Jörg Koopmann »
Not sure, where my sparkle is residing
Exhibition: 7 May – 19 Jun 2010
Galerie Sonja Junkers
Amalienstr. 45
80799 München
089-24293724
mail@sonjajunkers.com
www.sonjajunkers.com
Mi-Fri 12-18 . Sat 12-16 +
Jörg Koopmann - Not sure, where my sparkle is residing Interview mit Sonja Junkers (SJ) SJ: Deine neuen Arbeiten, aufgenommen zwischen 2008 und 2010, wirken sehr unmittelbar, obwohl sie nicht den Charakter eines Tagebuches haben. JK: Es gibt für die Serie Not sure, where my sparkle is residing insgesamt kein übergeordnetes Thema, keine klar definierte Klammer um die Bilder, also rückt automatisch der Autor stärker in die Wahrnehmung. Aber mir geht es um meinen Blick auf die Dinge und Menschen, auf die ich aufmerksam werde, nicht um mich. SJ: Entsteht dennoch durch das Editieren deiner Fotografien eine Art Selbstportrait? JK: Bestimmt nicht in einzelnen Motiven, aber im Prozess der Auswahl und Zusammenstellung steckt natürlich viel von mir drin. So wie du mir kürzlich geschrieben hast, "by the way, ich liebe dieses Foto von dem blinden Mann" und ich mich fragte, ob es wohl "ich liebe dieses Foto mit dem blinden Mann" heißen sollte. SJ: Auf einem anderen deiner Fotos sehe ich einen Mann, der gedankenverloren telefoniert. Er scheint seine Umwelt nicht wahrzunehmen. JK: Es sind ganz alltägliche Momente, soziale Phänomene und normale menschliche Reaktionen, die mich rühren. Manchmal fühlt es sich an, als könnte man jemandem beim Denken zusehen, ohne wirklich zu wissen was da gerade alles vor sich geht. Und schon entstehen in meinem Kopf neue Bilder. SJ: Sind deine Fotografien als Teil einer Serie zu verstehen? JK: Die Bilder stehen in einem skizzenhaft ausgebreitetem Kontext, aber entstanden sind sie als einzelne Bilder und kommen auch alleine gut klar. SJ: Manche Motive tauchen immer wieder auf. JK: Beim Fotografieren bilden sich Muster heraus, ich reagiere auf ähnliche oder gleiche Impulse. Meine Bilder entstehen aus dem Sehen oder Erleben und nicht aus einem einzelnen Gedanken. Als Arbeit entsteht gewissermaßen eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem. SJ: Für deine Arbeit Born in Brennen hast du dich oft an Orte begeben, die eine historische oder politische Bedeutung haben. JK: Ja, mir ging es da um spezifische Orte. Ich versuchte - ebenso wie der Betrachter - Bezüge herzustellen zu diesen Orten, um die eigene Erwartungshaltung oder Vorurteile zurechtzurücken. Bei der Serie Not sure, where my sparkle is residing stehen die kleinen Ereignisse in meinem Interesse. SJ: An einem knallroten Einkaufswagen wurden Eisenstangen angebracht, danach ist er anscheinend irgendwo auf der Straße einfach stehen gelassen worden. Was interessiert dich an dieser Situation? JK: Eines der Ausgangsmotive, so einfach, schön und seltsam existenziell. Da steht ein Warenkorb, irgendwie auch ein Symbol des online-shopping, nun im realen, urbanen Raum wie in einem Spotlicht und wirkt mit seinem Tuning fast lebendig, so voller Geschichten. Ich glaube, solch unterbewusste Bilder sind bei mir oft der Auslöser für ein Foto. SJ: Du arbeitest auch als angewandter Fotograf. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen deiner künstlerischen und deiner angewandten Fotografie? JK: Klingt fast nach "zwischen palästinensischer und israelischer Fotografie", untrennbar, unversöhnlich! Wenn es gut ist, hat beides einen Mehrwert jenseits der Zahlenwelt. SJ: Was ist für dich der Unterschied zwischen Fotografien in Büchern und Magazinen und an der Wand? JK: Und am Monitor nicht zu vergessen! Ich mag jegliche Form und deren Stärken und Einschränkungen - auch zu sehen wann und wo Bilder nicht so gut aufgehoben sind, ist spannend. Und dass man immer wieder neu darüber nachdenken oder erleben kann, warum man sich plötzlich in ein Bild verlieben mag oder den Missbrauch von Fotografie spürt. SJ: Warum entscheidest du dich für ein bestimmtes Format für deine Fotografien? JK: Die Frage ist doch primär wann sich ein Bild aufdrängt oder entzieht und das ist abhängig vom Kontext. Eigentlich mag ich kleine Formate, weil das eine gewisse Kultur hat, und auch historische Fotos nie groß waren. Und weil sie eine Nähe fordern. Aber seit Fotos die Formate von Hausfassaden haben, ist das vielleicht auch anachronistisch oder sogar nostalgisch. SJ: Zeigst du deine Fotos chronologisch? JK: Das interessiert mich bei Projekten wie 149tage.de von Martin Fengel und mir, oder bei Serien wie Martins yesterday, bzw. online von Peter Langer. Aber eine Zeitachse kann auch langweilen und mir erscheint für meine Arbeit nun ein Zeitrahmen ohne Chronologie als passender. Als Ausstellung sind meine Fotografien doch mehr ein visueller Essay jenseits linearer Erzählstrukturen. SJ: Warum sind diese Bilder alle in Farbe? Ich kenne aus früheren Serien wunderbare schwarz/weiß-Fotos von Dir. JK: Um sie möglichst konkret und real wahrnehmbar zu zeigen: ich mag dieses Potential der dokumentarischen Bildsprache, dass man der abgebildeten Szene intuitiv Glauben schenkt. Eine schwarz/weiße Abstraktion wäre zwar schön, aber verklärt unterschwellig den Blick. SJ: Welche Fotografen sind dir als Bezugspunkte wichtig? JK: Um mal über all die offensichtlichen Referenzen und großen Lieben wie Lewis Baltz hinaus an euphorische Momente zu denken: Helen Levitt und ihre Straßenszenen, Masafumi Sanai und seine Bücher, und Serien wie RFK von Paul Fusco, Evidence von Larry Sultan, Von Erde schöner von Peter Piller, Ruth von Nigel Shafran, und kürzlich Greater Atlanta von Mark Steinmetz, und generell David Goldblatt und Martha Rosler. Und die Liste ist noch lange... SJ: Was ist es, das dich an diesen Projekten so fasziniert? JK: Das sind ja doch sehr unterschiedliche Ideen mit Fotografie umzugehen, aber alle eint ein sehr präziser Blick auf ihre Umgebung und Zeit, oder es liegt eine charmante Einfachheit in der Idee einer Serie. Alles erscheint eher mitten aus dem Leben gegriffen, dennoch wird eine komplexere Lesart möglich.