Männern gesehen. Auf der einen Seite der Kamera erblickt der Besucher legendäre Modezaren wie Karl Lagerfeld, geniale Künstler wie Georg Baselitz oder fast schon in Vergessenheit geratene Politiker wie Gustav Heinemann – dazu kommen noch jede Menge unbekannte Mannsfiguren –; auf der anderen Seite stehen Legenden der Photographiegeschichte: wie René Groebli, Thomas Hoepker, Herbert List, Max Scheler, Louis Stettner, Herbert Tobias, Kurt Wyss und Wim Wenders.
Letzterer übrigens zeigt, dass man mit Männern, anders als es Jean-Paul Sartre eingangs noch behautet hatte, durchaus auch über richtig ernste Themen reden kann: Eine von Wenders Aufnahmen nämlich zeigt einen kleinen Moment aus seinem Kultfilm „Der Himmel über Berlin“: Otto Sander und Curt Bois auf der einstigen Sandwüste des Potsdamer Platzes. Wer den Film kennt, wird es nie vergessen: Hier reden zwei Männer auf der intellektuellen Höhe von Philosophen und mit der poetischen Sprache von Dichtern. Männer haben eben auch Ihr Gutes. In dieser Ausstellung haben sie endlich mal die Gelegenheit, das auch zu zeigen.
Ralf Hanselle