
Ohne Titel, Hamburg, aus der Serie "Was ist Schönheit?", 1971
© Deutsche Fotothek + Stiftung F. C. Gundlach
Dirk Reinartz »
Fotografieren, was ist
Exhibition: 7 Sep – 16 Nov 2025
Sat 6 Sep 18:00

Kunsthalle Erfurt
Fischmarkt 7
99084 Erfurt
+49 (0)361-6555666
kunsthalle@erfurt.de
kunstmuseen.erfurt.de/kunsthalle
Tue-Sun 11-18, Thu 11-22

Abiturklasse Oliver, Hagen
© Deutsche Fotothek + Stiftung F. C. Gundlach
Dirk Reinartz
Fotografieren, was ist
Ausstellung: 7. September bis 16. November 2025
Eröffnung: Samstag, 6. September, 18 Uhr
Dirk Reinartz (1947–2004) gehört zu den bedeutenden Fotojournalist:innen und Bildautor:innen der späten Bundesrepublik und des wiedervereinigten Deutschlands. Ob bei seinen frühen Auftragsarbeiten – er wurde mit gerade 23 Jahren als jüngster Fotoreporter vom Stern eingestellt – oder in seinen freien Bildserien: Dirk Reinartz gelang es, durch eine präzise und pointierte Bildsprache gesellschaftspolitische Entwicklungen, kulturelle Umbrüche und konkrete Lebenssituationen von Menschen in feinsinnigen fotografischen Erzählungen festzuhalten.
Zentrales Thema in Reinartz’ Arbeiten ist die Beschäftigung mit Deutschland und den Deutschen. Zeit seines Lebens war er auf der Suche nach Motiven, in denen sich eine deutsche Identität zu erkennen gibt, mit all ihren Widersprüchen und historischen Verankerungen. Dazu gehören auch die deutsch-deutschen Beziehungen, die immer wieder Gegenstand seiner bildjournalistischen Arbeit waren, so in Beiträgen zu DDR-Umsiedlern (1984), Menschen in den Partnerstädten Jena und Erlangen (1987), Übersiedlern aus dem Westen in die DDR (1989) oder über das Zonenrandgebiet(1983). Mit der Deutschen Einheit 1990 setzte er seine vergleichende Herangehensweise fort, schaute nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten und beobachtete nun die Findungsprozesse einer gesamtdeutschen Gesellschaft.
Die Welt, die er zeigt, ist häufig gekennzeichnet von der Tristesse der gesellschaftlichen Zustände, der Ödnis der Groß- wie Kleinstädte und der Banalität des Alltäglichen, aber dennoch sind seine Bilder immer voller Zwischentöne. In ihnen verbinden sich analytische Schärfe und subtile Ironie mit einer grundsätzlichen Empathie und Offenheit. In Publikationen wie "Kein schöner Land" (1989) oder "Bismarck. Vom Verrat der Denkmäler" (1991) beleuchtete Dirk Reinartz die deutsche Erinnerungskultur. Einer seiner eindrücklichsten Zyklen ist "totenstill" (1994). Es ist eine typologisch angelegte Auseinandersetzung mit der Thematik des Massenmords anhand der baulichen Überresteehemaliger nationalsozialistischer Konzentrationslager in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Österreich, Frankreich, der Tschechischen Republik und in Polen, mit der er nach der Darstellbarkeit des Schreckens fragt.

Abiturklasse Bianca, Wittenberg
© Deutsche Fotothek + Stiftung F. C. Gundlach
Die US-amerikanischen Fotograf:innen des New Topographic Movement und der New Color Photography sind für ihn ebenso von Einfluss gewesen wie andere seiner Fotograf:innenkolleg:innen sowie zahlreiche bildende Künstler:innen. Viele von ihnen porträtierte Reinartz im Auftrag für das Kunstmagazin art. Seit den 1980er-Jahren arbeitete Dirk Reinartz mit dem Bildhauer Richard Serra zusammen. Beide verband eine tiefe Freundschaft, weit über die gemeinsame Arbeit hinaus. Dirk Reinartz’ Arbeiten erschienen in vielen großen Zeitschriften wie Der Spiegel, in den Magazinen der Süddeutschen Zeitung und der ZEIT. Die Ausstellung vergegenwärtigt sein Schaffen in Kapiteln entlang jener Spannungsfelder, die ihn zeitlebens beschäftigt haben, etwa Macht und Ohnmacht, Nähe und Ferne, Geschichte und Gegenwart.
2024 widmete ihm das Landesmuseum Bonn eine Retrospektive (16.5. bis 15.9.). Es war der erste umfassende Blick zwanzig Jahre nach seinem frühen Tod auf sein Oeuvre. Die Erfurter Kunsthalle zeigt nun diese Ausstellung.

"Lenkermahlzeit"
© Deutsche Fotothek + Stiftung F. C. Gundlach

Theresienstadt, aus der Serie "totenstill"
© Deutsche Fotothek + Stiftung F. C. Gundlach