Still — Moving
mit Sophie Angelov
Kuratorenführung:
Mon 27 Jan 14:00
Berlinische Galerie
Alte Jakobstr. 124-128
10969 Berlin
+49 (0)30-78902600
bg@berlinischegalerie.de
www.berlinischegalerie.de
Wed – Mon 10 am – 6 pm
Rineke Dijkstra (*1959) zählt zu den renommiertesten
Foto- und Videokünstler*innen weltweit. Die Darstellung
von Identität ist das zentrale Thema ihrer
Porträts. Insbesondere faszinieren sie Lebensphasen
und Momente, in denen diese sich formt – Kindheit
und Jugend, aber auch prägende Ereignisse im
Erwachsenenalter wie die Geburt eines Kindes. Die
umfassende Retrospektive in der Berlinischen Galerie
präsentiert acht Serien und rund 80 Arbeiten von
Anfang der 1990er Jahre bis heute – darunter einige
Fotografien aus ihrem Archiv, die bisher nicht öffentlich
zu sehen waren. Ihre auf das Wesentliche reduzierten
Arbeiten sind zugleich von großer visueller
Verführungskraft und machen es Betrachter*innen
leicht, eigene Zugänge zu finden. Sie bieten einen
geradezu meditativen Raum und ermutigen, über
Individualität, (Selbst-)Inszenierung und den Ausdruck
von Persönlichkeit nachzudenken.
Dijkstra begreift die Kamera als Möglichkeit, sich
intensiv mit Menschen auseinanderzusetzen. Behutsam
nähert sie sich an, folgt langsam und konzentriert
ihrem Konzept, schließt jedoch spontane Weiterentwicklungen
oder Variationen nicht aus. Häufig
baut sie eine langwährende und intensive Verbindung
zu den Porträtierten auf. Diese empathische Vorgehensweise
zeigt sich in ihren Fotografien durch eine
besondere Sensibilität: Dijkstras Arbeiten fangen
fragile Momente, subtile Gesten ein, die zwischen
bewusster Pose und unbewusster Haltung liegen. Sie
vermag es, die Würde ebenso wie die Unsicherheiten
von Individuen herauszuarbeiten.
Die Künstlerin arbeitet mit einer 4x5-Zoll-
Großformat-Plattenkamera, mit der sie ihre Motive
frontal fotografiert. Das Ergebnis sind Bilder von
außergewöhnlicher Detailtreue und Präzision, deren
Komposition bis ins Detail durchdacht und umgesetzt
ist. Da für jede Belichtung ein separates Filmblatt
erforderlich ist, spielen Geduld, Zeit und Konzentration
sowohl für die Fotografin als auch das Modell
eine essenzielle Rolle. Gleichzeitig entspannen sich
die Porträtierten während dieser Vorbereitungen und
gewöhnen sich an die ungewohnte Situation.
Die Porträts reflektieren nicht nur, wie
wir uns der Welt präsentieren, sondern auch, was es
heißt, medial dokumentiert zu werden. Sie können
geradezu als Studien des menschlichen Verhaltens
vor der Kamera bezeichnet werden. Gerade vor dem
Hintergrund der Allgegenwärtigkeit von Sozialen
Medien bieten sie die Möglichkeit zur Auseinandersetzung
mit Authentizitätsansprüchen von Bildern
und sich wandelnden Strategien der (Selbst-)Inszenierung.
Die Einzelausstellung in der Berlinischen Galerie gibt einen Überblick über Dijkstras Werk, wobei ein besonderes Augenmerk auf dem Thema des Wandels und Übergangs liegt. Zentral sind hierfür die Serien "New Mothers", "Bullfighters" und "Almerisa". In der Präsentation werden verschiedene Fotografien aus ihrer "Park"-Serie, die zum Teil im Berliner Tiergarten entstanden sind, ebenso eine Rolle spielen wie Arbeiten aus ihrem Archiv, die bisher nicht öffentlich zu sehen waren. Dijkstra ist fasziniert von dem Thema Authentizität, der Art und Weise, wie Menschen ihre Persönlichkeit ausdrücken und wie sich eine gewisse Art von Unbefangenheit in Fotografien festhalten lässt. Dies wird besonders in ihren Videoarbeiten deutlich, von denen eine Auswahl präsentiert wird – neben ihrem ikonischen "The Buzz Club, Liverpool, UK / Mystery World, Zaandam, NL" (1996-97) auch "I See a Woman Crying" (2009).