Pfadfinder
Curatorial Proyectos Durango
Mario Ertel » Andreas Gehrke » David J. Hotz »
Exhibition: 8 Nov – 22 Nov 2008
M3 Kunsthalle
Mengerzeile 1-3
12435 Berlin
+49 (0)30-42085968
www.atelierhaus-mengerzeile.de
Fri-Sun 14-19
Als letzter Teil der vom Curatorial Proyectos Durango durchgeführten Ausstellungstrilogie findet im Monat der Fotografie eine Fotoausstellung mit dem Titel Pfadfinder statt. www.artsaloon.net contact@artsaloon.net Fotografien sind Spuren und wirken als Spuren. Die Fotografen Majo Ertel, David J. Hotz und Andreas Gehrke nähern sich in ihren Werken diesem Wesensmerkmal der Fotografie in unterschiedlicher Weise. Spuren aufzeichnen: In der Serie Haltestelle (2001-2002) entwirft Majo Ertel (Jg. 1978 ) eine Typologie des Bushäuschens wie sie in den Brandenburgs, Craco do Divors und Kleinosidas dieser Welt zu finden sind. Nutzarchitekturen zwischen Provisorium und Dauerhaftigkeit, gekennzeichnet durch die Kombination von Halteschild und überdachtem Warteraum, kleine Inseln der Langeweile inmitten unspektakulärer Landschaften. Das große Format dieser Fotografien bietet dem Betrachter die Möglichkeit zum Ausharren und Innehalten. Doch ist dieses Warten nicht unbedingt kontemplativ anregend, sondern könnte auch sinnlos sein, zu unklar bleibt, ob diese Haltestellen nicht schon längst aufgegeben wurden. Das fotografische Abbild zeichnet hier Spuren auf. Spuren unbedeutender Orte, Spuren der Verwitterung und Spuren menschlicher Organisation. Spuren, die bei vertrauten, banalen Gegenständen kleine Details zum Vorschein bringen, die das Bild, zwar nicht zu etwas anderem werden lassen als dem Erkennbaren, aber dennoch einen verschobenen Blick oder eine andere Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand bieten. Hätte man sonst die obligatorischen, orangefarbenen Mülleimer bemerkt, die als klischeehaftes Distinktionsmerkmal deutsche von portugiesischen Bushaltestellen zu unterscheiden scheinen? Oder die akkurate Geradlinigkeit der weißen Straßenlinien, die auf ein "Außen" des Bildes und somit auf einen möglichen Ankunftsort verweisen? Spuren suchen: Gibt es in den Bildern Ertels noch die Möglichkeit eines herannahenden Ereignisses, so ist die Zeit in der schwarz-weiß Dokumentation "It's all so quiet" (2003) von David J. Hotz (Jg. 1971) stillgelegt. Hotz macht sich auf die Suche nach Spuren des ehemaligen Parcours des Autodrome Nazionale di Monza, einer der ältesten Rennstrecken der Welt, die heute auf eine andere, modernisierte Route ausgewichen ist. Seine Interesse für den Motorsport überträgt Hotz auf seine fotografische Herangehensweise, indem er unter anderem die Biegungen und Gefälle der Rennstrecke durch die niedrige Kameraperspektive nachzuempfinden versucht. Der Fotograf begibt sich auf Spurensuche, er sucht die von der Natur überwucherte Strecke nach Merkmalen ab - eine unleserliche Straßenmarkierung, eine verschrottete Leitplanke- die auch ohne das Wissen um die Geschichte die vermeintliche Aura des Ortes suggerieren sollen. Eine der Eigenschaften der Fotografie ist es, so Susan Sontag, lebendige Gegenstände in leblose Dinge zu verwandeln und leblose Gegenstände lebendig werden zu lassen. Die stillgelegte Rennstrecke für die sich der Fotograf zu begeistern scheint, wird durch den Akt des Fotografierens lebendig, lebendig im Moment des Betrachtens. Spuren sichern: Andreas Gehrke (Jg. 1975) geht einen Schritt weiter. Als Diptychen oder Tryptichen mit leicht versetzten Motivansichten konzipiert, scheint sich das Gegenständliche in den menschleeren Landschaften aufzulösen. Dichtes Gebüsch, kantige Felshänge und filigrane Ast- und Baumformen verweben sich mit den monochromen, schönen Farben zu einer merkwürdigen Struktur, die trotz der klaren räumlichen Distanz des Fotografen zum Abgebildeten den Eindruck vermittelt, man sehe durch ein Vergrößerungsglas hindurch. Dabei wirkt die leichte Verschiebung des Bildausschnitts innerhalb der korrespondierenden Bildpaare wie eine Potenzierung dieser Strukturen und zugleich wie eine Auforderung zum genaueren Hinsehen. In der Bildserie " The Ionian Road" (2007) fotografiert Gehrke die Hügellandschaft der griechischen Halbinsel Peloponnes, eine Gegend die den katastrophalen Waldbränden im Sommer 2007 zum Opfer fiel. Das Ausmaß der Brände und die zunächst sehr langsam anlaufende Brandbekämpfung seitens der Behörden führten bald zu heftigen Spekulationen, die in der Ursache der Brandstiftung die politisch und wirtschaftlich orchestierte Gewinnung von Bauland vermutete. Über ihr ästhetisches Erscheinungsbild hinaus, funktioniert die Fotografie Gehrkes hier nicht nur wie eine Spur der Vergangenheit, sondern verweist gleichsam auf die Fähigkeit der Fotografie Spuren zu sichern. Estelle Blaschke