Spaces / Räume
Daniel Schwartz » Christian Vogt »
Exhibition: 5 Mar – 19 May 2010
Galerie Zur Stockeregg
Stockerstr. 33
8022 Zürich
SPACES. PHOTOGRAPHS BY CHRISTIAN VOGT AND DANIEL SCHWARTZ In the exhibition entitled "Spaces", Zur Stockeregg Gallery features two outstanding Swiss photographers: Christian Vogt and Daniel Schwartz. The works of both artists are explored from an angle of spatiality - the term "space" being used in a broader sense, thus comprising both nature and interiors as well as adhering to spatial and temporal extension. Christian Vogt and Daniel Schwartz - how different are both their pictorial languages and their choices of motives! Yet, in one aspect, the oeuvres of these two photographic fixed stars are congruent, after all: both result from the extensive examination of a particular field of photographic interest. Vogt and Schwartz take the time to find the perfect setting; neither would press the release button repeatedly on the same subject to select the best picture from a series of similar shots. Instead, both artists commit to the tradition of black-and-white photography, where the taking of a picture must be preceded by a focused quest for the ideal setting. Every photograph by Christian Vogt (*1946) is comparable to the tip of an iceberg: it is the visible part of an emotionally perceivable whole. Consequently, in the series "Naturräume" ("Open Spaces"), the artist is not interested in the meticulous rendering of the flora, but rather in the impact of the organically interwoven space on the beholder and his emotional reaction to it. Vogt’s settings seem to be chosen to render orientation impossible: No bright sky is visible, allowing the eye to escape the thicket; instead, the missing horizon hampers the assessing of the spatial dimensions and forces it to unrestingly wander about in the picture. Where space opens up and encroachment into the depth seems possible, the eye gets lost in the denseness of the shrubs; the panoramic view intensifies the impression of being surrounded and swamped even more. Intoxicated by the essence of the landscape, the beholder remains hypnotized and bereft of all sense of time. - Where the significance of Vogt’s open spaces is based on the dense information content of the selected view, his "Innenräume" ("Interiors") captivate the eye by their striking immediateness. Here, the panoramic view allows the artist to show several adjoining rooms in only one picture and, thus, depict contemporaneity. Hence, Vogt’s horizontal interiors are, if nothing else, spaces of time. The time factor looms large in the works of Daniel Schwartz (*1955), too. However, the spaces of time he refers to tend to span hundreds of years: Already the early works of the widely travelled reportage photographer - we are delighted to present several hitherto unexhibited works - reflect his interest for the history of mankind. Schwartz comments on the coexistence of man and nature mostly in a melancholic manner: In his photographs, the Great Wall of China or the scaffolded Erechtheion on the Acropolis - both outstanding remains of former advanced civilizations - attest to the vain human attempts to build (or to preserve) for eternity. In a different picture, a pine-tree stands as a symbol of rootedness, while some wheels, propped against its stem, represent the human pursuit of technological and cultural progress; here, the artist presents space as an allegory for the antagonism of movement and standstill. Schwartz is a master in using unagitated rhetoric to convey profound topics. In his works, temporal, natural, and cultural spaces collide. Paulina Szczesniak, February 2010
RÄUME. FOTOGRAFIEN VON CHRISTIAN VOGT UND DANIEL SCHWARTZ Mit der aktuellen Ausstellung unter dem Titel "Räume" führt die Galerie Zur Stockeregg zwei herausragende Schweizer Fotografen zusammen: Christian Vogt und Daniel Schwartz. Die Werke der beiden Künstler werden unter dem Aspekt der Räumlichkeit beleuchtet, wobei der Begriff "Raum" im weiteren Sinne zu verstehen ist und somit Natur- und Innenansichten ebenso umfasst, wie er örtliche und zeitliche Erstreckungen untersucht. Christian Vogt und Daniel Schwartz - in Motivwahl und Bildsprache unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Und doch sind die Arbeiten dieser beiden Fixsterne am Schweizer Fotohimmel in einem Punkt deckungsgleich: Sie sind das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Bildthema. Beide Künstler nehmen sich Zeit für die optimale Einstellung, schiessen lieber kein Bild als ein banales. Weder Vogt noch Schwartz betätigen den Auslöser einfach reflexartig, um danach aus einer Bilderflut die besten Aufnahmen auswählen zu können. Stattdessen fühlen sich beide der traditionellen Schwarz-Weiss-Fotografie verpflichtet, wonach der Werkgenese eine konzentrierte Suche nach der richtigen Einstellung vorausgehen muss. Die Fotografien von Christian Vogt (*1946) sind immer erst die Spitze vom Eisberg: Sie sind der sichtbare Teil eines nur emotional wahrnehmbaren Ganzen. So geht es dem Künstler in der Serie "Naturräume" nicht um die akkurate Wiedergabe der Flora, sondern um die Wirkung des organisch verflochtenen Raumes auf den Betrachter sowie dessen daraus erwachsende emotionale Reaktion. Vogts Ansichten sind stets so gewählt, dass sie eine Orientierung unmöglich machen: Kein lichtvoller Himmel ist zu sehen, in den das Auge dem Dickicht entfliehen könnte; stattdessen erschwert der fehlende Horizont das Einschätzen der Dimensionen und lässt den Blick rastlos über das Bild wandern. Wo sich der Raum öffnet und ein Vordringen in die Tiefe möglich scheint, verliert man sich alsbald in der Dichte des Buschwerks; die Panorama-Ansicht verstärkt den Eindruck des Umzingelt-Seins und Verschlungen-Werdens noch zusätzlich. Von der Essenz der Landschaft berauscht, bleibt der Betrachter hypnotisiert und jeden Zeitgefühls beraubt zurück. - Wo die Aussagekraft von Vogts "Naturräumen" im dichten Informationsgehalt der gewählten Bildausschnitte gründet, bestechen seine "Innenräume" durch ihre frappierende Unmittelbarkeit. Hier ermöglicht das Panoramaformat dem Künstler, mehrere nebeneinander liegende Räume im selben Bild zu zeigen und so Gleichzeitigkeit darzustellen; entsprechend sind Vogts horizontale Innenräume nicht zuletzt Zeiträume. Der Faktor Zeit spielt auch in den Werken von Daniel Schwartz (*1955) eine zentrale Rolle. Allerdings umspannen die von ihm thematisierten Zeiträume oft gleich Jahrhunderte: Bereits im Frühwerk des weitgereisten Reportagefotografen - wir freuen uns, einige noch nie ausgestellte Arbeiten daraus zu zeigen - spiegelt sich sein Interesse für die Geschichte der Menschheit. Dabei kommentiert Schwartz die Koexistenz von Mensch und Umwelt im Bewusstsein der longue durée zuweilen in melancholischem Tonfall: So zeugen etwa die Chinesische Mauer oder das eingerüstete Erechtheion auf der Akropolis, raumgreifende Überreste einstiger Hochkulturen, vom letztlich zum Scheitern verurteilten Versuch des Menschen, Bleibendes zu schaffen - oder Bestehendes zu konservieren. Und wo eine Pinie Sinnbild für Verwurzelung und natürliche Ortsgebundenheit ist, während einige an ihren Stamm gelehnte Räder das menschliche Streben nach Fortschritt repräsentieren, da definiert der Künstler Räumlichkeit mithilfe des Antagonismus von Stillstand und Bewegung. So versteht es Schwartz meisterhaft, mit unaufgeregter Rhetorik profunde Inhalte zu vermitteln, während in seinen Werken Zeit-, Natur- und Kulturräume kollidieren. Paulina Szczesniak, Februar 2010