
Etwa 350 Menschen flüchteten aus dem Dorf vor der vorrückenden Roten Armee
© Hanns Tschira / Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung
Der Treck – Fotografien einer Flucht 1945
Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert
Emilia Józiewicz » Thomas Meyer » Jean Proess » Martha Maria Schmackeit » Hanns Tschira » & others
Exhibition: 20 Jun 2025 – 18 Jan 2026

Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung
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© Hanns Tschira / Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung
"Der Treck – Fotografien einer Flucht 1945"
Ausstellung: 20. Juni 2025 bis 18. Januar 2026
80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt das
Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung die Sonderausstellung "Der Treck – Fotografien einer Flucht 1945". Gezeigt wird ein einzigartiger historischer Fotobestand, der die
Flucht von 350 Menschen aus dem niederschlesischen Lübchen nach
Sachsen dokumentiert. Die rund 140 Aufnahmen werden erstmals
vollständig präsentiert und in ihren Entstehungskontext eingeordnet.
Januar 1945: Obwohl Millionen Deutsche vor der Roten Armee in Richtung
Westen fliehen, entstehen kaum private Bilder: Fotografieren ist verboten
und die Menschen haben andere Sorgen. Bis heute wird die kollektive
Erinnerung deswegen stark durch offizielle Aufnahmen der Wehrmacht
geprägt. Doch es gibt eine bemerkenswerte Ausnahme: Der Treck aus dem
niederschlesischen Lübchen ist außergewöhnlich gut dokumentiert – von
zwei zivilen Fotografen, mitten im Chaos der letzten
Kriegsmonate.
Am 21. Januar verlassen rund 350 Menschen ihr Dorf, nur zwei Tage vor
dem Einmarsch der Roten Armee. Mit auf dem Weg sind der ehemalige
Bordfotograf Hanns Tschira und seine Mitarbeiterin Martha Maria
Schmackeit. Die strapaziöse Flucht ins Erzgebirge dauert fünf Wochen. In
dieser Zeit entstehen etwa 140 Aufnahmen – ein dichter, unmittelbarer
Blick auf einen Ausnahmezustand. Kein anderer Treck dieser Zeit ist
fotografisch so umfassend dokumentiert.
Die neue Sonderausstellung "Der Treck – Fotografien einer Flucht 1945“
macht diesen einzigartigen Fotobestand zum Ausgangspunkt einer
vielschichtigen Spurensuche: Wie konnte eine solche Bildserie überhaupt
entstehen? Und wieso wurde gerade der Treck aus Lübchen fotografiert?
Wer sind die Menschen hinter der Kamera? Was zeigen die Bilder und was
blenden sie aus?

Schenkung Hans-Joachim Krebs / Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung
Die Ausstellung gliedert sich in drei Teile und verbindet historische Bilder mit persönlichen
Geschichten, kritischer Analyse und Fotografien von heute.
Teil 1: Die Treckfotos
Im ersten Teil der Ausstellung steht die Fotoserie von Hanns Tschira und Martha Maria
Schmackeit im Fokus. Die Negative gelten als verschollen. Erhalten sind Abzüge, die Tschira in
den 1950er Jahren in seinem Fotolabor in Baden-Baden anfertigte. Die Fotos zeigen den Treck in
ruhigen, oft geordnet wirkenden Szenen: Marschierende Familien, Rastplätze, erschöpfte
Menschen, aber auch Momente gegenseitiger Hilfe. Die Ausstellung erklärt, was diese Bilder
sichtbar machen – und was sie ausblenden: das Chaos am Rand der Kolonnen, Hunger und
Krankheit, Gewalt gegen Zivilisten durch sowjetische Truppen, das Schicksal von
Zwangsarbeitern, die häufig mitfliehen mussten, und die oft nur wenige Kilometer entfernten
Todesmärsche von KZ-Insassen. So wirft der erste Teil auch die Frage auf, wie stark
Bildgestaltung unsere Erinnerungen beeinflussen kann.
Teil 2: Die Geschichte hinter den Bildern
Im zweiten Teil wird der Kontext der Aufnahmen rekonstruiert. Wer waren die Fotografen? Was
führte sie nach Lübchen an der Oder? Hanns Tschira betrieb dort während des Krieges eine
Bildagentur, seine engste Mitarbeiterin war Martha Maria Schmackeit. Ihre Biografien werden
ebenso nachvollzogen, wie die der Menschen auf ihren Bildern. Etwa die Schifferfamilie Krebs
aus Lübchen oder Jean Proess, der 1943 mit seiner Familie aus Luxemburg nach Schlesien
zwangsumgesiedelt worden war und seitdem Zwangsarbeit in Tschiras Labor verrichtete. Die
Ausstellung zeigt auch, wie die Treckfotos nach 1945 überliefert wurden und welche Rolle sie in
der Erinnerungskultur bis heute spielen.
Teil 3: Lubów heute – Spurensuche
Der dritte Teil widmet sich der Nachkriegsgeschichte des Dorfes, das die Flüchtlinge im Januar
1945 verlassen mussten. Aus dem deutschen Lübchen wurde das polnische Lubów. Seit drei
Generationen leben dort Menschen, die ebenfalls ihre Heimat verlassen und in der Fremde neu
anfangen mussten. Im Auftrag des Dokumentationszentrums porträtierte der Fotograf Thomas
Meyer (OSTKREUZ) unter anderem Emilia Józiewicz, deren Familie aufgrund ihrer ukrainischen Herkunft 1947 im Zuge der "Aktion Weichsel" aus Südostpolen nach Lubów zwangsumgesiedelt wurde. Die Serie mit 21 seiner eindrucksvollen Aufnahmen bildet den Abschluss der Ausstellung.

© Thomas Meyer / OSTKREUZ

Hier überquerte der Treck 1945 an einer Fährstelle die Oder © Thomas Meyer / OSTKREUZ