Die kanadische Künstlerin Lynne Cohen (*1944) gehört zu den wichtigsten Vertreterinnen der konzeptuellen Dokumentarfotografie. Seit mehr als dreißig Jahren fotografiert die Künstlerin Architekturen und Interieurs. In den von ihr fotografierten Räumen und Einrichtungen finden sich vielfältige soziologische und psychologische Verweise. Lynne Cohen zeigt immer wieder besondere Orte: Forschungseinrichtungen, medizinische Labors, Militärschulen, Spezialfabriken oder Lehrräume von Universitäten und Schulen. Stets fotografiert sie menschenleere Szenen. Rätselhafte und komplexe Aufbauten lassen den Betrachter häufig ratlos zurück. Eine konkrete Interpretation des Abgebildeten fällt zunächst schwer. Viel wichtiger aber als die Entschlüsselung des Gezeigten ist die Stimmung, die sich in diesen Bildern ausdrückt. Lynne Cohen zeigt eine technische und verwaltete Welt, die hochspezialisierte Tätigkeiten benötigt, dabei aber gleichzeitig ein Gefühl der Entfremdung und Vereinzelung befördert. Obwohl die meisten dieser Tätigkeiten mitten in der Gesellschaft stattfinden und klar funktionalisiert sind, sind sie uns dennoch häufig unbekannt und geschehen im Verborgenen. Die Fotografien basieren aber nicht allein auf einem soziologischen oder psychologischen Interesse, sondern sind gleichermaßen von einem subtilen Humor geprägt, mit dem die Künstlerin den Absurditäten und Zumutungen des täglichen Lebens begegnet. Die Künstlerin inszeniert keines der Sujets und greift nicht in die Szenarien ein. Was sie abbildet, hat sie in dieser Weise vorgefunden. Durch ihr präzises Vorgehen gelingt es Lynne Cohen, einzigartige Fotografien in einer dichten und zwangsläufigen Form zu schaffen. Ihre Arbeit hat sich als stilbildend für eine ganze Generation von Fotografinnen und Fotografen erwiesen. Im Museum für Photographie Braunschweig wird Lynne Cohen ihre neue 10-teilige Farbfotografie-Serie Clear Arrangements aus dem Jahr 2007 zeigen. Ergänzt wird diese Präsentation durch eine Auswahl aus ihrer Schwarz-Weiss-Serie Camouflage die seit Anfang der 70er als work in progress entsteht.