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Kein Schweiß aufs Holz
"Kein Schweiß aufs Holz"

Kein Schweiß aufs Holz

Constantin Hartenstein » Iris Musolf » Karin Then » Clemens Wilhelm »

Exhibition: 16 Apr – 20 Jun 2010

PG Lab medienlabor


Berlin


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Kein Schweiß aufs Holz
"MACHT NICHTS" von Clemens Wilhelm

Kein Schweiß aufs Holz Längst gehört der Umgang mit und die Produktion von medialen Erzeugnissen für die Kinder der 1980er Jahre zum guten Ton. Nehmen, kommentieren, sampeln, remixen, weitergeben. Die Trennung von Avantgarde und Kitsch, von High und Low Culture ist aufgehoben. Verwendet wird, was gefällt. Auch Constantin Hartenstein, Iris Musolf, Karin Then und Clemens Wilhelm haben sich diesen kulturellen Praktiken angenommen und sind in ihnen zu Hause. Verwendung findet vermeintlich Triviales wie Video, Kino-Blockbuster, Roman-Bestseller, Urban Screen, T-Shirt und Button - sämtlich vertraut aus Massenmedien und Werbung. Jedoch nicht um sich in ironischer Weise direkt davon zu distanzieren, sondern einfach weil es dem alltäglichen Repertoire entstammt. Das Ideal der "ernsthaften Kunst" muss hier niemand mehr retten. Dass die Massenmedien unter Generalverdacht der Manipulation stehen, ist längst bekannt (vgl. auch zu Kunst und Werbung Holger Liebs, 2006). Trotzdem kann man den vier Künstlern nicht vorwerfen Kritik-Verweigerer zu sein, apolitisch oder gar Ja-Sager. Medienkritische Positionen werden ebenso mitgedacht, wie explizit thematisiert. Als Kinder ihrer Zeit geben sie sich dem Vergnügen hin, mit den Medien zu spielen und sie sich zu Eigen zu machen, um mit ihnen schließlich eigene Geschichte/n zu schreiben. Das Monopol auf das Schreiben von Bedeutung wird nicht den anderen überlassen. Hier wird mitgeschrieben. Gefundenes wird als Schablone verwendet und an Eigenes und Fremdes auf der Suche nach Übereinstimmung, doch vor allem auf der Suche nach der Differenz zwischen Signifikant und Signifikat angelegt: "Mind the gap!" "MACHT NICHTS" (2010) postuliert die Arbeit von Clemens Wilhelm als leuchtender Schriftzug auf dem größten LED-Werbescreen Europas in Berlin. Einem Kippbild gleich beruhigt uns der jeder Interpunktion beraubte Ausspruch: "Macht (doch) nichts", um im nächsten Moment zur widerständischen Leistungsverweigerung aufzurufen: "Macht nichts!!!" Dieses Paradoxon auf einer Werbeleinwand lädt ein zur Diskussion über die Gestaltung von öffentlichem Raum, über Autorschaft, Manipulation, die Warenförmigkeit von Kunst und vor allem darüber, ob es wirklich nichts macht, wenn wir jetzt nichts machen. Eine großformatige Fotografie dieser Intervention im urbanen Raum ist nun auf einer Werbeplakatfläche außerhalb des PG LAB zu sehen. Die schillernden Oberflächen, wie sie massenmedialen Phänomenen eigen sind, verströmen Faszination und Glamour ebenso wie Dirtiness. Die Arbeiten von Constantin Hartenstein geben sich diesen Doppeldeutungen hin, um den Betrachter in gleicher Manier zu verführen wie auszugrenzen. Nur noch die 150 häufigsten Wörter der drei meistgelesenen Bücher der Welt - Bibel, Koran und Harry Potter - beinhalten die tag clouds ("Schlagwortwolken") der 3-teiligen Leuchtkasten-Installation BOTTOM LINES (Bible, Harry, Koran) (2010). Die Größe eines Wortes in einer tag cloud visualisiert seine Häufigkeit im jeweiligen Text und suggeriert zugleich seine Bedeutsamkeit. Ungerührt werden in der computergenerierten Reduktion Vieldeutigkeiten ausgeblendet, komplexe Inhalte auf werbewirksame Schlagworte abstrahiert. Für ihre neueste Videoarbeit Until at least forever (2010), die sich aus Filmzitaten zusammensetzt, hat Karin Then eigens ein Genre erfunden: den Inselfilm. In der Wiederholung von Motiven und Handlungsabläufen hat sie ein Muster erkannt, das den Kino- und Fernsehfilmen zu Grunde liegt und auf ein kulturelles Phänomen verweist. Erträumten Sehnsüchtige in der Vergangenheit noch das verloren geglaubte Paradies des Garten Eden, vermutet man das irdische Paradies heute in exotischen Insel-Welten. Immer schon gab es die Sehnsucht nach dem weit entfernten und ein besseres Leben versprechenden Ort. Die Protagonisten in Until at least forever sind unfreiwillig im Paradies gestrandet und kämpfen nun brüsk enttäuscht um ihr Überleben. Eine Rauminstallation aus Projektionen und Monitoren, historischen Bildern und Textfragmenten aus einem familiären Briefwechsel beschrieben eine dichte Atmosphäre, in der Iris Musolf 2009 in einer Performance den eigenen Umgang mit und die gesellschaftliche Konstitution von Geschichte beleuchtete. Die Fotografie Viel hat sich ereignet, viel gibt es zu erzählen. (2009) zeigt die Performance, bei der die Künstlerin durch das Bekleben ihres Körpers mit Dokumenten zum Nachweis der arischen Herkunft der Großmutter wie auch mit dem Sprechen der amtlichen Mitteilung eine körperliche Nähe zur Vergangenheit herzustellen suchte. Iris Musolf legt in ihren Arbeiten immer wieder die eigene Person an die Oberfläche der (medial geprägten) Wirklichkeit an, um im Abgleich Fragen nach individueller und kollektiver Identität, nach gesellschaftlichen Normen und Klischees zu stellen. (Text: Syelle Hase)