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UNBEKANNT
Fotograf:in unbekannt, Ecke Schwarzstraße/Platzl, um 1914
© Salzburg Museum

UNBEKANNT

Anonyme Blicke auf Salzburg

Exhibition: 13 Dec 2024 – 1 Feb 2025

Thu 12 Dec 19:00

FOTOHOF

Inge-Morath-Platz 1-3
5020 Salzburg

+43 (0)662-849296


www.fotohof.at

Tue-Fri 15-19, Sat 11-15

UNBEKANNT
Fotograf:in unbekannt, Ein Bergputzer in Salzburg, Anfang 20. Jh.
© Salzburg Museum

"UNBEKANNT – Anonyme Blicke auf Salzburg"

Ausstellung: 13. Dezember 2024 bis 1. Februar 2025
Eröffnung: Donnerstag, 12. Dezember, 19 Uhr

Städte und die an sie grenzenden Gebiete sind zugleich reale und imaginäre Orte. Ihre physischen Gegebenheiten sind eng verknüpft mit einer imaginären Dimension, welche sich neben schriftlichen Berichten und Erzählungen nicht zuletzt aus jenen Bildern speist, die uns von ihnen erreichen.

Die Ausstellung "Unbekannt – Anonyme Blicke auf Salzburg" ist Eigenschaften der Fotografie gewidmet, die uns eine scheinbar konkrete und zugleich verschwommene Vorstellung historischer urbaner Zusammenhänge liefern. Im Rahmen der Kooperation "Salzburg Museum – Gastspiel" zeigt der FOTOHOF Werke anonymer Autor:innen aus der Fotosammlung des Salzburg Museum. Anhand ihrer Blicke auf Salzburg werden Überlegungen über die merkwürdige Rolle der Fotografie, auch heute, nach ihrer Digitalisierung und Universalisierung, angestoßen. Denn als indexikalisches Medium, als Erinnerungsersatz, als Mittel historischer Dokumentation räumlicher, aber auch politischer Sachverhalte, als Werkzeug exekutiver Kontrolle und politischer Macht sowie als vielumstrittene Kunstform ist die Fotografie, ihren ontologischen Status betreffend, stets polarisierend diskutiert worden.

Blickt man auf die Bilder der Ausstellung, mag diese prekäre Lage des Mediums, zwischen den Stühlen der Medien-, Kultur- und Kunstgeschichte, wenig verwundern. Denn die ausgewählten Abbildungen machen nicht nur aufgrund des recht großen zeitlichen Rahmens – von der Mitte des 19. bis in die Vierzigerjahre des 20. Jahrhunderts – und der damit einhergehenden technischen Entwicklung des Mediums, von der aufwendigen Belichtung auf Glasplatten bis zum vergleichsweise einfachen Fotografieren auf Film, eine auffallend breite Palette unterschiedlicher fotografischer Motive und Gebrauchsweisen sichtbar.

Bereits das Konzept der Ausstellung und die Auseinandersetzung mit einer sozusagen namenlosen Ansammlung fotografischer Bilder lässt eine spezifische Eigenschaft des Mediums erkennen. So ist der Wert historischer Fotografien nicht immer alleine davon abhängig, wer diese aufgenommen hat. Eine Antwort auf die Frage, warum auch den Bildern unbekannter Autor:innen historische Bedeutung zukommen kann, ist im Automatismus und dem damit einhergehenden "Zufallscharakter" des Mediums zu finden. Diese hatten zur Folge, dass die Bedeutung der Autor:innenschaft in der Fotografie in den Kunstwissenschaften relativierend diskutiert wird. Auch ist die oft postulierte direkte physikalische Verbindung fotografischer Bilder zum Abgebildeten ein zentraler Grund für die Bedeutung, welche der Fotografie für unserer Sicht auf Vergangenes zugeschrieben wird.

So erklärt sich vielleicht, warum Bilder wie die in der Sammlung des Salzburg Museum vorhandene Fotografie "Ein Bergputzer in Salzburg" (Anfang 20. Jhdt.) museal konserviert werden. Denn alleine die historische Dokumentation des heute noch praktizierten Vorgangs am Salzburger Mönchsberg scheint als Grund für die Bewahrung der belichteten Glasplatte völlig ausreichend. Bei genauerer Betrachtung der Szene fällt allerdings auf, dass sie die Fülle von Informationen, welche gemeinhin für historische Fotografien angenommen wird, nicht liefern kann. Ohne die Betitelung der Aufnahme würde uns die spezifische Art der Tätigkeit und damit die Verortung des durch die lange Belichtungszeit verschwommen am Seil baumelnden Mannes verborgen bleiben. Und doch kann die Abbildung, trotz ihres etwas diffusen Gehalts, in der Sammlung des Salzburg Museum als für die Zukunft gesichert gelten. Hier wird eine Kluft deutlich, welche sich zwischen dem illusionistischen Charakter fotografischer Bilder und ihrer mitunter höchst undeutlichen Abbildung historischer Wirklichkeit auftut.

