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The Private Transport Show
Rotterdam, 115 x 150 cm
© jens semjan

Jens Semjan »

The Private Transport Show

Exhibition: 30 Nov 2007 – 2 Feb 2008

traversée Zeitgenössische Kunst

Theresienstraße 56 b
80333 München

Galerie Traversée

Theresienstraße 56 b
80333 München

089-18006663


www.traversee.com

closed

The Private Transport Show
Fuerteventura, 115 x 150 cm
© jens semjan

Traversée präsentiert mit großer Freude die Ausstellung The Private Transport Show von Jens Semjan. Der Deutschen liebstes Kind zwischen Kultobjekt und der Schmuddelecke der Umweltsünder - das Thema der Private Transport Show von Jens Semjan in der Galerie Traversée ist emotional höchst aufgeladen, und das nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über Klimawandel, Ölpreis und Schadstoffausstoß. Im Auto treffen die Ideale und Sehnsüchte aller Gesellschaftsschichten aufeinander. Die Ausstellung feiert noch einmal motion and emotion: den Rausch der Geschwindigkeit und die Faszination des Autofahrens jenseits aller Vernunftüberlegungen - die naive Sicht des Themas wird aber durch übertriebene Ästhetisierung einerseits, durch politische Konnotationen andererseits problematisiert. Der Autofahrer, des Selbstbetrugs überführt, erscheint schließlich wie in einem Zustand des rasenden Stillstands gefangen. Mit den subjektiven Assoziationen, die allein der Anblick bestimmter Autos auslöst, spielt die Fotoserie Royale 88 und der dazugehörige Video-Loop. Das Auto, ein typisches Modell aus Gangsterfilmen der 80-er Jahre, wird hier mit einigem Nachdruck in Szene gesetzt und zum Fetisch stilisiert. Auf den Bildern ist es auf Landstraßen vor wechselnder Kulisse, an Tankstellen und vor Drive-in-Restaurants zu sehen, wobei der Fahrer nicht zu erkennen ist. Im Video gerät das gleiche Auto auf einem Feldweg ins Schleudern, wirbelt Sand hoch und dreht Pirouetten. Da weder Menschen noch eine allzu aufdringliche musikalische Untermalung von der Bewunderung des Royale 88 ablenken, wird das Konzept eines Roadmovie auf die Spitze getrieben und die dahinterstehende Idee als reines Product Placement, als Werbung für eine bestimmte Marke und ihr Image entlarvt. Die Arbeit ist damit auch eine Zeitreise in die Jahrzehnte vor der Verdammung des Autos als Klimaschädling, in jene Epoche, in der die PR der Automobilindustrie noch ganz auf Leistung, Dynamik und Tempo setzte und Autos "wie Potenzmittel" bewarb (Renate Künast). Auch im fotografischen Storyboard The Chase #1 - The Chase #8 wird noch einmal Vollgas gegeben und ungebremst dem automobilen Irrsinn gefrönt. Die Bilder zeigen eine nächtliche Verfolgungsjagd zwischen der Polizei und einem grünen Lamborghini auf perfekt ausgeleuchteten, mehrspurigen Autobahnen, gewürzt mit einigen popkulturellen Zitaten aus dem Film "Bullitt" (1968). Wie Lichtgestalten rasen die drei Autos durch die nächtliche Szenerie, und man fühlt sich an die Klischees der üblichen Automobilwerbung mit ihren Bildern von Berg-und-Tal-Fahrten und ihrer Rede vom "leidenschaftlichen" Autofahren erinnert. Ähnlich wie in "Royale 88" scheint das Auto autonom zu agieren, es emanzipiert sich von seinem Fahrer und tritt als der eigentliche Held der nur rudimentär angedeuteten Handlung zutage. Indem das hirnlose Gasgeben in den beiden Werken überästhetisiert und aus allen Kausalzusammenhängen gerissen wird, erscheint der Autokult als fragwürdige Effekthascherei, von der sich der Betrachter innerlich distanziert. Mit der symbolischen Dominanz des Autos spielt der Künstler in La Maison Guillaume, dem Miniaturmodell eines amerikanischen Wohnmobils, indem er eine Parallele zwischen dem hippiesken Gefährt als Statement für individuelle Freiheit und dem politischen Freiheitsgedanken zieht: Der Freiheitsdrang des Aussteigers Guillaume, so erfährt man, fand in der Wüste ein abruptes Ende, an einer Barriere mit der Aufschrift "Fin de la Démocratie". Die Emanzipation des Individuums ist angewiesen auf die freiheitliche Grundordnung, und der amerikanische Traum zerstört sich selbst, wenn er die eigenen Werte naiv als universal voraussetzt. Dem Freiheitssuchenden steht eben keineswegs die ganze Welt offen, seine Freiheit ist immer begrenzt. Von Individualismus und Freiheit des Einzelnen im Rahmen des demokratischen Gleichheitsprinzips erzählt auch die Arbeit Erlaubnis zur Führung eines Kraftfahrzeuges, ein Plagiat des gefälschten Führerscheins des RAF-Terroristen Andreas Baader. Wegen unzähliger Autodiebstähle und Fahrens ohne Führerschein war Baader schon lange vor der RAF vorbestraft und saß deswegen auch mehrmals im Gefängnis. Laut Zeitzeugen interessierten ihn Autos mehr als die Revolution, und nicht nur als Fluchtvehikel: Er klaute bevorzugt die großen Marken, zuletzt fuhr er Porsche. Während er auf diese Weise den Rausch und die persönliche Freiheit suchte, bekämpfte er die demokratische Grundordnung mit Bankraub, Entführung und Mord. Der Staat benutzte die terroristischen Aktivitäten der RAF seinerseits als Vorwand, um Aufrüstung und die Erweiterung der Rechte von Polizei und Geheimdiensten zu rechtfertigen und die Freiheiten der Bürger weiter einzuschränken. In der sehr realistischen Fälschung des gefälschten Führerscheins Baaders klingt die symbiotische Beziehung zwischen Terrorismus und Staatsmacht an, die beide von sich behaupten, die Freiheit gegen die jeweils andere Fraktion zu verteidigen. Auf pointierte Weise setzt sich Semjan hier und in der Guillaume-Geschichte mit dem Januskopf der Freiheit auseinander, der im Autofahren seinen Ausdruck findet, und geht damit in der symbolischen Aufladung des Autos und der Fahrfreude viel weiter als in den beiden anderen Arbeiten der Ausstellung. Der Mythos Auto ist entlarvt, der Autofahrer, der sich für frei und souverän hält, träumt in Wirklichkeit nur den Traum der Gesellschaft, ahmt vorgegebene Freiheitsposen nach und fügt sich in fremde Denkstrukturen ein - die der Automobilindustrie oder der Obrigkeit. (Text: Mona Clerico)

The Private Transport Show
Airstream, 50 x 50 cm
© jens semjan
The Private Transport Show

© jens semjan