Martha Rosler »
If not now, when?
Spectrum – Internationaler Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen 2005
Exhibition: 30 Jan – 16 May 2005
Sprengel Museum Hannover
Kurt-Schwitters-Platz
30169 Hannover
+49 (0)511-16843875
sprengel-museum@hannover-stadt.de
www.sprengel-museum.de
Tue 10-20, Wed-Sun 10-18
Der Spectrum - Internationaler Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen wird 2005 an die in New York lebende Künstlerin Martha Rosler vergeben.
Damit wird eine Persönlichkeit geehrt, deren bis in die Mitte der 1960er Jahre zurückreichendes Werk außerordentlich vielschichtig ist. Immer nimmt es sehr entschieden Stellung zu aktuellen, gesellschaftlich relevanten Themen. Mit den von ihr erarbeiteten Strategien der Kritik der Verhältnisse ist Martha Rosler für mehrere Generationen jüngerer Künstlerinnen und Künstler zu einer der wichtigsten Lehrer- und Symbolfiguren interventionistischer Praxis im Kunstbetrieb geworden.
Die Ausstellung Martha Rosler "If not now, when?" SPECTRUM – Internationaler Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen im SPRENGEL MUSEUM HANNOVER gibt einen breiten Überblick über das Schaffen der in Brooklyn/New York lebenden Künstlerin, das bis in die Mitte der 1960er Jahre zurück reicht. Martha Roslers Werk erschließt sich auf den ersten Blick nicht zwingend als ein fotografisches. Obschon eine ihrer wenigen frühen fotografischen Arbeiten, The Bowery in two inadequate descriptive systems (1974-75), sicherlich zu ihren inzwischen bekanntesten Serien zählt, schien es über Jahre, als würde sich diese Künstlerin vor allem als Bilderstürmerin betätigen. Es sind die geglätteten Bilder der Massenmedien und die sich in ihnen artikulierenden Interessen, denen sie ihre unermüdlich polemische, analytische Aufmerksamkeit widmet.
Die Auseinandersetzungen, die die Künstlerin in ihren Video- und Textarbeiten, Installationen und Performances führt, finden ihren Ausgangspunkt oftmals in den scheinbaren Ritualisierungen des Alltags - in dem, was gewöhnlich und selbstverständlich erscheint: sich Ernähren, Wohnen, Einkaufen, Reisen, Nachrichten sehen, Zeitung lesen… Indem Rosler diese Rituale – oft in überspitzter Form – vorführt und zugleich komplexen Untersuchungen unterzieht, macht sie sichtbar, auf welche Art und Weise diese Tätigkeiten gesellschaftlichen Normierungen unterliegen.
Rosler zielt auf ein breites Publikum und auf Kommunikationsstrukturen außerhalb des Kunstsystems. Daher wählt sie oft visuelle Formen, die aus den Massenmedien vertraut sind. Sie arbeitet zumeist mit billigen Ausgangsmaterialien, die dem Alltag entstammen und strukturiert sie mithilfe technisch oft banal wirkender Eingriffe um. Diese oft rohe ‚Antiästhetik’ folgt – im Dienste der Veranschaulichung des Produktionsprozesses – dem Interesse an Verfremdungseffekten, die die illusionistische Identifizierung der BetrachterInnen mit dem Kunstwerk unterbinden. Ihre Arbeiten sind zudem oft von einem bitter-burlesken Humor getragen, der diesen Entfremdungseffekt verstärkt.
Dabei richten sich ihre polemischen Angriffe, die zugleich von einem stark didaktischen Impuls getragen sind, nicht selten direkt auf die globalen Interessen, denen solche geschönten Bilder dienen. Die Installation Global Taste: A Meal in Three Courses (1985) etwa verhandelt anhand von Themen wie Kindheit und Nahrung Strategien des Kultur- und Neoimperialismus.
In dem Video A Simple Case for Torture, or How to Sleep at Night (1983) z. B. klagt Rosler die amerikanische Presse als Übermittlerin von Fehlinformationen an, die – über die Ausnutzung diffuser Ängste – z. B. darauf zielen, Folter unter bestimmten Bedingungen legitim erscheinen zu lassen.
In der Foto-Text-Arbeit The Bowery in two inadequate descriptive systems (1974-75) konfrontiert Rosler menschenleere s/w-Aufnahmen von heruntergekommenen Geschäftsfassaden mit Texten, die verschiedene umgangssprachliche Bezeichnungen für den Zustand des Berauschtseins wiedergeben. Auf diese Weise diskutiert sie die unzulänglichen Möglichkeiten der Dokumentarfotografie und der Sprache im Hinblick auf die Verhandlung konkreter sozialer Erfahrungen.
Das seit Mitte der 1980er Jahre entstehende fotografische Oeuvre ist außerordentlich umfangreich und folgt der analytischen Interessenlage ihres übrigen Werkes. Die auf Flughäfen, in Fußgängerzonen und Shopping Malls, in U-Bahnhöfen, auf Highways und in Vorgärten und Parks entstehenden Aufnahmen ordnen sich auf den ersten Blick nach den klassischen Konventionen fotografischer Komposition. In ihren Präsentationen allerdings führt Rosler Bilder und Texte zu deskriptiven Beschreibungen öffentlicher Räume zusammen. Sie beschreibt sie als entfremdete, räumliche Systeme der Kanalisation von Waren und Menschen im Interesse des Kapitals an der effizienten Domestizierung von Vorstellungen und Bedürfnissen. In dem vielleicht überraschendsten Zweig dieser ausufernden Produktion, ihren Fotografien von Blumen, führt sie einen vielschichtigen Diskurs nicht nur über die Domestizierung der Natur, sondern auch über den Status des Schönen als Objekt in der Kunst.