Einigen der in der Ausstellung gezeigten Bilder ist ihr Gehalt nicht ohne weiteres zu entnehmen. Bilder von russischen Kriegsgefangenen bei der Feldarbeit (um 1915), von der Vernebelung der Stadt Salzburg während eines Bombenangriffs (1944/45) oder eines Erzbischofs beim Gebet (1903-15) sind letztlich auf eine genaue Beschreibung im Bildtitel angewiesen, um sich zu erklären.

UNBEKANNT
Fotograf:in unbekannt, Rodler am Mönchsberg, um 1910
© Salzburg Museum

Diese latente Bedeutungsoffenheit fotografischer Bilder kann als Schwäche, aber auch als besondere Qualität des Mediums gelesen werden. Als Charakterzug nämlich, welcher es der Fotografie erlaubt, innerhalb einer Sammlung als Dokumentationsmittel bedeutsamer Ereignisse und Sachverhalte und zugleich als subjektives Erinnerungsmedium zur Fixierung beiläufiger – um nicht zu sagen nichtiger – Momente zu existieren. Dass diese sehr unterschiedlichen Gebrauchsweisen im Rahmen der Konservierung historischer Fotografien mitunter überlappen, scheint paradox, wird aber im Blick auf mehrere Glasplatten deutlich, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Ufer der Salzach aufgenommen wurden. Sie stellen offenbar Versuche dar, den Flug von Möwen über dem Wasser einzufangen. Während es zweifelhaft erscheint, dass eine andere Motivation zur Aufnahme dieser Bilder geführt hat, ist aus heutiger Sicht (ablesbar an den jeweiligen Bildtiteln) wohl vor allem die im Hintergrund dokumentierte Bebauung des gegenüberliegenden Flussufers von Interesse. Hier lässt sich zum einen erkennen, wie breit museale Sammlungstätigkeit im Bereich historischer Fotografie angelegt sein kann. Zum anderen wird deutlich, wie wenig individuelle Beweggründe der Autor:innen für die spätere Rezeption ihrer fotografischen Werke unter Umständen von Bedeutung sind.

Dass auch bei diesen Bildern die Vögel nur noch als schemenhaft verwischte Schleier fixiert werden konnten, verweist auf die engen Grenzen historischer Aufnahmetechnik, im Blick auf die Ausstellung aber auch auf eine weitere Eigenart des Mediums. Denn neben den langen Belichtungszeiten finden sich mit großflächigen Vignettierungen, mit Doppel- und Mehrfachbelichtungen und zahllosen Spuren von Lichteinfällen eine Vielzahl technischer Abbildungsfehler in der präsentierten Bildauswahl. Aber auch hier scheint die angesprochene Anfälligkeit des Mediums, auch im Nachhinein mit Sinn versehen zu werden, der Fotografie zu einer weiteren Qualität zu verhelfen. Denn während eine technisch fehlerhafte Abbildung die Dokumentation einer Situation oder eines Sachverhalts vielleicht nur teilweise stört – das grundlegende Ansinnen der Aufnahme unter Umständen erhalten bleibt – sind die Störungen mitunter in der Lage, den Abbildungen eine weitere Ebene zu verleihen. So lässt ein zufällig aufgenommener Schatten auf einem Stereo-Glasnegativ den Fotografen samt wuchtigem Aufnahmegerät ins Bild treten, eine Doppelbelichtung Menschen geisterhaft einen verschneiten Hang hinunter rodeln und die düstere Atmosphäre eines unterbelichteten Pferdegespanns an Alfred Stieglitz’ frühe Arbeiten aus New York denken.

Auch hier scheint die Offenheit der Fotografie für assoziative Interpretation, paradox gepaart mit ihrer Eigenschaft, Momente scheinbar klar zu konservieren, den Reiz dieser Aufnahmen auszumachen. Vielleicht ist hier ein Grund für den Umstand zu finden, dass sich der Genuss dieser Bilder, welche wohl vornehmlich aufgrund ihres dokumentarischen Gehalts konserviert werden, nicht weniger aus den Unzulänglichkeiten der fotografischen Verfahren und den ihnen eingeschriebenen Momenten des Zufalls und der Flüchtigkeit speist.

UNBEKANNT
Fotograf:in unbekannt, Bruderhof, Durchgang zur Linzergasse, um 1900
© Salzburg Museum
UNBEKANNT
Fotograf:in unbekannt, Gaisbergbahn, um 1900
© Salzburg Museum